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Kapitel 24 - Ritterschlag in Litauen

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In aller Frühe wurde das Lager abgebrochen und dem Feuer übergeben. Hell loderten die Flammen in den von Rauch verdunkelten Himmel, weithin sichtbar übers ganze Land, verfolgte das abziehende Heer, als es dem Lager den Rücken kehrte. Nun drängte es das Kriegsvolk, endlich dem Feind den blanken Stahl in den Leib zu rennen.

Das Ordensheer schob sich wie ein farbschillerndes Band durchs Land. Nicht Felder noch tiefes Wasser, nicht Moore noch Bäche wurden gescheut. Tausende bahnten sich lärmend den Weg durch die Wildnis.

Weder in Ostfriesland noch in Italien waren Widzelt je solch böse Wege begegnet. Das Heer zog quer durch wüstes Gebiet, hinauf und hinunter, hin und her. Das Fußvolk musste springen und kriechen und über vom Wind entwurzelte Bäume hinwegklettern. In dem Gedränge schrie mancher in Panik: „Die Pruzzen kommen!“ Sie kamen aber nicht. Kein Heer weit und breit, das sie angriff.

Mensch und Tier verletzten sich in dem abartigen Geschiebe, Beine und Füße wurden verrenkt, ausgekugelt, gequetscht, so dass die Wundärzte bei dem Nachtlager abermals sehr viel Arbeit bekamen.

Weil er von einem Saumtier getreten worden war, hinkte Widzelts ’Pascha' so sehr, dass der Junker den Hengst führen musste.

So also zog das Heer ins Land Samaiten. Das nächste Dorf, das ihnen auf dem Weg lag, wurde niedergebrannt. Wohl sechzig Heiden wurden erschlagen. Der Hochmeister schien das zu übersehen! Das hatte Widzelt sich anders vorgestellt.

„Sollen die Heiden nicht zum christlichen Glauben bekehrt werden? Ist nicht das der Sinn dieser Heerfahrt?“ fragte er den Hochmeister.

Kniprodes Antwort auf Widzelts vorsichtige Frage: „Ah ja, eigentlich wohl, aber überlebende könnten Heiden zur Verstärkung herbeiholen und uns in den Rücken fallen. Gefangene können wir noch nicht machen, erst auf dem Rückweg. Zudem, bei kriegerischen Unternehmen müssen wir stets die Wünsche der vornehmen Herren respektieren, die aus dem ganzen Abendland herbeieilen, um bei uns die ’Ritterherrlichkeit’ auszukosten.“ Das klang säuerlich, so als verabscheue er es, die Wünsche anderer Herren zu respektieren. Leise fuhr er fort: „Wir müssen uns hüten, diese ’Gäste’ zu verärgern, denn sie leisten dem Orden wesentliche politische Unterstützung.“

„Eure Güte ist übergroß, hochwürdigste Ehrbarkeit“, murmelte Widzelt unbefriedigt und packte das Ross des Grafen Cilly am Zaum. Der Graf ließ sich aus dem Sattel gleiten. Er schwankte beträchtlich angetrunken und blubberte irgendetwas vor sich hin, was Widzelt nicht verstand. Vielleicht sollte es ein Gruß sein. Aber Winrich von Kniprode ignorierte Hermann Graf von Cilly, wendete sein Pferd und ritt zum Tressler hinüber, grüßte im Vorbeireiten den Herzog von Österreich mit höflichem Kopfnicken, der sein Ross ebenfalls am Zügel führte, und verschwand zwischen den Ordensrittern.

Das lief alles recht friedlich ab. Plötzlich aber riss Graf Cilly sein Schwert aus der Scheide, schwang es hoch in der Luft und sprang gegen den Herzog Albrecht von Österreich. Widzelt zog seinerseits blitzschnell das Schwert und warf sich abwehrend dazwischen, weil er glaubte, der Graf wolle dem Herzog den Garaus machen.

„He, Junker! Weg da! Aus dem Weg! Weg, weg, weg!“, rief der Graf mit hochrotem, aufgedunsenem Gesicht und stolperte auf ihn zu.

