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b) Die Korrekturvorschriften

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Die Finanzbehörden sind durch die wirksame Bekanntgabe des Steuerverwaltungsaktes grundsätzlich an dessen Regelungsgehalt gebunden. Diese Bindungswirkung der Verwaltung an ihre Entscheidung zugunsten von Rechtsicherheit und Vertrauensschutz kann jedoch in Konflikt mit dem Prinzip materieller Rechtsrichtigkeit treten, wenn sich der Steuerverwaltungsakt als fehlerhaft erweist[425]. Die Auflösung dieses Prinzipienwiderspruchs erfolgt im Steuerrecht über die Korrekturvorschriften[426].

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Die Korrekturvorschriften des Steuerrechts sind – anders als die §§ 48 ff. VwVfG im allgemeinen Verwaltungsrecht – zweigeteilt[427]. Das dualistische System der AO normiert eine abgestufte Risikoverteilung zwischen Fiskus und Steuerbürger angesichts der besonderen Fehleranfälligkeit des Steuerverwaltungsaktes, insbesondere des Steuerbescheids[428]. Bei offenbaren Unrichtigkeiten steht nach § 129 AO der Vertrauensschutz ganz im Hintergrund, denn die Fehlerhaftigkeit muss „offenbar“, d.h. erkennbar gewesen sein, der Vertrauenstatbestand zerstört sich schon auf der Tatbestandsebene bzw. evoziert keinen Schutz. Die Berichtigung solcher offenbarer Unrichtigkeiten gilt nach § 129 AO gleichermaßen für die allgemeinen wie auch die besonderen Steuerverwaltungsakte.

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Die Korrektur allgemeiner Steuerverwaltungsakte, d.h. solcher, die weder Steuerbescheid noch diesen gleichgestellt sind, erfolgt nach den §§ 130 ff. AO durch Rücknahme oder Widerruf. Die Vorschriften der §§ 130 ff. AO orientieren sich an denen des allgemeinen Verwaltungsrechts und folgen in Terminologie sowie Systematik den §§ 48, 49 VwVfG[429]. Wie auch die Vorschriften des VwVfG, differenzieren die §§ 130 ff. AO danach, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig oder rechtmäßig, begünstigend oder belastend ist. Die Änderung des Steuerverwaltungsaktes steht hierbei im Ermessen der Finanzbehörde.

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Für die Korrektur von Steuerbescheiden sowie diesen gleichgestellten Bescheiden[430] gelten demgegenüber die besonderen Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO[431]. Diese knüpfen in Terminologie sowie Regelungsgehalt an die überkommenen Korrekturregeln der RAO an. Bereits die Grundsystematik der §§ 172 ff. AO weicht erheblich von der des VwVfG ab[432]. Das VwVfG spricht terminologisch von Rücknahme und Widerruf, wohingegen die AO die Begriffe Aufhebung und Änderung verwendet. Außerdem unterscheidet die AO danach, ob die Korrektur zu Gunsten oder zu Ungunsten des Betroffenen erfolgt, das Kriterium der Rechtmäßigkeit findet demgegenüber keine Erwähnung. Die Anwendung der §§ 172 ff. AO setzt als kennzeichnendes Merkmal die Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides voraus[433]. Auch spezifische Faktoren wie die zeitliche Beschränkung sowie der Umfang der Korrektur weichen konzeptionell von den Vorschriften des VwVfG ab.

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Materiell lassen sich den §§ 172 ff. AO zunächst allgemeine Voraussetzungen entnehmen, welche bei allen Korrekturen gleichermaßen erfüllt sein müssen[434]. So ist eine Korrektur nach § 169 Abs. 1 S. 1 AO grundsätzlich nur möglich, wenn keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung[435] folgt als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, dass nur rechtswidrige Bescheide einer Korrektur zugänglich sind. Für diesen Fall geht das Gesetz dann von einer Korrekturpflicht aus[436]. Die Vertrauensschutzvorschrift des § 176 AO bringt schließlich eine grundsätzlich zu beachtende Korrekturgrenze[437]. Sind diese allgemeinen Voraussetzungen erfüllt, ist im Weiteren entscheidend, ob einer der in den §§ 172 ff. AO genannten speziellen Korrekturtatbestände eingreift. Der in der Praxis wichtigste Fall ist das Bekanntwerden neuer Tatsachen, das nach § 173 AO zwingend zu einer Neufestsetzung führt[438].

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