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Einleitung

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Der Kern des Investiturstreits ist eine grundlegende Auseinandersetzung zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt, deren Folgen die westlich-europäische Kultur bis heute prägen. Das bedeutsamste Ergebnis dieses Streites war das begriffliche, formale und in bestimmten Teilen auch reale Auseinandertreten der geistlichen und weltlichen Gewalt. An seinem Ende standen durch den Konflikt geschärfte und erweiterte Vorstellungen vom Amt des Königs, des Papstes, der Bischöfe, eines weltlichen Herrn und eines einfachen Priesters, weshalb er auch als ein „Ringen um die rechte Ordnung“ charakterisiert wurde. Der Konflikt zwischen den beiden Gewalten ist das zentrale Moment, sein Ergebnis die grundlegende Frucht für die weitere Geschichte des lateinischen Europas – nicht die namensgebende Auseinandersetzung um die Investitur, die Einsetzung in ein Amt. Die Frage, wer dazu berechtigt war, einen Bischof oder Priester in sein geistliches Amt einzusetzen, stand zunächst nicht im Zentrum dieses Konfliktes und war den Kirchenreformern selbst nur ein Mittel zum Zweck. Die Investitur war der Hebel, über den die Reformer erreichen wollten, dass nur noch geeignete Kandidaten in kirchliche Ämter gelangten. Die Reformer strebten eine veränderte Kirche an, eine reinere, eine dem Einfluss der Laien und damit der weltlichen Gewalt möglichst stark entzogene Kirche. Die Investitur war dabei nur ein Aspekt, weswegen die Forschung vor allem nach der wichtigen Habilitationsschrift von Rudolf Schieffer aus dem Jahr 1981 immer wieder vom „sogenannten Investiturstreit“ spricht. Alternative Konzepte, diese Epoche zu bezeichnen, wie Gregorianische Reform oder Kirchenreform konnten sich nicht durchsetzen, sodass heute in der aktuellen Forschungsliteratur wieder vom Investiturstreit gesprochen wird, ohne den Zusatz „sogenannt“ oder Anführungszeichen. Daher soll der Begriff in diesem Band verwendet werden und hat ihm den Titel gegeben, obwohl er auf den ersten Blick zur falschen Assoziation führt, dass es in diesem Konflikt vor allem um die Investitur ging.

In keinem anderen europäischen Land ist der Investiturstreit nach wie vor so präsent wie in Deutschland und Österreich. Das hängt ohne Frage mit den Ereignissen von Canossa zusammen, als König Heinrich IV. am 25. Januar 1077 (Fest der Bekehrung Pauli) barfuß als einfacher Büßer vor der Burg Canossa erschien, in der sich Papst Gregor VII. aufhielt. Dieser Akt von Canossa fand in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung ein deutlich geringeres Echo als die zuvor von Papst Gregor VII. ausgesprochene Bannung Heinrichs IV. Doch Canossa rückte in den darauffolgenden Jahrhunderten in veränderter Form immer stärker ins Zentrum der Erinnerung, bis der Canossagang durch Otto von Bismarck schließlich sogar sprichwörtlich wurde. Daher verbinden die meisten Menschen mit dem Begriff Investiturstreit den Canossagang. Das ist nicht falsch, aber nur ein Bruchteil. Denn diese Reduktion führt nicht nur zu einer Verengung der Entwicklung auf ein einziges Ereignis, sondern suggeriert, dass der Investiturstreit eine Auseinandersetzung zwischen Gregor VII. und Heinrich IV. gewesen sei, was die Dimensionen verkennt. Denn es handelt sich um einen das gesamte lateinische Europa erschütternden und in der Folge verwandelnden Konflikt. Das Reich und sein König standen zunächst nicht im Zentrum des Streits: Unter den Königen war es nicht Heinrich IV., sondern der französische König Philipp, dem der Papst auf der Fastensynode 1075 als Erstem die Exkommunikation angedroht hatte. Und nicht Heinrich IV., sondern den in Unteritalien herrschenden Normannen Robert Guiscard hatte Gregor VII. im Jahr 1074 als ersten Herrscher tatsächlich exkommuniziert. Der Konflikt der geistlichen Gewalt mit der weltlichen wurde fast im gesamten lateinischen Europa geführt.

Diese Reichweite kam dadurch zustande, dass die lateinische Kirche eine fundamentale Wandlung erfuhr, die sie für das weitere Mittelalter und im nach der Reformation katholisch gebliebenen Teil Europas bis heute prägt. Die zuvor kollegial-episkopal organisierte Kirche, die auf der Gemeinschaft der Bischöfe aufbaute und Rom innerhalb der lateinischen Kirche vor allem einen Ehrenvorrang zuwies, wurde in eine hierarchisch durchstrukturierte Papstkirche umgewandelt. Der Anspruch dieser Päpste, die das Universale ihres Amtes immer stärker betonten, erstreckte sich auf viele Eingriffsmöglichkeiten und -rechte und dehnte sich bis in den hintersten Winkel der lateinischen Christenheit aus. Rom hatte sich mit den sogenannten, seit der Mitte des 11. Jahrhunderts amtierenden Reformpäpsten aus einer zuvor eher passiven Haltung gelöst und nahm das Heft des Handelns zunehmend selbst in die Hand. Rom wurde damit zum Motor der Kirchenreform, sodass die Unterordnung unter Rom und das neue Ideal der Kirche miteinander verknüpft wurden. Das eine schien den römischen Reformern ohne das andere nicht möglich zu sein.


Das römisch-deutsche Reich zur Zeit des Investiturstreits

Beide Entwicklungen, der Konflikt zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt sowie die Umwandlung der Bischofs- in die Papstkirche, treten im Investiturstreit in eine Wechselwirkung, was die Wucht des Konflikts erklärt. Und da der römisch-deutsche König sich bei der Ausübung seiner Herrschaft im Reich – stärker als andere Könige – auf die Kirche stützte, ist verständlich, wieso der Investiturstreit im Reich besonders heftig ausgetragen wurde. Hier lagerten sich weitere, rein weltliche Konflikte an, sodass diese Epoche für den römisch-deutschen König zu einer existenziellen Bedrohung seiner Herrschaft wurde. Der Investiturstreit erweist sich somit als eine Verknüpfung zahlreicher Konflikte. Erst in ihrer Kombination entstand eine Wirkung, die in den Worten des Zeitgenossen Bonizo von Sutri, eines eifrigen Anhängers Gregors VII., „die Welt erschütterte“.

Investiturstreit

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