Beherzt wich Widzelt nicht von der Stelle. Schon drohte Cilly, ihm das Schwert in den Leib zu rennen, da stieß Herzog Albrecht ihn mit der Faust grob aus dem Weg. Widzelt landete mit der Nase im Dreck und hörte den Herzog blechern gluckern: „Steckt Euer Schwert weg, Junker, ehe er Euch erschlägt. Er ist mein Freund!“

Verdrossen rappelte Widzelt sich auf... und wandte sich sofort wieder voller Ekel ab. Albrechts Panzerkleid - bedeckt von Blut und Hirn und Fleischfetzen.

Zwei Schritte sprang Cilly vor: „Knie nieder!“, rief er fröhlich, „Zum Lobe der edlen Christenheit und zu Ehren der reinen Jungfrau Maria! Besser Ritter als Knecht!“

Dann gab er dem ‚edlen und tugendhaften' Herzog Albrecht von Österreich den ehrenvollen Ritterschlag, denn der Habsburger - das wusste Graf Cilly - war noch nicht in den Ritterstand erhoben worden. Dieses Versäumnis hatte Cilly nun nachgeholt.

Die Zeremonie schien Widzelt zuerst ein Scherz. War aber durchaus nicht so.

Das ist abstrus und grotesk. Ein Schlag mit der flachen, noch bluttriefenden Klinge auf den Helm. Was für ein Ritterschlag ist das? - Keine ehrwürdige Handlung durch den Hochmeister. Nichts von erhabener, feierlicher Stimmung.

Welch majestätischer Rahmen war es in der Corona di Spine, der Hospital-Kirche von Neapel, gewesen, wo die Ritter der Königin Johanna ihre goldenen Sporen erhielten! Wie wunderbar war die Zeremonie in der königlichen Kapelle gewesen! Die herrliche Kirche mit ihren schönen Fresken, die prächtigen Gewänder der Prälaten, der Edlen und Hochwohlgeborenen! Die wunderschöne Königin und ihr Gemahl, Herzog Otto von Braunschweig! Weihrauch, Kerzenduft und Psalmengesang in der Kapelle und Gebete ohne Zahl...

Enttäuscht schrieb Widzelt nach Hause: „Ein Ritterschlag im heidnischen Land, das soll ehrenvoller sein als jeder andere Ritterschlag? ‚Lieber Ritter als Knecht’! So lautet die Formel. Am heutigen Tag wurden noch vierundsiebzig Kriegsleute zu Rittern geschlagen, denn der edle Fürst Albrecht teilte mit dem eigenen Schwert an jeden, der es wünschte, den Ritterschlag aus… Solchen Ritterschlag will ich nicht“, fügte er ernüchtert hinten an.

„Solltest du aber“, äußerte Ocko unwillkürlich und legte missgestimmt den Brief aus der Hand.

Am Tage Sankt Magnus lagerte das Heer wieder. Die schönen bunten Zelte wurden aufgebaut und leuchteten weithin in der flimmernden Sonnenglast. Die farbenfrohen Paniere und Wimpel flatterten im mild säuselnden Augustwind. Das Heer ruhte, schöpfte Kraft für ’große Taten’.

Als sie sich nach einem Tag der Ruhe wieder aufmachen wollten, brach aus dem nahen Gehölz ein Schar gepanzerter Reiter, die gezogenen Schwerter schwingend. Wüst prallten sie auf die Ordensleute und die fassungslosen Krieger empfingen den Todesstoß, fast ohne sich gewehrt zu haben.

Während andere unrettbar versuchten, den Angreifern Paroli zu bieten oder wie betäubt dem Zusammenprall von Ferne zusahen, konnte Widzelt mit Macht eingreifen, denn König Zufall bescherte Widzelt die Gunst, bereits gewappnet zu sein. Dennoch geriet er arg in Bedrängnis, denn es trachteten gleichzeitig drei Reiter nach seinem Leben. Da sprengte von irgendwo ein Ordensritter heran und half mit mächtigen Schwerthieben, die Angreifer zu vertreiben. Damit rettete er Widzelt aus der Bredouille. Auf die toten Leiber rings um sich blickend, dankte Widzelt gefällig und fügte hinzu, dass er dem Ritter sein Leben schulde, aber davon wollte dieser nichts wissen. „Der Hochmeister hat’s befohlen. - Was muss, dass muss“, sagte er nur. Sie sprachen dann nichts mehr miteinander und jeder begab sich zu seinem Haufen.

Der Ausgang des Überfalls zeigte nur allzu deutlich, dass nicht nur die Heiden für ihren Überfall teuer bezahlten, sondern auch die Ordensleute ein hohes Blutopfer darbrachten.

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