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2 Ägypten in der Josefsgeschichte

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Das positive Image Ägyptens in der Genesis wird von der Josefsgeschichte mit Nachdruck unterstrichen. Zunächst ist zu bemerken, dass sich der Erzähler bestens mit ägyptischen Gepflogenheiten auskennt. Josef erreicht mit 30 Lebensjahren den Höhepunkt seiner Karriere (Gen 41,46) und entspricht damit einem ägyptischen Ideal. So wird in einem ägyptischen Schultext ein Schüler gerügt, der sich mit seinen 30 Jahren immer noch nicht dem Schreiberstande entsprechend benehme, obwohl er doch am Ort seiner Vervollkommnung angekommen sei (zum Text vgl. BRUNNER 1957, 180). Auch entspricht Josefs Tod im Alter von 110 Jahren (Gen 50,22) der ägyptischen Idealvorstellung (WESTERMANN 1982, 235). Der Leichnam Jakobs wird nach Gen 50,3 einem 40-tägigen Prozess der Mumifizierung unterzogen; die damit im Zusammenhang stehende Trauerzeit beträgt 70 Tage. Diese Zeitangabe entspricht in etwa den Angaben antiker Historiker zu den ägyptischen Balsamierungsriten (Diodor I, 91,6; Herodot II, 85,5).

Bedeutsam für das Verständnis der ägyptenfreundlichen Intention der Josefsgeschichte ist das Verhältnis des Protagonisten zum ägyptischen Staat und Kult sowie zu dessen Repräsentanten. Josefs Karriere und erfolgreiches Wirken in Ägypten ist nur möglich, weil der Pharao den Gott Josefs als Urheber seiner Träume (Gen 41,28), als Verursacher der Dürre (Gen 41,32) und als geistige Quelle der Traumdeutung Josefs (Gen 41,48) anerkennt. Während der Pharao den Gott Josefs als wirkmächtig anerkennt, verbindet er andererseits Josef mit dem Kult und der Religion Ägyptens. Die Verheiratung Josefs mit Asenet, der Tochter des Priesters von On (Gen 41,45), wirkt auf den ersten Blick unverfänglich. Doch Josef wird dadurch mit einem hohen, wenn nicht gar dem höchsten Funktionär eines der wichtigsten ägyptischen Kultzentren, dem Heiligtum von Heliopolis, verschwägert. Eine ähnliche Ehekonstellation geht später auch Mose ein, der die Tochter des Priesters von Midian (Ex 2,21) heiratet. Damit lässt sich Josef nicht nur auf eine – in „deuteronomistischer“ Perspektive sehr fragwürdige – Verbindung mit einer Ägypterin ein – über deren Religiosität kein einziges Wort gesagt wird –, sondern aus dieser Verbindung entstammen mit Ephraim und Manasse zwei der dynastischen Väter der zwölf Stämme Israels. Zu dieser unvoreingenommenen Annäherung an die Religion und den Kult Ägyptens gehört auch Josefs Gepflogenheit, mit Hilfe eines Bechers die Zukunft zu deuten (Gen 44,5). Der entsprechende hebräische Ausdruck nḥš taucht sonst nur in Polemiken gegen Praktiken auf, die aus der JHWH-Religion zu verbannen sind bzw. die mit schweren Strafen zu belegen sind (Lev 19,26; Dtn 18,10; 2 Kön 17,17; 21,6).

Für die Ägypter mag sich der ägyptische Staat nach der Darstellung der Josefsgeschichte als ambivalent darstellen. Zwar rettet Josefs Vorratswirtschaft die Ägypter vor dem Hungertod; am Ende verlieren diese jedoch all ihre Habe und ihre persönliche Freiheit an den Staat (Gen 47,14–21). Für die Jakobsippe aber erweist sich Ägypten nicht nur als Refugium, das ein Überleben während der universalen Hungerkatastrophe sichert, sondern Ägypten ist auch das Land, das ein Beibehalten der nomadischen Lebensweise gestattet. Trotz des Hinweises, dass die Angehörigen der Jakobsippe als Viehhirten, hier wohl im Sinne von nomadischen Beduinen, den Ägyptern ein Gräuel (tôʿeḇāh) sind (Gen 43,23), erhalten sie in Ägypten Landbesitz (Gen 47,11) und sind somit besser gestellt als die nunmehr landlosen und unfreien Ägypter.

Trotz der unumwunden zugegebenen Reserviertheit gegenüber der Jakobsippe als Hebräern, mit denen keine Tischgemeinschaft möglich ist (Gen 43,32) und ihrer gleichfalls diffamierenden Bezeichnung als Hirten (Gen 46,34) erweist sich Ägypten gerade in seiner Distanziertheit gegenüber den Fremden als ein Land, in dem Leben und Prosperität möglich sind (Gen 47,27). Das Ägypten Josefs zeigt sich darin geradezu als Gegenbild zum Ägypten des Exodus, das für Israel zu einer tödlichen Bedrohung geworden ist (vgl. KUNZ 2003, 206–229). So gibt unter anderem eine stattliche Heeresmacht, bestehend aus „Reitern und Streitwagen“ (Gen 50,9), insgesamt „ein großes Heerlager“, der Überführung von Jakobs Leichnam in seine Heimat das Geleit. Der Ausdruck „Reiter und Streitwagen“ stellt im Kontext der Vernichtung des ägyptischen Heeres ein Leitwort dar (vgl. Ex 14,17.18.23.26.28; 15,19), ebenso wird hierbei die ägyptische Streitmacht als „Heerlager“ (Ex 14,24) bezeichnet.

Der Umstand, dass Hebräer in ägyptischer Perspektive mit Hirten identifiziert werden (Gen 43,32; 46,32; 47,3), und dass diese wiederum als „Gräuel“ bezeichnet werden, reflektiert einen zumindest sekundär aus ägyptischen Quellen überlieferten Vorstellungshorizont: Der negativ-chaotische ägyptische Gott Seth als Vater der Juden (GÖRGEMANN 2003, 31) und die von Josephus (s. Contra Apionem) überlieferte Geschichtsschau des ägyptischen Priesters Manetho, nach der die Juden eine Koalition mit Aussätzigen eingehen, zur Gefahr für das Land werden und schließlich aus diesem vertrieben werden (vgl. ASSMANN 1996, 440–446), stellen Belege für einen in Ägypten verbreiteten Antijudaismus dar. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die gut belegte antijüdische Polemik in spätägyptischer Zeit ältere Vorläufer hat (ASSMANN 2000, 252). Die Gründe für die Zerstörung des Jahu-Tempels in Elephantine gegen Ende des 5. Jh.s v. Chr. werden kontrovers diskutiert (ROHRMESSER 2010). Da allerdings unstrittig ist, dass der Vorgang von ägyptischer Seite initiiert wurde, dürfte dieser auf ein Spannungsverhältnis zwischen den jüdischen JHWH-Anhängern und Teilen der ägyptischen Bevölkerung hindeuten.

Vor diesem Hintergrund dürfte das von der Josefsgeschichte entworfene ambivalente Bild Ägyptens – zumindest im Blick auf die persische (→ Perser) und die hellenistische Zeit – der Realität entsprechen. Trotz möglicher Erfahrungen von kultureller Ausgrenzung und Abneigung erweist sich Ägypten als ein Land, in dem mit Hilfe des Gottes Israels ein Leben in Prosperität gelingen kann.

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