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1. Der haushaltsrechtliche Zusammenhang und das Abgabenrecht
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Durch das Erfordernis der haushaltsrechtlichen Bewilligung seitens des Parlaments, steht diesem ein erstrangiges Steuerungsinstrument gegenüber der Verwaltung zu: Diese kann nicht nur keine Stellen einrichten und keine Sachmittel beschaffen, ohne dass der Haushalt dies gestattete; auch das Verwaltungshandeln dem Bürger gegenüber steht unter „Haushaltsvorbehalt“.
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Der Staatshaushaltsplan hat in der Verfassungsgeschichte einen Funktionswandel durchlaufen. Als historische Wurzeln treffen im 19. Jh. das Steuerbewilligungsrecht sowie das Budget als Instrument der Veranschlagung von Ausgaben zusammen, d.h. der Haushaltsplan bezog sich zunächst auf Einnahmen und auf Ausgaben der staatlichen Finanzwirtschaft[21]. Insbesondere auch die Periodizität betraf die Steuergesetze, die im staatlichen Finanzgesetz enthalten waren. Es gehört zur Budgetgeschichte des deutschen Konstitutionalismus, dass – über das Haushaltsmodell der Preußischen Verfassungsurkunde von 1850 und die RV 1871 – der Staatshaushalt sich bei dauerhaften Steuergesetzen ganz auf die Ausgabenseite konzentrierte und durch Gesetz festzustellen war. Die im preußischen Heeres- und Verfassungskonflikt von 1862 bis 1866 kulminierenden Budgetkämpfe sind nur vor dem Hintergrund des konstitutionellen Dualismus zu verstehen[22]: Die Volksvertretungen suchten über die Mittelbewilligung im Haushaltsplan Einfluss auf die monarchische, parlamentarisch gerade nicht verantwortliche Exekutive zu erhalten. Die Zusammenführung separierter Fonds aus der Fondswirtschaft des (aufgeklärten) Absolutismus und die Entwicklung sog. Budgetgrundsätze wie der Budgeteinheit, der Jährlichkeit, der Öffentlichkeit und vor allem einer hinreichenden Spezialität dienten diesem Anliegen[23]. Mehr noch als die Mitwirkung der Volksvertretungen an der Sachgesetzgebung erwies sich das Budgetrecht als „der eigentliche Gegenpol zum monarchischen Prinzip in der konstitutionellen Verfassung“[24].
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In der parlamentarischen Demokratie kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Haushaltsplan ein staatsleitender Hoheitsakt in Gesetzesform ist. Das Budgetrecht des Deutschen Bundestags stellt das wesentliche Instrument der parlamentarischen Regierungskontrolle dar[25]. Das voll ausgebildete Budgetrecht von Volksvertretung bzw. Parlament ist in historischer Perspektive der entscheidende Schlussstein einer Parlamentarisierung des konstitutionellen staatsrechtlichen Systems gewesen bzw. nahm die entscheidende staatsrechtliche Wende 1918/19 vorweg[26]. Durch die Wendung zum Sozial- und Interventionsstaat hat sich – bei prinzipiell unverändertem Wortlaut der einschlägigen Normen – die Bedeutung des parlamentarischen Haushaltsrechts noch verstärkt[27]. Die parlamentarische Ausgabenbewilligung durch die Verabschiedung eines Haushaltsplans ist heute „Gemeingut aller Verfassungsstaaten“[28].
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Durch den Übergang vom konstitutionellen Dualismus zwischen Volksvertretung und monarchischer Exekutive zum parlamentarischen Regierungssystem mit seinem monistischen Legitimationsmodell hat sich die grundsätzliche Funktion des Budgetrechts im Grundsatz nicht verändert[29]. Das Parlament wurde unangefochten zum „Herrn des Budgets“[30]. Auch im Gegenüberstehen der von der Parlamentsmehrheit getragenen Regierung und der parlamentarischen Opposition besitzen die antagonistischen Kräfte über ihre Beteiligung in Haushaltsausschuss und Plenum entsprechende parlamentarische Einflussmöglichkeiten. Das parlamentarische Budgetrecht ist – rechtstechnisch – das Recht des Deutschen Bundestags, den von der Regierung vorgelegten Haushaltsplan durch Gesetz festzustellen (Art. 110 Abs. 2 GG) und mit Hilfe eines unabhängigen Rechnungshofs den ordnungsgemäßen Haushaltsvollzug zu überprüfen (Art. 114 GG). Abgesichert wird das Budgetrecht dadurch, dass die Aufnahme von Krediten und ähnlichen Verpflichtungen ebenfalls gesetzlicher Ermächtigung bedürfen (Art. 115 GG). Das normativ weitgehend unberührte Grundgerüst der Haushaltsverfassung im neuen Legitimationszusammenhang der parlamentarischen Demokratie führte jedoch dazu, dass darin nicht mehr der einzige, sondern nur noch ein Hebel des Parlaments zur Steuerung der Verwaltung besteht[31]: „Die Abhängigkeit der Regierung in ihrem Bestand vom Vertrauen des Parlaments entlässt das Budget aus seiner Rolle als Instrument des Machtkampfs zwischen Regierung und Parlament.“[32] Sowohl Sach-, als auch Personalfragen können unmittelbar parlamentarisch über die Sachgesetzgebung geklärt werden. Man mag darin einen Bedeutungsverlust des parlamentarischen Budgetrechts sehen; zumindest wird man eine Funktionsverschiebung konstatieren müssen, der „Kampf um das System“ hat sich zu einem „Kampf im System“ gewandelt[33].
