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III. Reformschub für Bayern unter dem Ministerium von Graf Montgelas

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Souveränität im Rheinbund?

Zum Ende des Alten Reichs 1806 erschien in Bayern die anonyme Schrift „Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung“. Im ,souveränen Bayern‘ verfolgte die französische Armee ihren Nürnberger Verleger Johann Philipp Palm und verurteilte ihn noch im August durch ein Kriegsgericht zum Tode. Der deutschen Öffentlichkeit wurde die Instrumentalisierung der deutschen Staaten und ihre Gefährdung durch Napoleon bewusster als zuvor; die frühere Freude über den Fortschritt zu Freiheit und Gleichheit verflog. Bayerns leitender Minister Maximilian Graf Montgelas wollte sein Land nicht zum Objekt rheinbundweiter Gesetzgebung werden lassen, und so entstand in Kenntnis der Verfassung Westphalens die erste bayerische Verfassung von 1808. Sie verankerte die Grundrechte weiter und sah Rechtskodifikationen und eine Nationalrepräsentation aus Höchstbesteuerten vor; wegen der fortdauernden Kriege wurde jedoch nur sehr wenig davon wirklich umgesetzt.[15]

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Lebenszeitbeamte als Gegengewicht zum Minister

Wegweisend wurde vor allem die schon 1805 von Montgelas durchgesetzte Konzeption des Lebenszeitbeamten. 1803 gab der Reichsdeputationshauptschluss den neuen Landesherren auf, „herrenlos“ gewordene Beamte in ihren Dienst zu übernehmen. Schon im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts sahen Reichsgerichte Beamte nicht mehr als persönliches Personal an, sondern als Diener des Staates, die von einem alten wie einem neuen Dienstherrn die Achtung ihres „wohl erworbenen Rechts“ (ius quaesitum) erwarten konnten.[16] In dieselbe Richtung überlegte seit 1796 Montgelas, damals noch als Berater des bayerischen Thronerben, um der Günstlingswirtschaft und offenen Korruption ein Ende zu setzen. Wer nach langer und guter Ausbildung sich dem Dienst am Staat widmete, sollte ein Recht auf angemessene Entlohnung während seines ganzen Lebens erhalten, entsprechend seinem gesellschaftlichen – nicht mehr höfischen! – Rang („a un droit acquis pendant sa vie à une subsistance honnête, proportionnée au rang qu‘il tient dans la société“). Und Montgelas ging in seinem Ansbacher Mémoire noch weiter. Angesichts häufiger Ministerwechsel erwartete er von der Beständigkeit der höheren Beamten die Prinzipienstärke und den Systemgeist, die die Seele einer Verwaltung ausmachen. Aus Vorsicht („prudence“) sei es deshalb angebracht, ein Gegengewicht zu einer zu großen Macht der Minister („un contrepoids à la trop grande puissance des ministres“) zu schaffen, indem die ihnen Vortrag haltenden Ministerialbeamten unabhängig vom Willen oder Unwillen der Minister auf Dauer beschäftigt werden. Und er erwartete, dass die Beamten ihrer einzigartigen Lebenszeitstellung entsprechen, indem sie möglichem Unrecht widerstehen und Intrigen aus ministeriellem Despotismus („despotisme ministériel“) abwehren. Ihre Stellung verband sich mit Pflicht, und hier blitzte eine Verwaltungsethik auf. Politisch tarierte Montgelas Regierung durch die Minister und Verwaltung durch die beratenden Beamten gegeneinander aus – nicht so sehr im Interesse des Monarchen als Person, sondern in dem des Staates, dem es um das „Gute“, das Gemeinwohl geht. Montgelas‘ Begriff „contrepoids“ wurde übrigens im französischen Kontext sowohl in Montesquieus Gewaltenlehre als auch für das amerikanische Prinzip der checks and balances verwendet. Als Maximilian I. Joseph 1799 neuer Kurfürst wurde, lehnte er konsequent die Auffassung ab, als Monarch könne er „nach Willkür entlassen“.[17] Montgelas setzte, nun als Minister, seine Ideen in der bayerischen „Hauptlandespragmatik“ vom 1. Januar 1805 durch. Als erstes deutsches Beamtengesetz ging sie von amtsangemessener und lebenslänglicher Besoldung aus und regelte auch Pension und Witwen- und Waisenversorgung. Das Gehalt setzte sich zusammen aus einem lebenslänglichen „Standesgehalt“, das immer, auch im Ruhestand, gezahlt wurde, und einem „Dienstgehalt“, das für die Dauer aktiver Tätigkeit hinzukam. Vor allem aber wurden die bayerischen Beamten nun wirklich unabsetzbar, außer durch Gerichtsurteil. Das Gesetz stellte ein Grundgesetz Bayerns dar, das „ausdrücklich mit dem permanenten Karakter einer konstitutionellen Haupt-Landes-Pragmatik“ (Abschnitt XXVI) noch vor einer Verfassung erlassen und 1818 in sie integriert wurde. Dieses Gesetz mit dem sperrigen Namen stellt den ältesten nach seinem Inhalt kontinuierlich gültigen Verfassungsbestandteil in Deutschland dar.[18] In Baden gab es eine an die bayerische angenäherte Dienstpragmatik für wenige Monate im Jahre 1809. Dann billigte erst 1819 wieder Großherzog Ludwig ein „Staatsdieneredikt“, worin er das ihm wichtige Monarchenrecht aufrechterhielt, seine Beamten entlassen zu können. Das war allerdings durch ein Verfahren mit vorangehenden Verwarnungen und gerichtsähnlichen Schritte erschwert und sah ein Ruhegehalt vor, das auskömmliche Lebensführung ermöglichen sollte.[19]

