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3. Die religiösen Strukturen Europas
ОглавлениеHeiden
Das lateinische Europa war zu weiten Teilen christlich geprägt. Dies gilt vor allem für die Regionen England, Irland, Frankreich, Italien und den Westen des Reiches. Der Osten des Reiches war hingegen zu erheblichen Teilen noch nicht bis auf die Ebene der Pfarrei christianisiert gewesen. So waren die östlich der Elbe siedelnden Liutizen Heiden. Auch die angrenzenden Pommern wurden erst zu Beginn des 12. Jahrhunderts intensiver missioniert. Bischof Otto von Bamberg (p 1139) hatte sich bei der Pommernmission so große Verdienste erworben, dass er als der Missionar der Pommern gilt – was diese jedoch nicht davon abhielt, ihn zu erschlagen. Weite Teile um Magdeburg waren bis auf die Ebene der einzelnen Pfarrei erst im 12. Jahrhundert flächendeckend christianisiert. Die einseitige Quellenüberlieferung führt jedoch dazu, dass wir über viele der heidnischen Kulte wenig wissen und sie in der Regel allein aus der Perspektive christlicher Autoren kennen. Eigene Schriftzeugnisse der heidnischen Religionen sind meist nicht überliefert – großenteils sind wir auf archäologische Befunde angewiesen, die vor allem aufgrund von Bestattungspraktiken und Grabbeigaben Informationen zur Glaubenspraxis beisteuern können, auch wenn man mit der Deutung der Befunde immer vorsichtig sein muss. So ist ein heidnisches Amulett als Grabbeilage nicht ohne Weiteres als ein eindeutiges Indiz für heidnische Praktiken zu deuten. Es kann sich ebenso um ein Andenken oder Ähnliches handeln, das die Hinterbliebenen dem Gestorbenen ins Grab legten. Trotz dieser Einschränkungen wird man für das 11. Jahrhundert sicherlich formulieren können, dass das lateinische Europa auf dem Weg einer flächendeckenden Christianisierung bis auf die Ebene der Pfarrei weitergeschritten war, dass es aber bei der Erreichung dieses Ziels noch eine Wegstrecke vor sich hatte.
Ostkirchen
Das Christentum im Europa des 11. Jahrhunderts war nicht in einer einheitlichen homogenen Kirche organisiert. Da ist zum einen die Differenzierung zwischen der griechisch-byzantinischen Kirche und der lateinisch-römischen Kirche, doch ebenso ist auf unter arabischer Herrschaft befindliche Kirchen auf der Iberischen Halbinsel hinzuweisen. Auf der Ebene des einfachen Gläubigen und seiner religiösen Praktiken existierte daher bei Weitem kein von Irland bis nach Süditalien reichender einheitlicher kirchlicher Ritus. In Spanien herrschte bis in die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts die mozarabische Liturgie vor. In Süditalien galt der griechische Ritus und in Mailand der auf den Kirchenvater Ambrosius zurückgehende Ambrosianische Ritus. Erst im Laufe des 11. Jahrhunderts wurden die Grundlagen für eine intensivere Homogenisierung der lateinischen Kirche gelegt. Am Ende dieser Entwicklung stand eine auf Rom ausgerichtete Kirche. Doch davon kann zumal in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts noch keine Rede sein. Rom beanspruchte zwar auch damals, das Fundament der Gesamtkirche zu sein und die höchste Lehrautorität zu besitzen. Doch dass die Gewichte in der Realität anders verteilt waren, verdeutlicht die Veränderung des Nizänischen Glaubensbekenntnisses unter Benedikt VIII. im Jahre 1014 auf den Wunsch Kaiser Heinrichs II. hin.
