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7. Hat Plato die Mathematik arithmetisieren wollen?

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Wir kehren zu der Tatsache zurück, die in § 2 erläutert wurde, daß die moderne Mathematik ihren Zahlbegriff arithmetisiert, auf die ganzen Zahlen als letztes Fundament aufbaut, im Gegensatz zu derjenigen Mathematik, die wir bei Euklid finden. Hat etwa Plato diese Arithmetisierung schon angestrebt, und ist dieser Ansatz etwa nur durch die Polemik des Aristoteles so beiseitegeschoben worden, daß er im Euklid nicht mehr hervortritt?

Wir müssen diese Frage schon darum erörtern, weil A.E. Taylor, wie oben erwähnt, die These aufgestellt hat, Plato habe dies getan und zwar auf die Art, in der es heute die sog. Cantorsche Theorie der Irrationalzahlen tut. Obgleich die mathematischen Dinge, um die es sich dabei handelt, verwickelter sind als alles, was ich bisher hier an Mathematischem vorzubringen hatte, will ich doch versuchen, an der Hand eines von Taylor benutzten Beispiels auch dem Nichtmathematiker anzudeuten, was Taylor meint. Wir betrachten die folgende Kette von Brüchen


sie sind so gebildet, daß jeder Nenner die Summe von Zähler und Nenner des vorigen Bruches ist, jeder Zähler aber die Summe des unter ihm stehenden und des vorigen Nenners; also z.B. ist so gebildet: 12 = 7 + 5, 17 = 12 + 5. Es ist klar, daß man diese Reihe beliebig weit fortsetzen kann. Man kann nun – der Leser wird es glauben – recht einfach beweisen, daß diese Brüche sich in einem eigentümlichen Auf und Nieder um die Zahl herumbewegen: der 1-te liegt darunter, der 2-te darüber, der 3-te wieder darunter, doch über dem 1-ten, der 4-te darüber, jedoch unter dem 2-ten u.s.f.; es ist also


Und zwar drängen diese Brüche sich von beiden Seiten an immer enger und enger heran, sie fangen sie von beiden Seiten ein. Die Art, wie der Cantorsche Zahlbegriff die Irrationalzahlen erzeugt, aus Brüchen von ganzen Zahlen „konstruiert“, hat mit dieser Art, die Irrationalzahl aus Brüchen zu „erzeugen“, einige Verwandtschaft. Nur ist sie einfacher und allgemeiner als der an dem obigen Beispiel geschilderte sog. Kettenbruchprozeß, den Taylor heranzieht, um den modernen Cantorschen Begriff der griechischen Denkweise anzunähern.

Taylor stützt seine Argumentation in erster Reihe auf die Epinomisstelle 990c-991b und insbesondere auf deren letzten Satz 991a4–b4 in dem er den Kettenbruchprozeß wiederzufinden glaubt. Dieser Satz ist leicht wörtlich zu übersetzen, wenn man ihn neben den sehr ähnlich lautenden aus Timaios 36a2–5 stellt, den Taylor nicht herangezogen hat. Ich vermag aus solcher wörtlichen Übersetzung auch nicht einen Anklang von einem unendlichen Prozeß oder auch nur einem fortschreitenden Prozeß (etwa ein α τοτο ἀε γγνεται, wie es bei Euklid in solchen Fällen heißt) herauszuhören27. Als alleinige Stütze für eine so kühne These kann das gewiß nicht ausreichen.

Taylor zieht auch sonst keinen Wortlaut greifbarer Art herbei, um den unendlichen Prozeß oder das Fortschreiten eines Prozesses damit zu motivieren. Wenn zwei Sätze vorher in jener Epinomisstelle das Wort ἀεί vorkommt, so müßte der noch so sehr dunkle Sinn dieser zwei Sätze erst irgendwie geklärt werden, ehe von diesem Wort zu unserem Satz hinüber eine Brücke geschlagen werden könnte. Wenn in der parallelen Timaiosstelle etwas Fortschreitendes gelegen ist, so hat Taylor dies, wie gesagt, ebensowenig geltend gemacht, und noch weniger alle die Andeutungen von einem ποϊόν, die wir oben gesammelt haben. Von der Grundabsicht Taylors, mit der ich durchaus übereinstimme, ließe sich vielleicht einiges verwirklichen, wenn man die Bausteine, die wir am Ende von § 5 zusammengetragen haben, vervollständigte und zu einem Bau zusammenfügte: der unendliche Prozeß (die Exhaustion) würde dann vielleicht als ein Glied der Ideenzahlenlehre Platos erscheinen. Das vorliegende Material scheint mir dazu noch nicht auszureichen.

