Читать книгу Wörterbuch alttestamentlicher Motive - Группа авторов - Страница 194

2 Erziehungsprogramme

Оглавление

Zum wesentlichen Thema alttestamentlicher Texte – d.h. zu ihrem inhaltlichen Kern und zum Träger ihrer kommunikativen Funktion (vgl. BUSSMANN 2008, 728f.) – wird Erziehung erst in der Zeit des Babylonischen Exils (587–539 v. Chr.; → Exil) und danach. An erster Stelle sind hier das Deuteronomium und das Buch der Sprichwörter zu nennen, die zwar ältere Texte enthalten mögen, aber erst durch die spätere Komposition ihre konsequent pädagogische Ausrichtung erhalten haben (vgl. BETZ 2007,41–45; FINSTERBUSCH 2012, 17–38). Das Buch Jesus Sirach wurde im 2. Jh. v. Chr. von Anfang an als pädagogische Schrift verfasst. Der schwer datierbare Psalm 119 wurde offenbar am Deuteronomium ausgerichtet.

Von den 50 Belegen für das Substantiv „Zucht“ im AT finden sich allein 30 im Buch der Sprichwörter. Im Prolog Spr 1,1–7 wird Zucht im Sinne von Wohlerzogenheit und Bildung zuerst mit Weisheit und dann mit Klugheit, Gerechtigkeit, Recht und Geradheit als Mahnung zusammengestellt und den folgenden Sprüchen als ihr eigentliches Ziel vorgegeben. Auch die folgende Lehrrede (Spr 1,8–9,18) hebt programmatisch mit einem Aufruf an: „Höre, mein Sohn, auf die Ermahnung (mûsār) deines Vaters, und verwirf nicht die Weisung (tôrāh) deiner Mutter.“

In dem seit 1896 zu zwei Dritteln wiedergewonnenen hebr. Urtext des Sirachbuches begegnet das Stichwort der Zucht (jsr/mûsār) mit 14 Belegen am zweithäufigsten. Von zwei Schlusssprüchen bestimmt der erste den Inhalt des Buches als „Erziehung (mûsār) zur Einsicht und wohlgeformte Spruchdichtung“ (Sir 50,27). Im abschließenden Lehrgedicht über die Weisheitssuche (Sir 51,13–30) wird erstmals eine Schule in Palästina erwähnt, die der Verfasser „Studienhaus“ (bêṯ miḏrāš, V. 23) und mit der im rabbinischen Judentum später üblichen Bezeichnung „Lehrstuhl“ (jəšîḇāh „Sitz“, V. 29) nennt – eine Bezeichnung, die für die Übersetzer der Septuaginta noch so fremd war, dass sie dem Vers einen völlig anderen Sinn gaben. Ungeachtet der strittigen Frage, ab wann man überhaupt mit Schulen im Alten Israel zu rechnen hat (vgl. BETZ 2007, 48–51), herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass Jesus Sirach mit seinem Lehrhaus keine öffentliche Anstalt, sondern das Gedankengebäude seines Buches meint (vgl. KAISER 2006, 223f.).

Das umfassendste Programm religiösen Lehrens und Lernens bietet im AT das Buch Deuteronomium (vgl. FINSTERBUSCH 2005, 117–314) mit 16 Belegen des Verbs lmd, von denen sich 12 in den Rahmenpartien (Dtn 1–11 u. 26,17–34,12) finden. Die deuteronomischen Gesetze (Dtn 12,1–26,16) werden so zum Gegenstand eines Generationen übergreifenden Lehr- und Lernprozesses stilisiert, in dem Mose als der alleinige Lehrer Israels auftritt, der dem Volk auf JHWHs Weisung dessen Satzungen und Rechtsvorschriften beibringt. Diese sollen sich die Israeliten nicht nur einprägen, sondern durch sie und ihre feierliche Verkündung alle sieben Jahre beim Laubhüttenfest soll von klein auf auch die Furcht vor JHWH gelernt werden (Dtn 4,9f.; 31,12f.). Die Aneignung der Gesetze geschieht wohl nicht durch reine Wiederholung, sondern auch, indem die Eltern mit ihren Kindern darüber reden (Dtn 6,7; 11,19).

Als internalisierte Variante des deuteronomischen Lehr- und Lernkonzeptes erscheint Ps 119 mit seinen 13 Belegen des Verbs lmd (vgl. FINSTERBUSCH 2007, 159f.). Im Unterschied zum Deuteronomium wird hier der Einzelne im Gebet von JHWH selbst belehrt, allerdings nicht durch die Wiederholung einzelner Satzungen und Rechtsvorschriften, sondern durch eine unmittelbare Gottesbeziehung, die in einer tiefen Torafrömmigkeit wurzelt: „Der Psalm konzentriert sein Pathos voll auf die geradezu mystische Gemeinschaft mit dem Toralehrer JHWH“ (ZENGER 2008, 390f.).

Wörterbuch alttestamentlicher Motive

Подняться наверх