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Kapitel 21 - Am Memel

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Als das Heer zum Memel vorstieß, ächzte es bereits unter der glühenden Augustsonne. Schmetterlinge torkelten im Gesträuch nahe des Flussufers, anscheinend ebenso müde wie das geplagte Heer. Schillernde Libellen und Schwalben schossen über die Wasserfläche. Der leichte Wind vom Fluss frischte etwas auf und milderte geringfügig die sommerliche Hitze. Endlich am Memel! Nun konnte es nicht mehr weit nach Litauen sein!

Baumbewuchs und Gestrüpp reichten bis heran ans Ufer, oft sogar bis weit hinein in das sumpfige, Schilf bewachsene Gewässer.

Ein Übergang über den Fluss musste geschaffen werden! Dafür musste weitgehend der Uferbewuchs entfernt werden, das war Widzelt sofort klar, eine Arbeit für Pioniere. Trotzdem, wie alle anderen atmete auch er auf.

Die Zugtiere brüllten nach Wasser, mussten aber noch von den Knechten zurückgehalten werden. – Keine leichte Aufgabe, denn hier, wo man schon Überfälle der Litauer befürchten musste, wurde peinlichst auf die Erlaubnis der Gebietiger gewartet, ehe die Tiere getränkt wurden und sie ihre Futtersäcke umgehängt erhielten.

Der Schilfgürtel wurde sorgfältig durchkämmt, um die Feinde rechtzeitig aufzuspüren, denn im Sumpf des mannshohen, dichten Schilfes konnten sich leicht litauische Kundschafter versteckt halten. Die Suche endete erfolgreich. Eine kleine Gruppe von Spähern wurde aufgegriffen und in Gewahrsam der Gebietiger gebracht.

Dann durften endlich die Hütten aufgeschlagen werden, und zwar so, dass die Tiere im Innern des Kreises grasen konnten, wodurch sie und die Ausrüstung gut geschützt wurden. Erst jetzt durfte Widzelt seinem 'Pascha' das Zaumzeug abnehmen.

Nachdem nun das Panier aufgepflanzt war, lagerten sich die Ordensbrüder - und Widzelt mit ihnen - im Ring bei der Fahne außerhalb der Kapellenschnur in derselben Ordnung, wie sie geritten waren. So konnte man stets leicht feststellen, ob jemand fehlte. Ehe man jedoch weiterziehen konnte ins Litauische Land hinein, musste abgewartet werden, bis die gesamte Streitmacht am Fluss versammelt war. Das nahm einige Tage in Anspruch, die Widzelt weitgehend zum Ausruhen nutzen durfte.

Aus allen Richtungen des Ordenslandes sammelten sich nun die geballten Heerscharen am Memel: Lanzenreiter, Bogenschützen, Pioniere, diverses Fußvolk sowie verschiedene andere Bereiche der Kriegsmacht wie Mineure, welchen die Aufgabe zufiel, unter den Mauern der belagerten Festung einen Stollen anzulegen, um so unbemerkt einen Zugang für einen möglichen Überraschungsangriff zu schaffen. Hinzu kamen etliche Handwerker wie Sattler, Radmacher, Wagenbauer und Zimmerer.

Es entstand ein schier endloses Lager am Ufer des Memel, eine bunte Ansammlung von Zeltstraßen mit aufgepflanzten Panieren, die den Kriegsteilnehmern den Weg wiesen. Sie sorgten dafür, dass sich das gesamte gewaltige Heer anderntags um die Ordenszelte scharte. Als am Morgen der rote Sonnenball hinter den feindlichen Hügeln aus einem Bett fedriger Wolken stieg, erklangen rundum die Signale der Herolde. Es entwickelte sich ein farbiges Gewimmel, bis sie Schulter an Schulter, Kopf an Kopf standen, Edle und Gemeine. Trommeln wurden nicht gerührt, aber eindrucksvoll kündigten Fanfaren die Gebietiger an.

Blinzelnd trat der Obermarschall in die Morgensonne hinaus, gefolgt von den anderen Gebietigern und Komturen. In vollem Bischofsornat stieg Winrich von Kniprode gemessen die Leiter empor auf das hohe Balkengerüst - eine kleine Kanzel, von der weißen Ordensfahne überdacht.

