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Kapitel 22 - Jahresbericht - Kloster Dykhusen / Emsgau – 1379

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Wieder kein Bote, keine Nachricht von Widzelt. Foelke sorgt sich und sie ahnt, dass auch Ocko täglich auf einen Brief aus dem Ordensland wartet, obwohl er das nicht äußert.

Zu Maria Himmelfahrt, dem 15. August, erhofft Foelke erwartungsvollen Herzens, dass Folkmar Allena von Groningen herüberkommt, um den Jahresbericht für das gemeinsam mit Ocko gegründete Kloster Dykhusen zu prüfen.

Nur mühsam verbirgt sie vor Ocko ihre Enttäuschung, als er ihr eröffnet, dass Folkmar nicht anwesend sein wird. Statt seiner ist Ayelt Allena aus Osterhusen, Folkmars Bruder, auf Broke eingetroffen. Die Begrüßung ist denkbar kühl. Ocko spottet über Folkmar und bedeutet, er sei ein Hasenfuß, fürchte wohl, gefangen genommen zu werden, aber Ayelt entgegnet scharf, dass sein Bruder sich auf einem Kriegszug gegen die Vetkoper befände.

Foelke hat Ayelt Allena seit dem Friedensschluss nicht mehr zu Gesicht bekommen und freut sich jetzt, ihn zu sehen. Er sieht abgezehrt aus, ist merklich gealtert, grau ist das ursprünglich feuerrote Haupthaar, grau das bärtige Kinn, tiefe Runen auf der Stirn. Aber er lacht noch genauso strahlend wie sie es von früher kennt. Herzlich auch seine Begrüßung, der Handschlag fest und warm. Er wünscht ihr Glück für das Kind und fragt, ob sie schon einen Namen wisse. Keine Frage, natürlich weiß sie das - ‚Ocka’ bei einem Mädchen, ‚Keno’ bei einem Knaben. Voller Stolz streichelt Foelke ihren runden Leib. Unter ihren Händen fühlt sie das Kind den Druck erwidern, vielleicht stupst es mit den winzigen Fäustchen oder mit den Füßchen. Ein überwältigendes Gefühl, das Kind in sich zu fühlen! - Manchmal betrachtet sie heimlich ihren Körper und fragt sich voller Staunen, wie dieses Wunder möglich ist.

Die übrigen Beteiligten zur Buchprüfung treten ein, der Herr Luippe mit bleichen Wangen und Hebe, Foelkes Schwester. - Ein sachliches Verfahren, in welchem kaum ein persönliches Wort gewechselt wird. Abschließend gibt Ritter Ocko bekannt, dass er das Kloster von der Last dem Herrn Luippe gegenüber befreit habe. Ayelt möge das seinem Bruder ausrichten.

Ayelt Allena zieht fragend die Brauen hoch: „Die Urkunde?“ Ocko legt sie vor. Ayelt Allena liest, nickt, sagt kein Wort dazu. Das abschließende Mahl verschmähend, verabschiedet er sich so rasch, dass Foelke keine Gelegenheit findet, all die brennenden Fragen zu stellen, die sie sich zurechtgelegt hat. Sie steht da und schaut ihm verstört nach, wie er grußlos die Halle verlässt. Beinahe hätte sie geweint vor Enttäuschung, aber sie nimmt sich zusammen, geht still zum Erkerfenster. Nicht lange, und sie sieht Ayelt fortreiten…

Folkmar, wie mag es ihm gehen? Noch immer hängt mein Herz an ihm, nicht mehr so heiß, aber dennoch... die Zuneigung in meinem Herzen will nicht schweigen, wenn er nun auch Ockos ärgster Feind ist. Und Adda, seine Frau? Ob sie im Groninger Land glücklich ist? Alles hat Adda gewollt! Nichts ist ihr geblieben von ihrem Erbgut. Schicksal oder eigenes Verschulden? Warum hat Adda sich nicht zufrieden geben können? Dieser heftige Streit zwischen Adda und Folkmar auf der Abdena-Burg in Emden... Dieser Tag, das war ein unheilvoller Tag, der Tag, an dem die Sturmflut den Deich bei Jansum weggeschwemmt hat...

