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Der Schatten des Toten

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»Was unsere Helden vollbringen konnten«, lobte Cicero, als er am 10. April Bilanz zog, »haben sie getan – herrlich und ruhmreich. Für das Weitere bedarf es Geld und Soldaten; an beiden fehlt es uns« (An Atticus 14,4). Beides galt es nun zu beschaffen. Denn für die kommenden Jahre sollte das Gesetz gelten, dessen Herrschaft Cicero bereits im Herbst 46 kommen sah: »Denn geschehen wird, was die wollen, die die Macht in der Hand haben. Und die Macht wird immer bei den Waffen sein« (An seine Freunde 9,17,2).

Brutus und Cassius fanden sie, ihre Gegner natürlich auch. Und keiner von ihnen dachte daran, sie vor der endgültigen Entscheidung aus der Hand zu legen. Jetzt sollte dem Sieger alles gehören. Wer von den Verschwörern Glück hatte, fiel auf den Schlachtfeldern des neuen Bürgerkrieges; andere wurden gehetzt und auf der Flucht erschlagen oder zogen, umstellt, den Selbstmord vor. »Von seinen Mördern aber«, schrieb rückblickend Sueton, »überlebte ihn fast keiner länger als drei Jahre, und keiner starb eines natürlichen Todes. Nachdem sie alle verurteilt waren, fand der eine auf diese, der andere auf jene Weise ein gewaltsames Ende, ein Teil durch Schiffbruch, ein anderer in der Schlacht. Einige nahmen sich mit demselben Dolch, mit dem sie Caesar verletzt hatten, das Leben« (Caesar 89).

Die Zukunft gehörte jetzt für viele Jahrhunderte den Alleinherrschern und nicht mehr der Republik. Denn obwohl sie an der Leiche Caesars triumphierte, wurde sie mit ihm begraben. Trotzdem darf das schnelle Scheitern ihrer Verteidiger und ihr (vom Ende her besehen) dilettantisches Vorgehen nicht zu dem Schluss führen, es wäre ihnen vornehmlich um eine subjektive Geste, das Setzen eines moralischen Zeichens in einer ansonsten ohnehin verlorenen Welt gegangen. Ganz im Gegenteil: Auch sie waren wie ihre Feinde bereit, die überkommenen Spielregeln der Republik außer Kraft zu setzen, um zu gewinnen. Ihr Scheitern empfanden sie denn auch als Niederlage, und dass andere daraus einen moralischen Sieg machten, lag allein an der wilden Entschlossenheit, mit der sie bis zum letzten Atemzug um die Macht kämpften. Es entsprach dies ihrer Herkunft und ihrem aristokratischen Selbstverständnis. Und erst als alles, was ihnen an Macht und Ehre wichtig schien, im Angesicht des Todes bedeutungslos geworden war, verliehen andere ihren Taten eine zeitlose Würde, schufen ihnen das Anrecht auf eine anhaltende Erinnerung. Vor ihr wogen Sieg oder Niederlage nichts. Denn sie maß allein nach moralischen Kriterien.

Die Zukunft hörte auch nicht auf Caesar. Ihm blieben die Rache und das richtige Urteil über die Folgen seines gewaltsamen Todes, der nichts heilen, sondern alles verschlimmern würde. Anders als Alexander, von dem eine neue Epoche der griechischen Geschichte ihren Ausgang nahm, ist Caesar Teil einer zusammenbrechenden Rechtsordnung und in die Verantwortung für ihre Zerstörung eingebunden. Der Adoptivsohn und monarchische Neugründer Roms, Augustus, rächte seinen Tod durch Gesetz und Krieg. Den Staat, die Herrschaft, das Reich aber baute er nach Vorstellungen auf, die nichts dem politischen Werk Caesars schuldeten. Allein die Götter liehen ihm weiterhin ihre Gunst, denn Jupiter ließ ihn durch Venus, die Stammmutter der Julier, unter die Sterne versetzen:

… ihres Caesar

Seele entreißt sie dem Leib, sie läßt die eben verhauchte

nicht in die Lüfte sich lösen und bringt sie den himmlischen Sternen,

fühlt im Tragen, wie sie von Licht und Feuer erfaßt wird,

gibt aus dem Busen sie frei, die höher fliegt als der Mond und,

nach sich ziehend weit einen feurigen Schweif von Flammen,

glänzt als ein Stern.

(Ovid, Metamorphosen 15,844ff.; Übers.: E. Rösch)

Das Attentat in der Geschichte

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