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Die zentrale Funktion des Staatshaushalts besteht in der periodischen Koordination von Nehmen und Geben. Da das Haushaltsgesetz mit den komplexen Steuerungsaufgaben des funktionsausgeweiteten Verfassungsstaats in seiner sozialtechnokratischen und interventionistischen Spielart allein überfordert wäre, ist die allgemeine Gesetzgebung in diese „Steuerungslücke“ getreten[34]. Gleichwohl wird über Zuweisung und Kontrolle von Finanzmitteln nach wie vor die in Gestalt ihrer Amtswalter mittelbar demokratisch legitimierte Exekutive, die das Normprogramm des Sach-(Verwaltungs-)Rechts durchführt, zusätzlich parlamentarisch kontrolliert und damit zugleich legitimiert. Die haushaltsrechtlich zugewiesene, angemessene Finanzausstattung erweist sich als Vollzugsvoraussetzung für die Verwaltung[35]. Die parlamentarische Kontrolle hat einen doppelten Ansatzpunkt: Durch die Ausgabenbewilligung wird den Verwaltungsstellen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Finanzausstattung zugewiesen und über Art und Ausmaß der Zuweisung auch das Verwaltungshandeln gesteuert. Durch die nachträgliche Finanzkontrolle besteht insgesamt eine zusätzliche Kontrollebene, insbesondere auch für die Bereiche des Verwaltungshandelns, die ohne gesetzliche Ermächtigung erfolgen. In der parlamentarischen Beteiligung vereinigen sich so die legitimatorische und die kontrollierende Komponente des Haushaltsrechts[36].
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Das Budget dient durch das Anknüpfen an gesetzesförmige Ermächtigungen und die Bindung an veranschlagte Einnahmen der Verrechtlichung staatlicher Finanzwirtschaft. Neben die in Gesetzesform gegossenen Eingriffsbefugnisse, Handlungsanweisungen und politischen Programme des Verwaltungsrechts als Sachrecht tritt eine zweite Legitimations- und Kontrollebene über das Steuerungsinstrument der Zuweisung finanzieller Mittel[37]. An die Seite des aus dem Vorbehalt des Gesetzes, der verwaltungsrechtlichen Handlungsformen und der Zuständigkeitsordnung sich formierenden Verwaltungsrechts tritt die konkrete Zuweisung von Personal und sachlichen Mitteln durch Rechtsakte; erst dadurch wird die Verwaltung in Stand gesetzt, real handeln zu können. „Die Finanzkraft befähigt, das Haushaltsgesetz beauftragt, das Verwaltungsrecht ermächtigt zu finanzwirtschaftlichem Handeln.“[38] Die von der Regelungsdichte abhängige, letztlich nur begrenzte Determinationskraft des Verwaltungsgesetzes wird durch Rechtsakte im organschaftlichen Rechtskreis ausgeglichen[39]. Insofern ist die Begriffsbildung vom Haushaltsrecht als dem „Verfahrensrecht des Finanzstaates“[40] zu verstehen. Anschaulich ist davon gesprochen worden, dass die Stellen- und Sachpläne im Staatshaushalt „Organisation durch Zuweisung von Geld“ bedeutet: In der Organisationsfunktion des Haushaltsplans findet ein Stück Lenkung bzw. Steuerung des Staatsapparats mittels des Mediums Geld statt[41]. Was im primären Finanzausgleich auf der Ebene der Verfassung vorgezeichnet ist, findet in dieser Organisationsfunktion des Staatshaushalts periodisiert und auf die Bedürfnisse des Verwaltungsalltags heruntergebrochen seine logische Fortsetzung: Staatliche Einheiten werden erst durch die haushaltsmäßige Zuweisung von Geld handlungs- und funktionsfähig: „Die Zuständigkeit, über Geld zu verfügen, ist verfassungsrechtlich nicht weniger bedeutsam als die Zuständigkeit, Gebote zu erlassen, von Geboten freizustellen oder Zuständigkeiten zum Erlass oder zur Freistellung von Geboten zu übertragen.“[42] Das Geld als Steuerungs- und damit Machtinstrument ist über das Haushaltsrecht parlamentarisch-demokratisch rückgekoppelt. Diese grundsätzliche Koordinationsleistung des Haushaltsrechts im staatlichen Innenrechtskreis wird regelmäßig nur im Falle von Koordinationsstörungen bewusst: Haushaltssperren, Haushaltsstruktur- und -begleitgesetze im Falle des Haushaltsnotstandes und der Knappheit der Finanzmittel führen zu für jedermann spürbaren Folgen im Außenrechtsbereich zwischen Staat und Bürger[43].