Taylor denkt – und darin sehe ich einen anderen Mangel seiner Konstruktion – einen Schritt als ganz selbstverständlich vollzogen, der dem modernen Menschen auf Grund des heutigen Schulunterrichts trivial ist, es aber für den Griechen durchaus nicht gewesen zu sein braucht, den Übergang von den ganzen Zahlen zu den Brüchen. Denn indem Taylor Plato zuschreibt, die Irrationalzahlen aus Serien von Brüchen aufgebaut zu haben, setzt er voraus, daß diese Brüche für den Griechen etwas unmittelbar Gegebenes waren. Das waren sie nicht mit solcher Sicherheit: in dem, was uns erhalten ist, nehmen Proportionen ihre Stelle ein28. Gerade, was Taylor hier als feststehend voraussetzt, ist eines der dringendsten Probleme der Geschichte der griechischen Mathematik: inwieweit man aus dem Anblick, den die arithmetischen Bücher Euklids (VII – IX) darbieten, auf die faktische Entwicklung der griechischen Arithmetik Rückschlüsse machen soll.

Auf der anderen Seite ist auch der moderne Zahlbegriff durch Schlagworte wie „Arithmetisierung“ oder „Cantorscher Zahlbegriff“ ganz unzureichend gekennzeichnet. Wir müssen, um dies klarzustellen, über das in § 2 Gesagte etwas hinausgreifen. Der Begriff der reellen Zahl – das sind Brüche und irrationale Zahlen zusammen – ist für die mathematische Wirklichkeit definiert durch die Rechenoperationen (Addition, Multiplikation u.s.w.) und durch die Rechenregeln, die für diese gelten, also in Wahrheit durch ein System von Axiomen im selben Sinne, wie die Geometrie auf ein solches Axiomensystem aufgebaut ist – nur daß unser Schulunterricht das letztere eher hervortreten läßt, als das der Arithmetik. Als nämlich Vieta und Descartes die Loslösung von der geometrischen Redeweise der Griechen vollzogen, haben sie es unterlassen, für die Rechendinge nach dem Muster der geometrischen Axiome der Griechen ein Axiomensystem zu errichten, und diesen Schritt, die „Axiomatisierung“ der Arithmetik, hat erst das endende 19. Jahrhundert nachgeholt. Neben dieser Axiomatisierung erscheint nun die Arithmetisierung, von der bisher hier allein die Rede gewesen war, als ein zweiter Schritt des ausgehenden 19. Jahrhunderts; den arithmetischen Axiomen fehlt die Evidenz, die die geometrischen aus der Anschauung bezogen hatten, und darum wurde Wert darauf gelegt, sie weiter zu untermauern und das System der reellen Zahlen aus dem der ganzen Zahlen konstruktiv aufzubauen, so daß nur deren Wesensbestimmung als weiteres Problem offenblieb. Axiomatisierung und Arithmetisierung zusammen kennzeichnen erst den Zahlbegriff, der 1900 gültig war. Welchen der beiden Schritte man höher wertet, wird immer Geschmackssache bleiben.

Je nachdem wird man die Differenz zwischen moderner und griechischer Mathematik verschieden werten, und alle Meinungsunterschiede über diesen Punkt haben hierin ihre Ursache. Nicht minder wird die Abwägung dieser beiden Schritte gegeneinander wichtig sein, wenn man, wie wir es hier tun, den Begriff der griechischen Mathematik analysiert und die Rolle von Plato und Aristoteles gegeneinander abgrenzen will. In Euklid V ist eine Lehre von den μεγέθη und den λόγοι aufgestellt, die nicht nur eine Zusammenfassung von ebener und räumlicher Proportionenlehre unter einer gemeinsamen Nomenklatur sein will, sondern, wie es Aristoteles (anal. post. 85b1) ausdrücklich bezeugt, παὰ τατά τι, eine in sich selbst ruhende Theorie, der klare Axiome vorangestellt sind. Und wenn Aristoteles eben diese Struktur der Proportionenlehre bekämpft (nicht in den anal. post., sondern erst viel später, Metaph. XII, 1077a), so schließt sich dies in Verbindung mit allem, was wir hier dargelegt haben, zu einem einheitlichen Bilde zusammen: Platos Akademie hat eben diese Axiomatisierung vollzogen (ob es „reelle Zahl“ oder „ λόγος“ heißt, ist dabei Nebensache), und Euklid hat sie in die Tat umgesetzt, wenn er sie auch nicht explizite bekennt, vielleicht, um die Mathematik aus dem Methodenstreit der Philosophen herauszuziehen. Möglicherweise ist es – und das würde sich dem von Fr. Solmsen entworfenen Bilde [Anm. 25] einfügen – Plato selbst, der diese Axiomatisierung vollzogen hat, und vielleicht weist das am Ende von Buch VI des Staats aufgestellte Programm über das Wesen mathematischer Forschung bereits in diese Richtung. Hier liegen jedenfalls die Möglichkeiten, die ein genaueres Studium der Ideenlehre zu erforschen haben wird.

