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A. Einleitung

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Der Begriff der »post-juridischen Rechtstheorie« bezeichnet keinen einheitlichen Strang der Theoriebildung. Er entspringt auch keiner eigenen Definition der hier vorgestellten Autor*innen. Vielmehr dient er im vorliegenden Text dazu, drei unterschiedliche Rechtstheorien im Hinblick auf einen bestimmten Gesichtspunkt vorzustellen: Die hier diskutierten Ansätze verbinden RechtskritikRechtskritik mit einer Bewegung, die auf eine entscheidende TransformationTransformation der modernen, westlichen Rechtsordnung abzielt, auf eine Ordnung nach dem JuridismusJuridismus. Post-juridisch sind diese Theorien auch insofern ihr Blick auf das Recht und seine Beschreibung von einem Ort außerhalb des geschlossenen juridischen Diskurses, nämlich aus der Philosophie, der Sprach- oder den Sozialwissenschaften, erfolgt.

So wenig wie die hier vorgestellten kritischen Rechtstheorien für sich selbst den Sammelbegriff »post-juridisch« beanspruchen würden, so wenig würden Verteidiger*innen des bürgerlichen Rechts dieses als »juridisch« bezeichnen. Vielmehr enthält der Begriff des JuridismusJuridismus schon eine Kritik des bürgerlichen Rechts. So hat beispielsweise Daniel LoickLoick, Daniel seine RechtskritikRechtskritik als Kritik des Juridismus formuliert[260]. Dabei bezeichnet für LoickLoick, Daniel der Begriff des Juridismus

die Dominanz des Rechts in den zwischenmenschlichen Interaktionsweisen westlicher Gesellschaften, welche die Bedingungen eines guten oder gelingenden Lebens als Zusammenleben untergräbt[261].

Für LoickLoick, Daniel dient also das Recht nicht dazu, Gleichheit oder individuelle Freiheit in modernen Gesellschaften zu verwirklichen. Vielmehr hinderte es die Menschen an ihrer freien Entfaltung.

Ohne ihre Kritik explizit auf den Begriff des JuridismusJuridismus zuzuspitzen, haben eine Reihe von Autor*innen immer wieder unterschiedliche Aspekte und Wirkungsweisen des bürgerlichen Rechts problematisiert. Ein zentraler Ansatzpunkt für die Kritik betrifft das Verhältnis von Recht und GewaltRecht und Gewalt. Liberale Rechtstheorien gehen davon aus, dass das Recht dazu beiträgt, zwischenmenschliche Gewalt zu begrenzen, indem es den Anspruch auf legitime Gewaltausübung monopolisiert. Dass das moderne Recht aber nicht nur Gewalt begrenzt, sondern selbst auf |68|Gewalt angewiesen ist, hat unter anderem der deutsch-jüdische Denker Walter BenjaminBenjamin, Walter (1892–1940) in seinem Aufsatz Zur Kritik der Gewalt herausgearbeitet[262]. Seine Studie über das Verhältnis von Recht und Gewalt trifft sensible Punkte traditioneller Rechtstheorie, die bis heute dazu einladen, darüber nachzudenken, inwiefern der liberale Rechtsstaat tatsächlich die Verwirklichung einer Gesellschaft freier Menschen ist.

Eine radikale RechtskritikRechtskritik, die auf die konstitutive Rolle des Rechts für die Aufrechterhaltung gewaltvoller oder unfreier Gesellschaftsverhältnisse hinweist, provoziert immer auch die Frage, was aus dieser Erkenntnis folgt. Im deutschsprachigen Raum haben zuletzt die Philosophen Christoph MenkeMenke, Christoph[263] und Daniel LoickLoick, Daniel[264] über die Auseinandersetzung mit BenjaminBenjamin, Walter hinaus eine ausführliche Rechtskritik vorgelegt, die jeweils in dem Entwurf eines Rechts mündet, das die zuvor diagnostizierten Probleme zu überwinden sucht[265]. Neben der Rechtstheorie Benjamins soll hier daher ebenfalls in die Werke dieser beiden eingeführt werden. Der erste Teil des Kapitels stellt die Rechtskritiken der einzelnen Autoren vor. Im zweiten Teil wird dann auf die von den Autoren skizzierten Wege hin zu einer post-juridischen Rechtordnung eingegangen. Wie wir sehen werden, verlangt die Suche nach einem post-juridischen Rechtpostjuridisches Recht immer auch danach, das Verhältnis von Recht und Politik neu zu fassen.

Neue Theorien des Rechts

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