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Judenhass aus dem Äther

NS-Propaganda für die Arabische Welt während des Zweiten Weltkriegs1

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Klaus-Michael Mallmann und Martin Cüppers gehören zu jenen Historikern in Deutschland, Israel und den USA, die unser Wissen um das, was Robert Wistrich treffend als Schwerpunktverlagerung des weltweiten Antisemitismus von Europa in den Nahen Osten und in den Iran bezeichnet, wesentlich bereichert haben.2 Der Zweite Weltkrieg markiert insofern ein zentrales Kapitel in der Geschichte dieser Entwicklung, als sich in Berlin traditioneller Islamismus mit arabischem Nationalismus und NS-Ideologie zu verschränken begann. Am Ende stand eine bemerkenswerte Verschmelzung aus islamistischer Radikalisierung, selektiver Auslegung islamischer Überlieferung und NS-inspiriertem Judenhass. Diese kulturelle Fusion entsprang der aktiven politischen Zusammenarbeit von einigen prominenten Nazi-freundlichen Islamisten und radikalen arabischen Nationalisten mit Vertretern des Auswärtigen Amts (AA), des Propagandaministeriums und Expertenkreisen mit Verbindungen ins Reichssicherheits-Hauptamt (RSHA). Die Quellenfunde und Forschungsergebnisse der letzten Jahre bieten erstmals tiefere Einblicke in die NS-gesteuerte, an die arabische Bevölkerung in Nordafrika und im Nahen Osten gerichtete Presse- und Radio-Propaganda. Haj Amin el-Husseini, der sogenannte Großmufti von Jerusalem, und Raschid Ali Kilani, Anfang 1941 Führer der Achsen-freundlichen Putschisten in Bagdad, waren von November 1941 bis zum Frühjahr 1945 tief in diese Propagandakampagne verstrickt.3

Mallmann und Cüppers sind nicht die einzigen Historiker, die die Kollaboration von Husseini, Kilani und anderen mit dem NS-System dokumentiert haben.4 Ihren Höhepunkt erreichte diese Zusammenarbeit in Berlin in den Jahren 1941 bis 1945. Sie manifestierte sich in engen und regelmäßigen Konsultationen mit Experten des für den Orient zuständigen Amtes VII der Politischen Abteilung von Ribbentrops Außenministerium sowie mit dem Orientreferat (ebenfalls Amt VII) der Rundfunkpolitischen Abteilung im AA, das Kurzwellensendungen in arabischer Sprache für Nordafrika und den Nahen Osten produzierte. Involviert waren ebenfalls Propagandaoffiziere in Rommels Afrika-Korps, mit denen Druckschriften in arabischer Sprache verbreitet wurden, und schließlich Himmlers SS, dem es um effiziente Propaganda und um die Aufstellung einer Waffen-SS-Division mit bosnischen Muslimen ging. In ihren groben Konturen ist diese Kooperation mit dem NS-Regime seit Ende des Zweiten Weltkriegs bekannt, doch erst mit der Veröffentlichung meines Buchs Nazi Propaganda for the Arab World im Jahr 2009 hat die Wissenschaft den vollen Umfang der arabischsprachigen Propaganda-Kampagne thematisiert. Die von der amerikanischen Botschaft in Kairo während des Krieges unter dem Titel „Axis Broadcasts in Arabic“ zusammengestellte Sammlung übersetzter Transkripte ist seit 1977 in den US National Archives deklassifiziert verfügbar. Jede Woche schickten US-Botschafter Alexander Kirk und sein Nachfolger Pinkney Tuck diese englischsprachigen Transkripte an das State Department in Washington. Soweit wir wissen handelte es sich bei dieser mehrtausendseitigen Sammlung um die vollständigste Dokumentation deutscher Radiopropaganda für ein arabisches Zielpublikum während des Zweiten Weltkriegs.

Zwischen Herbst 1939 und März 1945 strahlte das NS-Regime auf der Kurzwellenfrequenz über Sender in Rom, Bari, Athen und vor allem über die leistungsfähige Sendeanlage in Zeesen bei Berlin sieben Tage und Nächte in der Woche Programme in arabischer Sprache aus. Die mehrstündigen Sendungen brachten Nachrichten, Kommentare und Musik. Angesichts der hohen Analphabetismusrate in Nordafrika und im Nahen Osten in Verbindung mit dem weitgehenden Fehlen deutscher Machtpräsenz in der Region bildete das Radio das effektivste, wenn nicht das einzige Medium, mit dem das Dritte Reich die breite Masse der Bevölkerung erreichen konnte. Im August 1941 schätzte das United States Office of War Information (OWI) die Zahl der Kurzwellenempfänger in der Region auf etwa 90.000: 150 in Aden, 55.000 in Ägypten, 4000 im Irak, 24.000 in Palästina, 6000 in Syrien und 25 in Saudi Arabien.5 Ein Kurzwellengerät konnte viele Menschen erreichen, denn Radiosendungen waren beliebt bei arabischen Kaffeehaus-Besuchern; es fehlt jedoch an verlässlichen Informationen zur Zahl der Hörer und darüber, wie sie die Sendungen aufnahmen.

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