Ob Plato aber auch die Arithmetisierung angestrebt hat – und Taylors Ansatz ist ganz und gar auf diese zugespitzt – ist eine besondere Frage, durch deren einseitige Hervorkehrung man aller der eben geschilderten Fragestellungen verlustig gehen würde. Weit zwangloser als der Cantorsche Begriff würde sich jedenfalls dann Dedekinds Schnitt, diese andere Form der Einführung der Irrationalzahlen, die im Brauch ist, in die griechische Sphäre einfügen (vgl. dazu auch [Anm.] 28); unterscheidet sich diese Dedekindsche Theorie doch von Euklid V eigentlich überhaupt nur dadurch, daß der Gedanke der Arithmetisierung bewußt ausgesprochen ist29. Mag sein, daß die weitere Verfolgung der ποϊόν-Stellen, daß das Studium des Parmenides in dieser Richtung etwas klären kann. Aber gerade als Mathematiker muß ich es aussprechen, daß dies nicht durch Aussinnen mathematischer Möglichkeiten geschehen kann – deren gibt es genug – sondern nur auf philologischer Grundlage, durch Interpretieren und Übersetzen.

1 Vorgetragen in Kiel an 29. Mai 1927, in Göttingen am 1. Oktober 1927.

2 B. Rothlauf, Die Mathematik zu Platons Zeiten und seine Beziehungen zu ihr, nach Platons eigenen Zeugnissen und den Zeugnissen älterer Schriftsteller, Diss. Jena 1878; R. Ebeling, Mathematik und Philosophie bei Plato, Jahresber. des Gymn. zu Hann.-Münden, 1909, Progr. Nr. 420.

3 Die näheren Nachweisungen findet man am Anfang von § 5 gesammelt.

4 Auch hierfür vgl. § 5.

5 Teubner (Leipzig) 1924, VIII + 146 S.

6 Besprechung des Stenzelschen Buches, Gnomon 1926, pag. 396–405, sodann „Forms and Numbers, a study in Platonic metaphysics“, Mind, quarterly review of psychology and philosophy 35, N. S. No. 140, pag. 419–440 und 36, N. S., No. 141, pag. 12–33. Im folgenden werden diese drei Abhandlungen zitiert als (0), (1) und (2).

7 D.h. Brüche mit beliebigen Zählern und Nennern, nicht nur die Stammbrüche ½, ⅓, ¼, ⅕, …, deren allein (abgesehen von ⅔) sich die Ägypter bedienen.

8 Der Hauptteil von Buch XII der Metaphysik schließt, wie W. Jaeger, Aristoteles, Berlin 1923, pag. 186 (oben) darlegt, mit einer Bemerkung (1086a15–20), es hätte wenig Zweck, mehr zu sagen; denn wer nun nicht überzeugt sei, würde es doch nicht begreifen – eine Bemerkung, die Jaeger auf anwesende Studenten von der Gegenseite bezieht.

9 Wenn man auf ihn beziehen darf, was der Athener in den Gesetzen VII, 819d5 darüber sagt.

10 Ich verschiebe diese Interpretation, die einen genauen Vergleich mit dem schwierigen und meines Wissens noch nirgends bis auf den letzten Grund analysierten Buch X der Euklidischen Elemente voraussetzt, auf eine andere Gelegenheit. Daß die Epinomis vermutlich nicht von Plato selbst herrührt, würde hier nicht so sehr ins Gewicht fallen; die Einwendungen, die Fr. Müller (Stilistische Untersuchung der Epinomis des Philippos von Opus, Diss. Berlin 1927) erhebt, betreffen mehr den Stil und die literarische Form als den materiellen Inhalt, der doch sichtlich echt platonisches Gut ist.