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Erstmals „klassische“ Fachministerien

Als Montgelas 1799 leitender Minister wurde, organisierte er die bayerische Regierung sofort in Ministerien um, die nach Sachaufgaben rational abgegrenzt waren. Die in Frankreich bereits 1790 geschaffenen sechs „klassischen Ministerien“ wandelte er dabei in die dann in Deutschland üblichen fünf um (unter Wegfall der Marine- und Kolonialsachen): Äußeres, Finanzen, Justiz, Inneres und Krieg. Darunter standen Mittelbehörden („Kreise“), darunter waren dann Verwaltungs- und Gerichtsbezirke vereint als „Landgerichte“ (dazu 1862 dann „Bezirksämter“ der Verwaltung) und schließlich gab es die Gemeinden.

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Verstaatlichung der Gemeinden

Montgelas wollte im modernen Bayern nach französischem Vorbild auch eigenständige intermediäre Gewalten vermeiden. Er nahm dem Adel, den Klöstern und den Städten ihre schmalen politischen Mitwirkungsrechte in den alten Landständen und integrierte alle Gemeinden in den Staat zu dessen Regeln. Dazu schuf er 1808 zwei streng reglementierende Gemeindeedikte für Stadt- und für Landgemeinden. Selbst traditionsreiche, bis 1806 fast-souveräne alte Reichsstädte wie Augsburg und Nürnberg mussten sich jetzt damit abfinden, dass sie „in Ausübung ihrer Rechte wie die Minderjährigen begrenzt“ sein sollten, aber auch deren Vorrechte, nämlich sorgende Vormundschaft des Staates „genießen“ sollten. Jede noch so kleine Verfügung aus den Gemeindevermögen (die zusammen jedoch mehr als das Staatsvermögen ausmachten) musste genehmigt werden, was sich in der Praxis als undurchführbar erwies und eine Welle von Beschwerden hervorrief. Erst nach dem Sturz von Montgelas wurde 1818 ein neues, jetzt einheitliches Gemeindeedikt verkündet. Es gab städtischen Magistraten wieder mehr Spielraum, behielt aber die starke Staatsaufsicht bei.[20]

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