Jüdische Gemeinden
Neben den heidnischen Kulten, die vor allem im Osten und Norden Europas im 11. Jahrhundert noch weit verbreitet waren, ist bei der religiösen Struktur Europas ebenso auf andere Religionen hinzuweisen. Das sind zum einen die jüdischen Gemeinden und zum anderen die Muslime. Zumal die Kontaktzonen des christlichen Europas mit dem Islam wurden in den letzten Jahren intensiv untersucht. Für den Investiturstreit spielt diese Thematik eine deutlich untergeordnete Rolle. Die ersten jüdischen Gemeinden im ostfränkischdeutschen Reich lassen sich an der Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert fassen. Im 11. Jahrhundert werden die Quellen etwas dichter. Schätzungen über die Anzahl der in diesen Gemeinden lebenden Juden sind sehr schwer. In der Literatur ist immer wieder die Zahl von etwa 5000 Juden zu finden, die am Ende des 10. Jahrhunderts im Reich lebten. Die bis zum Ende des 11. Jahrhunderts wichtigste jüdische Gemeinde im Reich war Mainz, vor allem aufgrund der dortigen Schule und der darin lehrenden Rabbiner. Jüdische Dörfer scheint es im 11. Jahrhundert nicht gegeben zu haben, sodass wir allein von städtischen Gemeinden ausgehen müssen. Zunächst waren die Juden im Reich vor allem als internationale Händler tätig, indem sie Waren aus den unterschiedlichsten Regionen Europas und darüber hinaus an die Höfe von Herrschern, Fürsten oder Bischöfen brachten. Doch im Laufe des 11. Jahrhunderts sind jüdische Kaufleute immer mehr im Nahhandel nachzuweisen. Die Spezialisierung auf den Fernhandel blieb zwar erhalten, doch trat nun eine Ausweitung der Handelsaktivitäten sowie der gehandelten Produkte hinzu. Die Tätigkeit jüdischer Kaufleute im Kreditwesen ist jedoch erst eine Entwicklung des 12. und dann vor allem des 13. Jahrhunderts. Aufgrund der mangelnden Geldwirtschaft des 11. Jahrhunderts spielte der Geldhandel für jüdische Kaufleute in dieser Epoche noch keine Rolle. Das 11. Jahrhundert ist für die jüdischen Gemeinden im Reich eine Phase des Wachstums, in der sich die Zahl vervier- oder verfünffachte. Dies erfolgte nicht durch eine Zunahme von jüdischen Gemeinden, sodass an immer mehr Orten Gemeinden gegründet worden wären, sondern durch ein Wachstum der bestehenden Gemeinden. Wir können insgesamt 13 jüdische Gemeinden nachweisen, auf die sich die Summe von 20.000–25.000 Juden am Ende des 11. Jahrhunderts verteilte. Das bedeutet, dass die jüdischen Gemeinden in den Städten, in denen sie existierten, bisweilen einen erheblichen Anteil der Bevölkerung ausmachten und bis zu 20 Prozent stellen konnten. Am Ende des 11. Jahrhunderts ereignete sich dann ein tiefer Einschnitt in das bis dahin weitgehend friedliche Zusammenleben von Christen und Juden im Reich. Im Zuge des ersten Kreuzzugs von 1096 kam es im Reich zu den ersten überregionalen Pogromen gegen die jüdischen Gemeinden, denen Tausende zum Opfer fielen. Der Kreuzzug war für die jüdischen Gemeinden im Reich eine Katastrophe und der Beginn von sich bis ins 13. Jahrhundert immer weiter steigernden Pogromen.
Muslime
Anders als die jüdischen Gemeinden, die über ganz Europa verbreitet waren, sind islamische Gemeinden allein im muslimischen Herrschaftsbereich nachzuweisen. Nach der Eroberung Spaniens ab 711 sind im 11. Jahrhundert weite Teile der Iberischen Halbinsel muslimisch, auch wenn die muslimische Seite zunehmend in die Defensive geriet. Die christliche Seite war zu diesem Zeitpunkt größtenteils eher an Tributzahlungen als an territorialen Eroberungen und damit verbundener Christianisierung der Gebiete interessiert. Erst im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts kam es zu einer verstärkt kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Muslimen und Christen auf der Iberischen Halbinsel. Muslimisch waren im 11. Jahrhundert zudem Teile der Bevölkerung Siziliens. Seit der Mitte des 9. Jahrhunderts begannen sich Muslime in Unteritalien festzusetzen, gegen den Widerstand der dortigen Langobarden und der Byzantiner. Erst im 11. Jahrhundert drehte sich das Blatt zugunsten christlicher Herrscher, namentlich der Normannen, die zunächst die Terraferma, das unteritalienische Festland, eroberten und dann am Ende des 11. Jahrhunderts unter Roger I. Sizilien einnahmen und christianisierten. Bis in die 20er-Jahre des 13. Jahrhunderts gab es auf Sizilien noch muslimische Gemeinden, bevor sie von Friedrich II. in das apulische Lucera umgesiedelt wurden. Das jüdische Königreich in Palästina hatte mit seiner Vernichtung im ersten nachchristlichen Jahrhundert aufgehört zu existieren. Doch die beiden anderen monotheistischen Religionen hatten Herrschaftsräume in Europa ausgebildet. Innerhalb dieser christlichen oder muslimischen Königreiche hatten andere religiöse Gruppen eine geminderte Rechtsstellung. In einem christlichen Königreich hatten weder Juden noch Muslime dieselben Rechte wie Christen und in einem muslimischen galt dies ebenso für Juden und Christen. Religion und ihre Ausübung war im 11. Jahrhundert keine Privatangelegenheit, sondern entschied auch über den rechtlichen Stand einer Person. n
Auf einen Blick
Adalbero von Laon bietet eine Dreiteilung der mittelalterlichen Gesellschaft. Welche Funktion schreibt er den Gruppen zu, und inwiefern entsprach diese Dreiteilung der Realität?
Im 11. Jahrhundert begann eine weitreichende ökonomische Veränderung des lateinischen Europas. Inwiefern wurden durch diese Veränderungen auch gesellschaftliche Ordnungen beeinträchtigt? Die ökonomische Grundlage der Königsherrschaft bestand vor allem aus dem Reichsgut und seiner Bewirtschaftung (meist nicht durch den König direkt). Was ist der Unterschied zwischen Allodialgütern und Reichsgütern?
Das lateinische Europa war in der Epoche der Kirchenreform und des Investiturstreits nicht allein christlich geprägt. Beschreiben Sie die religiöse Struktur Europas, insbesondere die Differenzen in- nerhalb der christlichen Kirche(n).