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f) Der Einfluss von Treu und Glauben auf den Lauf der Rechtsbehelfsfristen des Nachbarn

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§ 43 Abs. 1 S. 1 der jeweiligen Landesverwaltungsverfahrensgesetze[848] macht die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts von dessen Bekanntgabe abhängig. Die Anforderung der individuellen Bekanntgabe an Adressaten und Betroffene hat zur Konsequenz, dass bei mehreren involvierten Personen – etwa dem Bauherrn als Adressaten einer Baugenehmigung und dem Nachbarn als Betroffenen – die Wirksamkeit des Verwaltungsakts gegenüber den Genannten zeitlich auseinanderfallen kann; möglich ist auch, dass einem Betroffenen gegenüber der Verwaltungsakt überhaupt nicht wirksam wird[849]. In Nachbarrechtsstreitigkeiten kann die zeitliche Divergenz dazu führen, dass dem Nachbarn wegen späterer Bekanntgabe im Sinne von § 41 LVwVfG[850] noch immer eine Widerspruchs- und Anfechtungsmöglichkeit zusteht, obwohl die Baugenehmigung dem Bauherrn gegenüber schon bestandskräftig geworden ist und der Nachbar faktisch schon lange Kenntnis von der Baugenehmigung hatte oder hätte haben müssen[851]: Die Bekanntgabe der Baugenehmigung an den Bauherrn setzt eben nicht automatisch die Rechtsbehelfsfristen für den Nachbarn in Gang, weil der Fristbeginn aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit an die individuelle Bekanntgabe gekoppelt ist (§§ 70 Abs. 1 S. 1, 74 Abs. 1 S. 2 VwGO)[852]. Das Problem wird weiter verschärft durch die Einführung der fingierten Baugenehmigung, die manche Bauordnungen für das vereinfachte Genehmigungsverfahren vorsehen[853]. Eine solche fingierte Baugenehmigung aber wird dem Nachbarn regelmäßig nicht förmlich bekannt gemacht[854].

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Hat der Nachbar auch ohne amtliche Bekanntmachung von der Baugenehmigung Kenntnis erlangt (oder hätte er sie erlangen müssen), scheidet zwar eine analoge Anwendung der Rechtsbehelfsfristen mangels Vergleichbarkeit und Regelungslücke aus. Die Rechtsprechung gelangt indes über die Konstruktion eines „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses“, das nach Treu und Glauben besondere Rücksichten der Nachbarn untereinander erfordere, zu ähnlichen Ergebnissen: Der Nachbar muss sich bei zuverlässiger Kenntniserlangung, aber auch bei grob fahrlässiger Unkenntnis der Baugenehmigung so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung amtlich bekannt gegeben worden, um den Schaden des Bauherrn möglichst zu vermeiden oder jedenfalls gering zu halten[855]. Weil es in diesen Konstellationen freilich regelmäßig an der Rechtsbehelfsbelehrung fehlt, gilt die Jahresfrist nach §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO ab zuverlässiger Kenntniserlangung bzw. ab dem Zeitpunkt der groben Fahrlässigkeit[856].

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Liegen die Voraussetzungen der Verwirkung – Zeit- und Umstandsmoment – als Unterfall des Grundsatzes von Treu und Glauben vor, kann der Nachbar sowohl sein Verfahrensrecht (bspw.: Widerspruchsrecht) als auch sein materielles Abwehrrecht auf diese Weise verlieren[857]. Diese Folge ist bereits vor Ablauf der Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO möglich[858].

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