Feierlich überbrachte der Hochmeister dem versammelten Heer den Segen seiner Heiligkeit des Papstes. Er fand mitreißende Worte, sprach von der Sendung des Deutschordens, von dem hohen Auftrag, die Heiden zu bekehren und die Schwachen zu schützen:

„Frauen und Kinder, Schwache und Kranke und solche, die bereit sind, sich taufen zu lassen, sollen verschont werden in diesem Feldzug gegen den König von Litauen. Einzig die Bekehrung der Ungläubigen rechtfertigt diesen Kreuzzug. - Ihr alle wisst, dass ihr sterben könntet unter den Schwertern des Feindes, und ihr seid trotzdem gekommen und bereit, die Heiden in Gottes Schoß zu führen. - Sterben muss jeder, aber wahrhaftig zu leben, das ist unser aller Ziel. Unser Orden hat die Verpflichtung zum Kampf gegen Teufel und Heiden für Gott und die Kirche. Niemals werden wir unsere Sendung außer Acht lassen, denn diese Flamme gibt uns Beweggrund und Triebkraft für unser Werk, damit der christliche Glaube unter den Heidenvölkern verbreitet werde. In seiner überfließenden Kraft und Liebe, die alle Dinge auf Erden umfasst, hat der Herrgott uns auserwählt, seinen Namen in dieser Welt zu verherrlichen. Gottes Gnade wird uns den Sieg schenken!“

Durch die Heeresreihen hallte brausender Beifall. Konnten sie das hören, dort drüben im feindlichen Lager? Widzelt glaubte es fast, wehte der Wind doch ihren Jubel hinüber zu den blauen Hügeln. Mussten sie dann nicht zittern vor Furcht?

„Bringet also die Kindlein zu mir! Bringet auch die Mütter zu mir, so ihr ihrer habhaft werden könnt! Bringet auch die Väter zu mir, so sie sich taufen lassen wollen, damit wir die Heiden zu guten Christenmenschen machen!“

Des Hochmeisters Handbewegung nötigte das Heer zum Niederknien. Wie das mächtige Donnern des Meeres gegen die Steilküste von Broke klang das geräuschvolle Rasseln und Klirren der Waffen in Widzelts Ohren. Eine Wellenbewegung ging durch die Reihen der Kriegsteilnehmer als sie der Aufforderung folgten und demütig auf die Knie sanken, den Kopf über die zum Gebet gefalteten Hände geneigt.

Zum Abschluss zelebrierten die Gebietiger feierlich die Messe. Der Hochmeister spendete seinen bischöflichen Segen. Aus dreißigtausend Kehlen schwang das ‚Amen' gleich einem gewaltigen ehernen Glockenschlag zu den feindlichen Heerscharen hinüber. Musste nicht jeder, dem diese Welle des christlichen Gottesglaubens entgegenschlug, erbeben?

Dann gingen Ordenspriester durch die Reihen des Heeres und reichten jedem die geweihte Hostie.

Mit weit tragender Stimme sprach der Hochmeister ein letztes Gebet, bat demutsvoll um Gottes Beistand und Schutz:

„Erhöre, Herr, unsere Bitten und würdige dich, diese, deine Diener, welche mit deiner Gnade mit dem Kriegsschwert umgürtet sind, zu segnen, damit sie Verteidiger und Schirmer der Kirche seien gegen die Grausamkeit aller bösen Heiden und so ein Schrecken all derer, die gegen den heiligen Glauben kämpfen.

Segne Herr, Heiliger Vater, durch Anrufung deines Namens und durch die Ankunft deines Sohnes, unseres Herrn, Jesus Christus, und durch die Gabe des Heiligen Geistes das Schwert, mit dem deine Diener umgürtet sind, auf dass sie - mit ihm geschützt - durch keinen Kriegssturm in Verwirrung geraten, sondern in allem glücklich siegen und durch deinen Schutz immerdar unverletzt bleiben. Wenn du es aber vorgesehen hast, Herr, so lass uns sterben für dich, oh Herr, mit einem Lächeln auf den Lippen. Dies alles geschehe durch unseren Herrn Jesus Christus, deinen Sohn, der mit dir lebet und regieret in Einheit mit dem Heiligen Geiste, Gott in alle Ewigkeit, Amen.“

Und wie ein anwachsendes Meeresrauschen setzte sich durch die Reihen der Ordensbrüder und Bundesgenossen, der Hilfstruppen und Söldner das „Amen“ fort.

„So erhebet euch nun. Lasset uns gemeinsam singen zum Lobe unseres Herrn!“

Als die Ordensbrüder anhoben zu singen, fielen - erst zögernd, dann anschwellend zu gewaltigen Brausen - die Heerscharen ein. Die Wogen ihrer aufgewühlten Gefühle flossen mit hinein in den Psalmengesang. Bis ins Innerste bewegt, erklangen dreißigtausend Stimmen, und der Wind trug das Lob Gottes weit hinaus über die Hügel ins feindliche Litauen.

Dann reckte der Marschall sein imponierendes Schwert in die Höhe und rief: „Zur Ehre Gottes! Amen!“

„Amen!“, brüllte es wie Donnerhall aus rauen Kehlen hinüber zu den gegnerischen Feldlagern.

„Herrschaften, ihr dürft jetzt gehen“, entschied der Ordensmarschall und wandte sich dem Hochmeister zu.

Merkwürdig, in diesem Augenblick sehnte Widzelt sich nach Hause. Seit langem hatte er keine Nachricht von dort erhalten und naturgemäß, wegen der vorherrschenden Umstände, auch keinen Brief nach Brookmerland senden können. Was alles mochte in der Zwischenzeit in der Heimat geschehen sein?

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