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VI.

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In den Wochen vor und nach der Unterzeichnung der Atlantik-Charta machte sich zunehmende Beunruhigung über Japan in der deutschen Führung breit. Die völlige Undurchsichtigkeit des Kurses der japanischen Regierung unter Leitung von Fürst Konoye vermittelte dem diplomatischen Apparat im Auswärtigen Amt den Eindruck, dass zumindest nicht auszuschließen sei, Japan werde als Preis für ein Arrangement mit den USA den Dreimächtepakt opfern.59 Die deutsche Seite war hier von jedem zuverlässigen Informationsfluss abgeschnitten, weil ihr wichtigster Ansprechpartner, Japans Botschafter in Berlin, ebenfalls von seiner vorgesetzten Dienststelle „fast ganz im Dunklen gelassen“ wurde und sich daher „unter Umgehung des japanischen Außenministeriums“60 mit Hilfe privater Kanäle Nachrichten aus Tokio beschaffte, die aber seit dem Sommer 1941 immer mehr versiegten. Ein weiteres, die deutsche Seite irritierendes Signal bestand darin, dass ab Anfang Oktober 1941 die deutsche Propaganda in Japan erheblich eingeschränkt wurde, weil von der deutschen Botschaft in Tokio aus keine Propagandadrucksachen mehr in Umlauf gebracht werden durften, die vor allem den Zweck verfolgten, durch das Herausstreichen deutscher militärischer Erfolge im Krieg gegen die Sowjetunion die japanische Volksstimmung zu beeinflussen.61

Auch das wachsende Engagement der USA auf Seiten der Gegner des Reiches ließ die deutsche Führung immer mehr an der Entschlossenheit Japans zu einem militärischen Vorgehen gegen die USA zweifeln. Anfang Juli 1941 hatten amerikanische Truppen Island besetzt, um im Nordatlantik ein strategisches Glacis für einen möglichen Krieg gegen das Reich zu schaffen; und ab Ende August 1941 begannen die USA damit, die Sowjetunion über den Hafen Wladiwostok im Fernen Osten und damit vor den Augen Japans mit Hilfsgütern zu versorgen. Die deutsche Seite konnte sich auf diese Aktionen der USA nur in der Weise einen Reim machen, dass sie von einer stillschweigenden Duldung Japans ausging. Das NS-Regime wollte zudem nicht ausschließen, dass Japan damit die eigensüchtige Politik verfolgte, „durch einen Ausgleich mit Amerika dieses auf lange Zeit in einem europäischen Krieg zu fesseln, um ohne selbst mit Amerika in offenen Konflikt zu kommen, in Ostasien freie Hand zu haben, die chinesischen Dinge in Ordnung zu bringen und sich im Süden weiter auszubreiten“.62 Damit hätten sich die USA wie Großbritannien ganz auf den atlantischen Kriegsschauplatz konzentrieren können, womit für das Dritte Reich der außenpolitische „worst case“ eingetreten wäre.

Welche Möglichkeiten boten sich der deutschen Seite, um die japanische Haltung gegenüber den USA in ihrem Sinne beeinflussen zu können? Die Berichte insbesondere des deutschen Geschäftsträgers in Washington, welche Hitler außerordentlich schätzte63, wiesen dem voraussichtlichen Ausgang des Ostkrieges ausschlaggebende Bedeutung zu: Sollte die japanische Führung den Eindruck gewinnen, dass die Sowjetunion kurz vor dem militärischen Zusammenbruch stünde, würden die „Falken“ die Oberhand gewinnen und den unmittelbar bevorstehenden Wegfall eines potentiellen Gegners im Norden zum Anlass nehmen, die angloamerikanischen Mächte im pazifischen Raum militärisch herauszufordern.64 Damit war klar, dass nur neue und eindeutige militärische Fakten die japanische Seite in diesem Sinne würden beeindrucken können. Allerdings hatte die deutsche Seite hier mit einem Glaubwürdigkeitsproblem zu kämpfen, da sich Hitlers vollmundige Ankündigung aus der Mitte des Juli 1941 gegenüber Oshima, wonach der Krieg im Osten praktisch schon siegreich beendet sei, als Wortgeklingel erwiesen hatte. Die japanische Seite hatte aufmerksam registriert, dass trotz des Vordringens der deutschen Truppen tief in das Kerngebiet Russlands weder die Kampfkraft der Roten Armee noch das kommunistische System Auflösungserscheinungen zeigten, so dass Deutschland weiterhin mit einem zähen und kampferprobten Gegner im Osten zu rechnen hatte. Japans Außenminister Toyoda ließ an diesem Punkte auch alle diplomatische Höflichkeit fallen und wies den deutschen Botschafter im September 1941 unmissverständlich darauf hin, dass sich die deutsche Voraussage, wonach der Krieg gegen die Sowjetunion ungefähr im August 1941 beendet sei, als unzutreffend erwiesen habe.65

Vor diesem Hintergrund zeichnete sich ab, dass die deutsche Seite nur mit einer rundum überzeugenden militärischen Erfolgsmeldung den gewünschten Eindruck in Japan erzielen konnte. Und angesichts der erschwerten Propagandamöglichkeiten im Reich der aufgehenden Sonne musste dieser militärische Erfolg kommunikativ so prominent platziert werden, dass er als ein globales Medienereignis auch in Japan nicht ignoriert werden konnte. Daher inszenierte Reichspressechef Otto Dietrich am 9. Oktober 1941 vor den versammelten Auslandskorrespondenten aller neutralen und mit Deutschland verbündeten Staaten eine Pressekonferenz, in der er nicht weniger verkündete, als dass der Krieg im Osten aufgrund der Vernichtung einer sowjetischen Heeresgruppe nunmehr entschieden und die Eroberung der sowjetischen Hauptstadt eine zwangsläufige Folge der Vernichtung der sowjetischen Kampfkraft sei.66

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