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1. Die Baueinstellung

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Die Baueinstellung kommt als Maßnahme in Betracht, wenn eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder abgebrochen wird[613]. Die Baueinstellung dient der Verhinderung vollendeter rechtswidriger Tatsachen; denn ist eine bauliche Anlage erst einmal baurechtswidrig errichtet, ist ein Abbruch mit größerem Aufwand verbunden und aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips erfahrungsgemäß schwieriger durchzusetzen.

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Diese Spezialbefugnis ermöglicht es der Behörde, die Bauarbeiten zu unterbrechen und sie auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Dabei kann eine Prüfung auch zu dem Ergebnis führen, dass eine Anlage doch baurechtmäßig ist. Dennoch muss auch in einem solchen Fall, in dem lediglich Zweifel an der formellen bzw. materiellen Baurechtswidrigkeit bestehen, eine Baueinstellung möglich sein[614]. Sonst wäre die Sicherungsfunktion der Baueinstellungsbefugnis in Frage gestellt. Jedoch muss die Behörde in der Folge die Maßnahme verfahrensmäßig unter Kontrolle halten und sie aufheben, sobald die Zweifel ausgeräumt sind[615]. Andernfalls kann der Bauherr einen Amtshaftungsanspruch geltend machen, dem nicht entgegensteht, dass er die – faktisch aufgrund der Suspensivwirkung des Widerspruchs gegen die Baueinstellung bestehende – Möglichkeit zum Weiterbauen nicht nutzt[616]. Im Übrigen wird es schon dem Wortlaut nach („einstellen“) regelmäßig darum gehen, eine bereits begonnene Errichtung (oder einen Abbruch) zu beenden; allerdings ist anerkannt, dass auch vor Aufnahme der Bauarbeiten eine Untersagungsverfügung auf diese Spezialbefugnis – in entsprechender Anwendung – gestützt werden kann[617]. Eine derartige Analogie ist allerdings mangels Regelungslücke nicht notwendig: Vielmehr erscheint in einer solchen Konstellation die Anwendung der baupolizeilichen Generalklausel vorzugswürdig.

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Wie bereits erwähnt (Rn. 117), stellt sich die Frage, ob auch die Errichtung oder der Abbruch einer bloß formell baurechtswidrigen Anlage eingestellt werden darf. Das ist uneingeschränkt zu bejahen[618]. Zum einen liegt schon bei formeller Baurechtswidrigkeit ein „Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften“ vor; zum anderen dient die Baueinstellung gerade (auch) dem Zweck, die Genehmigungspflichtigkeit von baulichen Anlagen – soweit sie denn noch besteht – durchzusetzen. Schließlich führt die Baueinstellung zu keinem Substanzverlust beim Bauherrn, so dass das gefundene Ergebnis auch unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit überzeugt.

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Es sind verschiedene Konstellationen denkbar, die zur formellen Baurechtswidrigkeit führen. Der typische Fall ist die fehlende Baugenehmigung. Auch der Fall der Nichteinhaltung einer erteilten Baugenehmigung fällt unter die formelle Baurechtswidrigkeit, weil für den Teil der Überschreitung keine Genehmigung vorliegt[619]. Gleiches gilt, wenn im Genehmigungsfreistellungsverfahren (Bauanzeigeverfahren, Kenntnisgabeverfahren) von dem angezeigten Vorhaben abgewichen wird[620] oder wenn das Vorhaben bei der Behörde überhaupt nicht angezeigt und die erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht wurden[621]. Formell baurechtswidrig sind Bauarbeiten auch dann, wenn der Bauherr trotz der angeordneten aufschiebenden Wirkung des Nachbarwiderspruchs weiterbaut[622]. Schließlich ist an diejenige Konstellation zu denken, in der zwar die erforderliche Baugenehmigung vorliegt, es aber an einer anderen Genehmigung oder Gestattung fehlt[623].

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Die Einstellungsverfügung kann ebenso auf die materielle Baurechtswidrigkeit gestützt werden. Wegen der Legalisierungswirkung der Baugenehmigung wird die überwiegende Anzahl der Fälle dieser Konstellation aus genehmigungs- oder verfahrensfreien Vorhaben bestehen[624]. Doch auch wenn eine Baugenehmigung erteilt wurde, sind Konstellationen einer materiellen Baurechtswidrigkeit denkbar: Soweit der Bauherr die Baugenehmigung überschreitet, liegt nicht nur ein Fall formeller, sondern ggf. zusätzlich ein Fall materieller Baurechtswidrigkeit vor, sofern die Überschreitung nicht genehmigungsfähig wäre. Dass die Überschreitung als Abweichung genehmigungsfähig wäre, ändert an der (vorläufigen) materiellen Baurechtswidrigkeit nichts[625]. Materielle Baurechtswidrigkeit liegt auch bei Verstößen gegen Vorschriften vor, die nicht Teil des Prüfprogramms sind und damit nicht der Legalisierungswirkung der (vereinfachten) Baugenehmigung unterfallen[626].

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