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5. Performativität des Medialen

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Sperrt sich dann nicht der Medienbegriff jeder wissenschaftlichen Analyse? Es geht hier nicht um die Beschwörung eines obskuren Objekts, sondern darum, dass das Mediale eine Modalität anzeigt, die sich hartnäckig ‚in der Mitte‘ hält, ohne selbst nach irgendeiner Seite auflösbar zu sein. Das Medium beruht dann nicht selbst auf einer Relation wie die Darstellung oder Übersetzung, sondern konkretisiert diese durch die Art und Weise ihrer ‚Realisation‘. Aus diesem Grunde ist auch die Rede vom Medialen statt vom Medium zu bevorzugen. Es nennt kein Ding, sondern ein Prinzip. Als solches handelt es sich um eine diskursive Konstruktion, deren nichtdiskursives Fundament eine Praxis ist, die die relationalen Modi allererst erzeugt. Ihren Schlüssel bildet die unscheinbare Präposition ‚durch‘. Sie bildet gerade keinen Sprung, keinen übergangslosen Schnitt, sondern erfordert einen Vollzug sozusagen in der Welt und mit der Welt. Das ‚Durch‘ – griechisch dia, lateinisch per – betrifft dann eine Diesseitigkeit statt der jenseitigen Phantome des ‚Meta‘, wie sie die Vorstellungen des Mediums als ‚Metapher‘, Übersetzung oder Transformation regieren. Sprachlich gehört das Partikel zu den Präpositionen, genauer: den Synkategoremata, die die Grammatiken als diejenige Bestandteile der Rede identifiziert haben, die selbst nicht bedeuten, aber die zugrunde liegenden Bedeutungen allererst in Beziehung zueinander setzen (Husserl 1968: IV. 304; Bexte 2013). Solche Beziehungen werden mittels Praktiken etabliert. Anders ausgedrückt: Das Mediale ist nicht, vielmehr ereignet es sich. Es handelt sich nicht um ein Sein, sondern um ein Werden. Seine Exponierung als Praxis meint dabei nicht, es praxeologisch zu deuten und an Subjekte, die handeln, zu binden – was den Verben den Vorzug gäbe –, sondern sie mit der Art und Weise ihres Vollzugs und ihrer Ausführung kurzzuschließen – mit einem Wort: mit ihrer Performativität.

So wie sprachphilosophisch das (Frege-Husserl’sche) Modusproblem mit dem (Austin-Searle’schen) Performativitätsproblem zusammenhängt, so verschränken sich ebenfalls medienphilosophisch die Begriffe der Medialität und Performativität, um sich als zwei ‚Faltungen‘ desselben Phänomens auszuweisen. Zur gleichen Zeit rückt an die Stelle der unbeantwortbaren ontologischen Frage, was ein Medium ist, die leichter zu beantwortende, ‚wann‘ ein Medium ist – oder besser: unter welchen Bedingungen Medialität geschieht. Medienphilosophie als eine Philosophie der ‚Vermittlung‘ zielt dann weniger auf eine Philosophie der Operativität und ihrer Netzwerke, sondern auf die dezidierte Untersuchung jener sehr spezifischen praktischen Ensembles, durch (dia/per) die etwas sichtbar gemacht, zur Erscheinung gebracht oder instantiiert wird, durch (dia/per) die Sinn erzeugt oder Symbole verkörpert werden, durch (dia/per) die Informationen weitergegeben, Urteile gefällt und diskutiert werden, durch (dia/per) die aber auch die Materialen codiert, gemischt und miteinander kombiniert oder neu formatiert und in andere, noch unbekannte Stoffe verwandelt werden, durch (dia/per) die schließlich die Künste, die Wissenschaften und die Literaturen ihre epistēmē hervorbringen und unter Reflexion stellen, um nur einige Beispiele zu nennen (Mersch 2010, 2015 b). Es ist die Gesamtheit der menschlichen Kultur, die von ihnen bis in ihre kleinste Fiber determiniert und durch (dia/per) deren Prozesse der Anordnung, Programmierung, Umwandlung oder Synthese wie auch der Komposition und Dekomposition des ‚Ge-Gebenen‘ die Werke, das Soziale, die Gemeinschaften, die Körper und Sinne wie auch deren Affekte und Reproduktionen geschaffen werden. Auch dies sind nur Beispiele.

Das Mediale hat folglich seinen Ort in der unlösbaren Verstrickung zwischen Materialität und Performativität und ihrer besonderen Formate. Erst dann kann zwischen Signifikation und Medialität – oder Semiosen und Mediationen – unterschieden werden. Nicht ‚Medien‘ existieren, sondern allein Fälle ebenso materieller wie performativer Praktiken, von denen es keine allgemeine Theorie geben kann, sondern bestenfalls Beschreibungen. Medienphilosophie wäre dann keine Arbeit am Begriff, sondern der Schauplatz einer anhaltenden und nie ans Ende gelangenden Erforschung von ‚Durchheiten‘.

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