Außer sich vor Zorn hat sie ihren Mann angeschrien, er lasse sich um ihr Geld betrügen, ein jämmerlicher Feigling sei er, einer, der ihrer nicht würdig ist. Ich weiß noch, wie sie aufgeregt sie um den Tisch herumgerannt ist, höre es noch in meinen Ohren: ‚Ohne Erbe - ohne Mitgift - bin ich nicht mehr, als die niederste Magd. Erst das macht mich zur Herrin - erst das Geld!‘

Adda hatte sich aufgeführt wie ein widerborstiges Kind. Ob sie sich heute immer noch so unvernünftig verhalten würde? Wie mag sie sich jetzt wohl fühlen? Noch weniger als die niederste Magd? - An diesem Tag auf der Abdena-Burg, diesem merkwürdigen, schicksalhaften Tag, da hat Ocko mich zum ersten Mal geküsst. - Ob Hisko Abdena uns damals beobachtet hat? Er ist genau in dem Augenblick ins Zimmer gekommen, als ich Ocko den Feuerhaken gegen das Schienenbein geschlagen habe...

Foelke muss lächeln, ihre Schwester Hebe unterbricht ihre Gedankengänge: „Was ist mit dir, Foelke? Träumst du?“

„Ach nein, entschuldige, ich erinnerte mich nur gerade..., ich dachte an den Deichbruch von Jansum.“

„Und dann lächelst du? Merkwürdige Gedanken musst du haben. Ich will mich verabschieden, Schwesterlein. Gern würde ich dir beistehen bei der Niederkunft, aber leider ‚verspätet’ sich dein Kind, wie mir scheint. Es lässt sich mit meinen Pflichten als Priorisse nicht vereinbaren, solange von Dykhusen fortzubleiben und zu warten.“

„Ja, Hebe, eure strengen Ordensregeln kenne ich gut genug, um zu wissen, dass ich mich daran niemals gewöhnen könnte.“

„Ich weiß, Foelke. Aber ich muss morgen früh raus. In aller Herrgottsfrühe beginnt mein Klostertag zwischen zwei und drei Uhr mit der ‚Mette’. Die dauert etwa eine Stunde mit verschiedenen Gebeten und Lesungen.“

„Besonders die Kälte würde mir zu schaffen machen in diesen mehr oder minder kargen und hundekalten Klosterzellen.“

„Ach, meine Behausung ist ganz heimelig, Foelke. Ich kann mich nicht beklagen.“ Hebe steckt ihre Hände in die Ärmel. Ja, frieren tut sie eigentlich immer.

„Aber kalt ist es in deiner Wohnung nicht weniger als in der Kirche. Besonders im Winter ist es grausig... Und was machst du nach der Mette?“

„Dann? Beten! Es folgen zwei Stunden Besinnung und stilles Gebet. Bevor der Arbeitstag beginnt, treffen wir uns erneut in der Kirche zur ‚Prim’. Danach beginnt mein Arbeitstag, liebste Schwester.“

„Und was tust du dann?“

„Ach, wozu ich Lust habe und was mein Amt von mir verlangt. Manchmal helfe ich auch in unserem Krämerladen. Wir verkaufen dort unsere eigenen Erzeugnisse. Aber das weißt du ja.“

„Hm, Eure Backwaren sind köstlich!“

„Du denkst immer nur ans Essen“, lachte Hebe, „aber wir haben auch schöne Kerzen, Lederzeug und Webwaren und natürlich Devotionalien aller Art. Du musst mal kommen. Du wirst staunen.“

