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III. Leistungsverwaltung
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Leistungsverwaltung
In den Dienstinstruktionen der Kammern werden ansatzweise auch Elemente der Leistungsverwaltung[106] sichtbar, die vor allem in dem staatlichen Bemühen zu Tage tritt, den Zuzug niederlassungswilliger Handwerker und Arbeiter der Textilbranche zu fördern: Die Kammern waren gehalten, solchen Leuten sog. Handgelder auszuzahlen, die den Anreiz der ohnehin gewährten Abgaben- und Steuernachlässe verstärken sollten. Die Kammern sollten auch dafür sorgen, dass den neuen Handwerkern vorschussweise die erforderlichen Rohstoffe zur Textil-Produktion zur Verfügung gestellt werden, damit ihnen der Produktionsstart gelingt. Dieser Rückgriff auf das Instrument leistender Verwaltung entsprach ganz den policeywissenschaftlichen Grundsätzen dieser Zeit, die immer wieder betonten, dass der Fürst sich vorrangig anderer Mittel als der nachträglichen Sanktionierung normabweichenden Verhaltens bedienen müsse, wolle er die hochgesteckten Ziele der kameralistischen Politiklehre erreichen.[107] Denn allein mit der Durchsetzung der normativen Ordnung durch deren Sanktionierung war aus solcher Sicht die angestrebte Weiterentwicklung der ökonomischen Strukturen des Landes nicht zu erreichen, weil die bloße Normtreue der Untertanen noch kein ökonomisches Wachstum erzeugt. Wichtig war hier vielmehr die Ermunterung der Untertanen zum wirtschaftspolitisch erwünschten Verhalten; Ermunterung durch Subventionen und eine richtige Steuerpolitik ebenso wie durch eine aktive staatliche Strukturpolitik in Form von Landeskulturmaßnahmen, Gewerbe- und Manufakturansiedelung und Infrastrukturausbau. „Verwaltung“ erschöpfte sich hier also nicht mehr im Verbieten und Gebieten, im Aufspüren und Strafen, sondern bedient sich daneben weiterer Handlungsformen. Diese Vervielfältigung der Handlungsinstrumente korrespondiert mit dem anspruchsvoller gewordenen kameralistischen Politikziel, das sich nicht mehr damit begnügte, menschliches Fehlverhalten zu korrigieren, sondern Wirtschaftswachstum erzeugen wollte; Verwaltung versteht sich hier in hohem Maße als Wirtschaftsführung der „großen Ökonomie des Staates“, wie es die Kameralistik ausgedrückt hat.[108]
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Beamtenausbildung: Kameralwissenschaften
Das veränderte Verwaltungsverständnis hat sich naheliegenderweise auch auf die Ausrichtung der Beamtenausbildung ausgewirkt: Das Curriculum wird nun angereichert mit den sog. Kameralwissenschaften, bestehend aus den Teilgebieten der Politischen Ökonomie, einer Vorform der späteren Volkswirtschaftslehre, der Policeywissenschaft, einer stark ökonomisch unterfütterten Verwaltungslehre, und schließlich der Finanzwissenschaft.[109] Hinzu kamen policeyliche Gesetzeskunde und die sog. „Statistik“, die „Staatenkunde“. Die herkömmliche Juristenausbildung mit ihrer eindeutigen Bevorzugung des Gemeinen Rechts schien nun zur Vorbereitung auf den praktischen Verwaltungsdienst gänzlich unzureichend. Denn in der traditionellen Juristenausbildung spielten die Normen der Policey keine oder allenfalls eine marginale Rolle. Noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts galt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Vorschriften der Policey, vor allem deren Sammlung und ordnende Darstellung, nicht als Teilgebiet der Jurisprudenz, sondern der Polizeiwissenschaft[110] und dies war keine rechtliche Disziplin, sondern eine Teildisziplin der Kameralwissenschaften.[111] Da es bei den Kameralwissenschaften zuvorderst um praktisches, anwendungsorientiertes Fachwissen ging, wurde dieses zunächst nur außerhalb der Universitäten vermittelt, etwa am „Collegium Illustre“ in Tübingen oder an der Kurpfälzischen „Akademie“ zu Lautern.[112] Seit 1727 waren die Kameralwissenschaften aber auch an den Universitäten präsent. Führend waren hier die preußischen Universitäten Halle und Frankfurt/Oder – gewiss nicht zufällig, waren doch die Kameralwissenschaften in der preußischen Verwaltung spätestens seit Friedrich Wilhelm I., dem „großen Wirt“ (Ökonom), von besonderer Bedeutung.[113]