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7 Daniel
ОглавлениеIm hebräisch-aramäischen Danielbuch spielt das Motiv der außergewöhnlichen Ernährung von Anfang an eine zentrale Rolle. Nicht die Speise und der Wein des Königs, sondern rein vegetarische Speise und Wasser machen Daniel und seine Freunde kräftig und weise (Dan 1,12–16). Die Einhaltung der jüdischen Speisegebote wird hier als Wunder wirkende Diät beschrieben. Selbst Nebukadnezzar kommt zur Gotteserkenntnis, nachdem er sich, aus der Gemeinschaft der Menschen verstoßen, wie ein Ochse nur von Gras ernähren musste (Dan 4). Im krassen Gegensatz dazu steht Belschazzars opulentes Gastmahl, bei dem die Jerusalemer Tempelgeräte entweiht werden (Dan 5). Ein gezieltes Komplott führt schließlich dazu, dass Daniel, weil er laut zu Gott gebetet hat, den Löwen zum Fraß vorgeworfen werden soll (Dan 6). Das Wundersame daran ist nun aber, dass die Löwen Daniel gerade nicht fressen. Sie sind aber nicht mit den vegetarischen Löwen im paradiesischen Tierfrieden von Jes 11,6–8; 65,25 zu verwechseln, denn sie fressen diejenigen, die nach Daniel in die Grube geworfen werden, sofort (Dan 6,25).
Die Ernährungs-Motivik weiterführend, kreist das erst in der griechischen Fassung belegte Stück „Bel und der Drache“ (Stücke zu Daniel 2, Dan 14 in der Septuaginta) ganz und gar um das Motiv der wundersamen Ernährung, und zwar in mehrfacher Wendung: Eine Statue des Bel muss angeblich – in diametralem Gegensatz zu dem Nahrung spendenden Gott Israels – täglich mit Unmengen von Brot, Fleisch und Wein gefüttert werden, was für den in Babylon herrschenden König aber gerade der Beweis ihrer Göttlichkeit ist. Daniel gelingt es, das vermeintliche Wunder als Betrug zu enttarnen, der der Versorgung der Priesterfamilien dient, die sich nachts heimlich in das Heiligtum schleichen und die dargebrachten Vorräte entwenden. Weiterhin überwindet Daniel einen lebenden, tatsächlich gefräßigen und ebenfalls göttlich verehrten „Drachen“, indem er ihm einen ungenießbaren Fladen zu fressen gibt, an dem er zugrunde geht. So konnte er beweisen, dass der erste Götze gar nichts essen und der zweite nicht zwischen Genießbarem und Ungenießbarem unterscheiden konnte. Doch weil Daniel den „Drachen“ umgebracht hat, wird er auch hier in die Löwengrube geworfen. Diesmal ist der Umstand, dass ihn die ausgehungerten Löwen verschonen, als Wunder noch nicht genug. Um Daniel, der sechs Tage allein unter sieben hungrigen Löwen verbringt, wundersam zu nähren, wird der nichts ahnende Prophet Habakuk in Juda von einem Engel am Schopf gepackt, damit er Daniel eine soeben zubereitete Mahlzeit nach Babylon in die Löwengrube bringe (Dan 14,33–39). Anders als Mose oder Elija vollbringt Daniel selbst keine Wunder. Doch wird seine Weisheit und Frömmigkeit paradigmatisch daran erkennbar, wie er sich bzw. wie Gott ihn wunderbar ernährt.