„Ach, Dykhusen, danach gelüstet es mich nicht gerade. Und du hast ja auch nie Zeit. Alle zweieinhalb Stunden Beten. Kaum hat man sich ins Gespräch vertieft, schon ruft die Glocke wieder zum Gebet. Beim letzten Mal, als ich bei dir war, da lag gerade eine junge Deern in den Wehen, aber die braven Schwestern hatten nichts anderes im Sinn, als beten zu gehen und die arme Deern sich selbst zu überlassen. Und was kam dabei heraus? Das Würmchen erstickte an der eigenen Nabelschnur!“

„Hör auf zu nörgeln, Foelke. Es ist nun einmal so, dass sich der Arbeitstag in vier Phasen von je zweieinhalb Stunden gliedert, die durch die Stundengebete der Terz, Sext und Non getrennt sind. Und dann gibt es ja auch noch die Mahlzeiten.“

„Ja, zum Schweigen und im Sommer gibt es sogar zweimal die Tafelfreuden. So einfach ist das. “ Das klingt bissig. „Wie müsst ihr doch immer wieder den Sommer herbeisehnen, wo es im Winter doch nur eine einzige Mahlzeit pro Tag gibt und das auch noch erst am Nachmittag gegen zwei Uhr. Ich würde verhungern bei euch.“

„Ach, das denkst du nur. Auch daran gewöhnt sich der Mensch. In der Fastenzeit gibt's nämlich auch nur eine Mahlzeit nach der Vesper und bei strenger Auslegung der Fastengebote zählt man rund zweihundert Fastentage im Jahr!“

„Dann pass nur auf, dass du nicht zu dick wirst, so wie ich“, sagt Foelke neckisch und zieht ihre Schwester an sich.

„Nun, ich habe nicht die Absicht, mich mit einem Mann einzulassen und ein Kind zu bekommen, wenngleich... Ein Kind ist etwas Großes, etwas Besonderes. Ich beneide dich darum. Das muss ein starkes Gefühl sein, ein Kind zu bekommen.“

„Ja, das ist es, Hebe. Schon deswegen könnte ich es nie ertragen, nur eine ‚nichtswürdige Magd’ zu sein, so wie es in deinen Ordensregeln geschrieben steht, ohne Gelüste, ohne persönliche Bewegungsfreiheit.“

„Daran gewöhnt man sich, glaub mir, Foelke. Und Kinder haben wir auch, Schwesterlein.“ Sie nahm Foelke liebevoll in den Arm.

„Ja, Waisen, Findelkinder, Bankerte…“

„Gewiss, aber es sind ‚unsere‘ Kinder. Wir lieben Kinder. Nichts ist so anrührend wie ein frommes Kind. Sie erfreuen uns und es ist manch ein Mädchen darunter, welches später den Schleier nimmt. Und wenn nicht das, so bleiben doch einige bei uns als Laienschwestern.“

„Ich weiß, denn sie leiden bei euch keine Not.“

„Ja, das wäre ja noch schöner! Wir sind eine Gemeinschaft für uns, eine Gemeinde der dauernd Zusammenwohnenden, eine Elite ohne wirtschaftliche Sorgen. Und als Priorisse muss ich zugeben, dass ich einige angenehme Privilegien besitze. Und seit dein lieber Gemahl uns von den drückenden Abgaben gegenüber dem Herrn Luippe befreit hat, geht es uns allen sehr viel besser. Ich weiß nicht, wie es dir gelungen ist, deinen Gemahl zu diesem Schritt zu veranlassen und will es auch nicht wissen, aber ich verfüge seither über mehr Geld in der Klosterkasse und wir haben davon sogar schon ein paar prächtige Heidschnucken angeschafft – für wollene Unterkleidung, verstehst du?“ Sie lächelte glücklich: „Auch können wir uns jetzt sogar manchmal ganz besondere Wünsche erfüllen. Wir sind zwar ein Bettelorden, wie du weißt, aber wir essen nicht mehr nur das Brot der Barmherzigkeit. Durch unsere Landwirtschaft haben wir genug zum Leben, so dass wir auch noch etwas abgeben können für die Armen. Der Handel mit den Dingen vom Handwerkerhof bringt auch einiges ein. Das geht meistens drauf für die Armen, aber – wie gesagt, hin und wieder können wir uns sogar ganz besondere Schätze leisten.“