11 So übersetze ich im Gegensatz zu Eva Sachs, die die Stelle etwas anders interpretiert und daraus eine Anspielung auf die höheren Irrationalitäten Theätets, die wir aus Euklid X kennen, herausgelesen hatte. Sie stimmt – nach mündlicher Mitteilung – meiner abweichenden Übersetzung bei und der damit gegebenen Auffassung, daß es die Proportionenlehre von Euklid V ist, die Plato hier in erster Reihe im Auge hat.

12 Die Schwierigkiten liegen in der Frage, was mit der Meßbarkeit von Strecken und Flächen, also von verschiedenartigen Größen aneinander gemeint sein kann. Wir, die durch die Lektüre von Euklid wie durch moderne Übung gewohnt sind, uns vor der Vergleichung solcher ungleichartiger Dinge zu hüten, haben Mühe, uns in eine Denkweise hineinzuversetzen, die darin noch eine Entdeckung sieht. Tut man das, so scheint sich die Sache ganz ungezwungen zu deuten. Das griechische Rechnen stellt jede Multiplikation als rechteckiges Anordnen (Aufmarschieren einer Kompagnie Soldaten in so und so vielen Gliedern) vor und begleitet jede Multiplikation zweier Zahlen m, n durch die Figur eines aus m·n quadratischen Maschen bestehenden Rechtecks; ebenso stellt sie die dreier Zahlen als Körper vor. Dieselbe Kompagnie könnte man auch im Gänsemarsch, alle m·n Mann in eine Reihe, antreten lassen, also eindimensional geordnet. Gäbe es keine Inkommensurabilität, so hätten sich der modernen Gewohneit, alle Größen der verschiedenen Dimensionen durch ihre Maßzahlen zu ersetzen und mit diesen Maßzahlen abstrakt, ohne Rücksicht auf ihre Deutung, zu hantieren überhaupt gar keine Schwierigkeiten in den Weg gestellt; der moderne Zahlbegriff hätte sich ungehindert entwickeln können. Erst die Möglichkeit der Inkommensurabilität – das vergißt man jetzt gar zu leicht – hat diese Schwierigkiten aufgetürmt, die sich dann zwischen die griechische und die heutige Mathematik gestellt haben.

13„ἡ α ἐστ πὸς τὴν β, ὡς ὴ Α πὸς τὴν Β“ ist die griechische Ausdrucksweise für die Proportion α: β = Α:Β. Das πὸς ἄλληλα Platos und das πὸς τι des Aristoteles, soweit es mathematisch gemeint ist, sind dementprechend die termini technici für die Verhältnisse der Proportionenlehre; daneben kommt auch das Wort λόγος vor (z.B. in der Verbindung τ λόγω τέμνειν oder in dem Derivat ἀναλογα, oder direkt, Staat VI, 509d7, ganz unzweideutig im Sinne der mathematischen Proportion).

14Euklid V, Def. 9 und 10; vgl. dazu auch das in § 1 über 23 = 8 in griechischer Redeweise Gesagte.

15 W. Jaeger hat mir diese Stelle angegeben.

16 Die Deutung dieser These unten, im übrigen lehnt sich die Übersetzung an die Marquardsche an.

17 Die unbenannte Zahl 3 z.B. ist das ἕν, das alle in der Wirklichkeit vorkommenden Tripel von 3 Dingen in einen abstrakten Begriff zusammenfaßt.

18 Z.B. zwischen dem Begriff des Dreiecks einerseits und den wahrnehmbaren Dreiecken andererseits, die aus zwar dünnen, aber doch eine Breite aufweisenden Strichen oder Kanten bestehen, nimmt er die Dreiecke der Mathematik an, deren Seiten ideale Geraden sind, deren es aber unendlich viele gibt, von denen eines etwa dem anderen einbeschrieben sein kann u. dgl., während es nur eine Idee des Dreiecks gibt.

19 Stenzels Erörterungen auf pag. 54 seines Buches stehen der hier entwickelten Auffassung sehr nahe; ja, pag. 59 (ganz unten) redet er explizite von „Brüchen“, ohne aber daraus Folgerungen zu ziehen.

20 Eine Deutung als „mit Ausnahme der ersten“, wofern ihr ein klarer Sinn beigelegt werden könnte, würde an sich unserer These durchaus nicht widersprechen.

