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1. Libertas ecclesiaedie Forderung nach Freiheit

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Der Wille nach einer Zurückdrängung des Einflusses von Laien auf die Kirche gipfelte in der Forderung nach der libertas ecclesiae (lat. Freiheit für die Kirche). Das war das Schlagwort, mit dem die Reformer den Einfluss der weltlichen Seite in der Kirche reduzieren wollten. Sie wollten der Kirche Freiheit geben, Freiheit in theologischen Fragen, aber auch auf jede einzelne Kirche, jedes einzelne kirchliche Amt ganz konkret angewandt. Auf der theologischen Ebene bedeutete dies, dass sich Könige, Kaiser oder andere Große nicht mehr in theologische Fragen einmischen sollten. Und in der Tat war das Eingreifen Heinrichs II. auf der Kaiser-Papst-Synode im Anschluss an seine Kaiserkrönung am 14. Februar 1014 das letzte Mal, dass ein hochmittelalterlicher Kaiser die Theologie der Kirche prägte. Damals hatte der letzte Ottonenherrscher dafür gesorgt, dass das Glaubensbekenntnis verändert wurde. Er setzte die Aufnahme der filioque-Formel durch, die besagte, dass der Heilige Geist nicht allein aus dem Vater, sondern „auch aus dem Sohn“ hervorgegangen sei. Derartige Eingriffe in die Theologie kennt die Salierzeit nicht, da die Kirche nun den Einfluss von Laien stark reduzierte.

Die von den Reformern erstrebte libertas ecclesiae bezog sich ganz konkret auf die einzelne Kirche, auf jedes einzelne Amt. Es war Gerd Tellenbach, der in seiner umstürzenden und wegweisenden Studie von 1936 dieses Ringen um die libertas ecclesiae als den Hauptantrieb der Reformkreise ausmachte, wobei die Bezeichnung dieser Personen als Reformer eine Kennzeichnung durch die Forschung ist. Keiner der Reformpäpste hat sich selbst als Reformpapst tituliert oder wurde von anderen Zeitgenossen so bezeichnet. Die Reformer wollten die Kirche verändern, sie aus ihrem aktuellen und in ihren Augen schlechten Zustand befreien, eine Reform, die nach innen gerichtet eine Wiederherstellung kirchlicher Ordnung forderte. Reform meinte dem Anspruch nach nie den Beginn einer neuen Ordnung oder gar einen Umsturz der Verhältnisse. Die mittelalterliche Forderung nach Reformen war stets die Forderung nach einer Rückkehr zu alten Idealen. Dies meint auf der einen Seite die Tradition, doch ebenso die in den Schriften der Patristik zu findenden Normen. Diese Normen wurden und werden immer wieder unterschiedlich ausgelegt, bisweilen ganz anders, als sie ursprünglich gedacht waren. Doch das Wesen der mittelalterlichen Reformen ist eine Rückführung zum alten Ideal, wie es ja bereits semantisch in dem dafür benutzten Wort zum Ausdruck kommt: reformare (lat. wiederherstellen). Derartige Reformen hatte es immer gegeben, getreu dem Motto ecclesia semper reformanda – die Kirche muss immer reformiert werden. Doch das Neuartige des Reformanliegens im 11. Jahrhundert war die Grundsätzlichkeit der Fragen, die behandelt wurden, und es war die Wirkung, die von ihm ausging. Letztlich kann man den gesamten Investiturstreit als eine Folge dieses Strebens nach der libertas ecclesiae interpretieren. Denn der tiefere Grund des Konfliktes, der nach der sogenannten Investitur bezeichnet wird, war nicht das päpstliche Verbot der Investitur durch Laien, das wurde in den Quellen im Grunde nur am Rande behandelt, sondern es war ein grundsätzliches Ringen der geistlichen und weltlichen Gewalt, deren Ergebnis ein Auseinandertreten dieser beiden Bereiche war.

Begriffsgeschichtlich stellt sich die libertas ecclesiae jedoch zunächst nicht als eine klare Trennung der Kirche von der weltlichen Gewalt dar. Der Begriff der libertas kommt vielmehr zunächst in Urkunden vor, welche die Könige und Kaiser für Klöster und andere Kirchen ausstellten, um sie mit königlichem Schutz auszustatten. Die Klöster wurden dem Herrscher direkt unterstellt und aus der Einflusssphäre anderer Großer oder Bischöfe herausgenommen. Sie erhielten die sogenannte Immunität. Diese schützte sie vor den Eingriffen Außenstehender, unterstellte sie jedoch zugleich dem Herrscher. Die Immunitätsprivilegien nennen das, was sie den Klöstern verleihen, in der Regel libertas ecclesiae, was den skizzierten Rechtsstatus umschreibt. Diese Form der libertas war also keine völlige Freiheit; sie entzog die Kirchen zwar dem Einfluss einfacher Laien, doch unterstellte sie diese zugleich dem Herrscher. Derartige Abhängigkeiten Geistlicher von Weltlichen wollten die Reformer zurückdrängen und bedienten sich dabei der Terminologie königlicher Privilegien, indem sie von libertas ecclesiae sprachen. An die Stelle des Schutz gewährenden Königs trat jedoch zunehmend das Papsttum, sodass sich eine libertas Romana entwickelte. Die Herausnahme kirchlicher Institutionen aus weltlicher Einflussnahme war eine fundamentale und weitreichende Forderung, die mit der bisherigen, seit der Karolingerzeit geübten Praxis brach und das sogenannte Eigenkirchenwesen infrage stellte.

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