„Wie Bücher?“ Foelke kannte die Vorliebe ihrer Schwester für Bücher. Bisher konnte das Kloster nur auf wenige Bücher zurückgreifen und Foelkes Schwester sah es als ihre vornehmste Aufgabe an, durch das Abschreiben von Literatur eine eigene Bibliothek aufzubauen. „Wie steht es denn nun eigentlich mit deiner Bibliothek? Macht sie Fortschritte?“

„Du meinst, weil Ocko gern seine Folianten zurück haben möchte?“ - Foelke schüttelt den Kopf. - „Obgleich es ein Privileg ist, im Scriptorium beschäftigt zu werden, ist auch das keineswegs eine leichte Arbeit, liebe Schwester. Ich habe zu wenige Nonnen, die der Belastung gewachsen sind. Das Schreiben mit dem angeschnittenen Gänsekiel erfordert allergrößte Sorgfalt beim Malen der einzelnen Buchstaben. Natürlich, Fehler können einfach durch Abkratzen der Farbe mit einem scharfen Skalpell korrigiert werden, trotzdem bleibt aber häufig ein Schmutzfleck zurück. Nur besonders Begabte dürfen deshalb die Kapitel und Initialen ausführen, reizende kleine Bildchen einfügen und die Randleisten verzieren. Aber durch die fortwährende Kälte in der Schreibstube, die steif gefrorenen Finger und das spärliche Kerzenlicht wird das Schreiben sehr erschwert.“

„Dann stellt doch Feuerbecken auf!“

„Das tun wir, aber die dicken Mauern... Es ist trotzdem immer kalt dort und dunkel. Im Sommer kann man nach draußen gehen, dann geht die Arbeit munter fort. Aber im Winter? Ja, da ist es halt kalt. Manche bekommen schlimme Hände von der Kälte. Das ist sehr schmerzhaft. Dann können sie nur noch das Schreiben beaufsichtigen. Ich bedaure das sehr.“ Hebe ließ ihre Hände zurück in die Ärmel gleiten.

„Hast du auch Schmerzen in den Händen?“

„Ein wenig.“

„Macht ihr eigentlich das Pergament noch selber?“

„Ja, zum Teil. Ich muss das ja nicht machen. - Zuerst müssen wir das Pergament zum Schreiben vorbereiten. Die Tierhäute bekommen wir roh geliefert. Meistens sind es Kalbshäute. Aber die müssen rasch gegerbt, gespalten und geschliffen werden, bis sie hauchdünn sind. Dann werden sie sorgfältig beschnitten und liniert.“

„Und die Farben?“

„Du meinst zum Schreiben? Die Malfarben stellen unsere Schwestern ebenfalls selber her. Nur selten kaufen wir Farben hinzu. - Lieber unterrichten die fähigen Schwestern die Klosterschülerinnen in unserer angegliederten Schule als in der Schreibstube zu arbeiten.“

„Aber ihr habt doch Unterstützung von Laien.“

„Nun ja, die übernehmen häufig die schwersten Arbeiten in der Landwirtschaft und dem Handwerkerhof. Die Schwestern betätigen sich hauptsächlich in Küche und Krankenpflege, Armenbetreuung und Schreibstube. Daneben haben wir eine kleine Krankenstation und die Herberge für Durchreisende. Arme und Kranke werden von unserer Klosterküche versorgt. - Aber gut, die Nonnen arbeiteten in allen Bereichen mit Unterstützung von Laien. Nur in der Schreibstube und der Schule nicht. Genug geschwatzt, ich muss mich aufmachen...“ Behutsam legt Hebe ihre schmalen Hände auf Foelkes Leib und meint: „Ich denke, du wirst ein Mädchen bekommen, Schwesterlein. Mädchen putzen sich erst.“

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