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Weltanschauliche und strategische Schicksalsgemeinschaft: Die Bedeutung Japans für das weltpolitische Kalkül Hitlers I.
ОглавлениеJapan nahm im Kalkül der Entscheidungsträger des „Dritten Reichs“ eine Schlüsselrolle ein. Dies wird allein daran ersichtlich, dass eine militärische Aktion Japans – der Überfall auf die amerikanische Flotte in Pearl Harbor – den Übergang vom europäischen Krieg zum Weltkrieg auslöste, der durch die deutsche Kriegserklärung an die USA vom 11. Dezember 1941 eingeleitet wurde.1 Die überragende strategische Bedeutung der Beziehungen Hitler-Deutschlands zu Japan steht in erstaunlichem Kontrast zu den geringen Forschungsanstrengungen, die bilateralen Relationen zwischen diesen beiden weltpolitischen Verbündeten im Kampf gegen die liberalen Demokratien Großbritannien und USA von allen Seiten her auszuleuchten. Dieses Desiderat ist nicht zuletzt darin begründet, dass eine quellengestützte Monographie zu diesem Themenkomplex enorme Anforderungen an die Sprachfertigkeit der Forscher stellt; müssen diese doch japanische wie deutsche Quellen gleichermaßen rezipieren. Die einzige Monographie, die sowohl auf japanische wie deutsche Archivbestände gleichermaßen zurückgreift, ist die Dissertation des deutschen Historikers Gerhard Krebs2, der fast drei Jahrzehnte später eine weitere gewichtige Studie3 zu einem verwandten Thema publizierte. Krebs legt seinen Schwerpunkt dabei auf die Entschlüsselung der Entscheidungsprozesse im komplexen japanischen Herrschaftssystem.
Ein Pendant zu den Standardwerken von Krebs, das unter Ausschöpfung auch japanischer Quellen den Blick von deutscher Seite aus auf den Bündnispartner im Fernen Osten richtet, fehlt fast siebzig Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs immer noch. Gewiss ist dies auch dem Umstand zuzuschreiben, dass zentrale Quellenbestände insbesondere japanischer Provenienz schwer zugänglich sind; zudem hat auch das Politische Archiv des Auswärtigen Amtes kriegsbedingte Aktenverluste bei den japanbezogenen Akten zu beklagen. In methodischer Hinsicht türmen sich ebenfalls nicht unbeträchtliche Hürden auf: Da die Intensität der Bündnisbeziehungen abseits von allem machtpolitischen Kalkül nicht zuletzt durch die kulturell geprägten Deutungsmuster auf beiden Seiten bestimmt war, eröffnet sich hier ein weites wie zugleich anspruchsvolles Forschungsfeld für eine Kulturgeschichte des Politischen, die unter Rekurs auf theoriegeleitete Offerten aus der Politikwissenschaft nach handlungsleitenden normativen Grundlagen der deutsch-japanischen Beziehungen fragt.4
Der vorliegende Beitrag kann naturgemäß diese Lücken nicht schließen. Aber er möchte doch mehr sein als eine bloße Skizze eines größeren Forschungsvorhabens, indem er auf drei Feldern die deutsch-japanischen Beziehungen unter die Lupe nimmt, wobei er sich auf das Jahr 1941 – das Schicksalsjahr des Zweiten Weltkrieges – konzentriert. Dabei soll vorausgeschickt werden, dass der Verfasser mangels japanischer Sprachkenntnisse vorrangig die deutsche Seite untersucht. Im ersten Teil soll unter Rekurs auf neuere Forschungsergebnisse die kulturelle Unterfütterung der deutsch-japanischen Beziehungen behandelt werden. Hier geht es insbesondere darum, welche Vorstellungen von Japan Hitler als der dominierende außenpolitische Akteur des NS-Regimes besaß. Zweitens soll zumindest die Frage gestreift werden, welche anderen Akteure neben Hitler eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung der bilateralen Beziehungen einnahmen, wobei sich der Beitrag auf Reichsaußenminister Ribbentrop und den japanischen Botschafter in Berlin, General Oshima, beschränken muss. Das Hauptaugenmerk gilt drittens schließlich dem strategischen Stellenwert, den Japan im weltpolitischen Kalkül Hitlers einnahm. Dabei wird unter Ausschöpfung auch bislang nicht beachteter Zeugnisse die These vertreten, dass Hitler nach seiner Entscheidung für den Angriff auf die Sowjetunion Japan gezielt zu einem Krieg gegen die angloamerikanischen Demokratien animieren wollte. Damit wird zugleich erklärlich, warum die deutsche Kriegserklärung an die USA eine monatelange Vorgeschichte besaß und für die deutschen Entscheidungsträger nur die zwangsläufige Folge einer kontinuierlichen Entwicklung darstellte.