21 Auch der Philebos hat neben dem üblichen Titel πε ἡδονς den Untertitel πε το ἀγαθο, der seinem eigentlichen Gehalt mindestens so genau entspricht, wie der übliche.

22 Wenn ganz unten auf pag. 57, im letzten Satz, plötzlich die Deutung von πτοι ἀιθμο als Primzahlen auftritt, so hat schon Bonitz vorgeschlagen, diesen ganzen Satz zu tilgen.

23Der Bericht des Simplicius über die Quadraturen des Antiphon und des Hippokrates, ed. F. Rudio, Teubner, Leipzig 1907, Urkunden zur Geschichte der Math. im Altertume, 1. Heft.

24 Man vgl. hierzu, worauf Jaeger in seinem „Aristoteles“ p. 243 hinweist, auch Aristoteles, Eudemische Ethik I 8, 1218a16–19.

25 Die Polemik von XII geht sehr systematisch vor. Er schildert erst die Beschaffenheit der Mathematik seiner Zeit, dann die der Ideenlehre bei ihren verschiedenen Vertretern, um dann zu der Vereinigung von beidem, der Ideenzahlenlehre überzugehen. Im Zentrum der Beschreibung der Mathematik steht unzweideutig die allgemeine Proportionenlehre (1077a9); von der Exhaustion habe ich bisher hier nichts gefunden. Es ist also von der Gesamtanalyse dieser Partien noch wichtiges zu erhoffen. Umsomehr ist es zu begrüßen, daß von seiten der Beweislehre des Aristoteles (Analytica) ein Schüler von Jaeger, Fr. Solmsen, es in seiner Berliner Dissertation unternommen hat, auch den mathematischen Gehalt dieser Beweislehre einheitlich zu erfassen, und daß er die mathematische Partie seiner noch ungedruckten Arbeit für den Abdruck in dieser Zeitschrift eigens bearbeitet und neu dargestellt hat. Dieser Abdruck würde sich bereits als gerechtfertigt erweisen, wenn die sehr prägnante Auffassung des Verfassers vom Werden der griechischen Mathematik, die dem Gefühl des Mathematikers noch eine Fülle von Fragen aufgibt, zu einer lebendigen und förderlichen Aussprache über diese Materie den Anlaß gäbe.

26 J. Stenzel und ich haben diese Arbeit in Angriff genommen und planen zunächst für Plato eine Analyse seiner gesamten mathematica, indem wir einerseits seine mathematischen Stellen aus dem Zusammenhang der Dialoge und der ganzen Ideenlehre heraus interpretieren, andererseits den Bedeutungsgehalt seiner mathematischen Termini lexikographisch zu erfassen suchen. Das Resultat dieser gemeinsamen Arbeit soll in diesen „Quellen und Studien“ als gesonderte Quellenheft erscheinen.

27Vgl. zu dem übrigen Inhalt der Epinomisstelle [oben, Anm.] 10.

28 In noch schärferer Pointierung ha soeben H. Scholz (Die Grundlagenkrisis der giechischen Mathematik, Pan-Bücherei Philosophie, Nr. 3, Anhang, pag. 66ff.) diesen Standpunkt vertreten. Taylor empfindet die Kluft zwischen dem Cantorschen Begriff und dem griechischen Zahlenbewußtsein sehr wohl, und er verwendet besondere Mühe darauf, den Cantorschen Begriff durch Zwischenschaltung des Kettenbruchverfahrens dem griechischen Denken anzunähern. Dieser Versuch stößt aber schon darum auf Schwierigkeiten, weil wir für das Auftreten des Kettenbruchverfahrens bei den Griechen fast nur Indizienbeweise besitzen und daher der Stützpunkte ermangeln, auf die wir eine solche These philologisch aufruhen lassen könnten. Die Kreismessung des Archimedes, die ganz isoliert steht und ein Jahrhundert später liegt, kann als Zeuge für die Bruchrechnung nicht ausreichen.

29 Daß die ἀόιστος δυάς der Schnitt sein könnte, kommt ebenso schlecht zurecht, wie die Annahme, sie bedeute die Cantorschen Folgen. Auch hier wüßte ich nicht zu deuten, was es heißen soll, daß „er die Eins der Gleichheit weihte“ und alle die anderen Dinge, die in der obigen Auffassung glatt lesbar waren.

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