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Kapitel 26 - Heidnische Überfälle

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Großes Leid geschah den Heiden. Tagelang zog das Heer im Land aufwärts und abwärts. Allerorts hinterließ es verbrannte Erde, Vergewaltigte und Erschlagene. Weiber und Kinder wurden gefangen und mitgeschleppt. Das Land war reich an Gütern. Der Christen Gewinn war der Heiden Verlust. Man raubte an Gütern, wessen immer man habhaft werden konnte.

Damit die Christen dem Land nicht länger Schaden zufügten und wohl auch, um sie friedlicher zu stimmen, brachten die barbarisch anmutenden Heiden allerlei Hausrat und Lebensmittel ins Lager: Schweine, Schafe, Pferde, Kühe, Honig, Gänse, Hühner und vielerlei mehr.

Widzelt freute sich darüber und glaubte, dass damit das Morden ein Ende haben würde.

Als die Nacht hereinbrach, begaben sich Hochmeister und Gebietiger inmitten der großen Armee zur Ruhe. Behütet von der Ordensgarde und den Brüdern, schlummerten sie erschöpft nach zwei Tagen auf dem Pferderücken.

Sorglos legte auch Widzelt sich neben dem Hochmeisterzelt zur Nachtruhe. So wie Widzelt, dachten wohl auch die aufgestellten Posten, die kaum weniger entkräftet waren als all die Glücklichen, die sich Ruhe gönnen durften.

Im Halbschlaf hört Widzelt merkwürdige Geräusche oder ist es das Lagerfeuer? Gedämpfte Stimmen, das Knacken von Zweigen... Im Dämmerzustand noch hebt er den Kopf. Graue Schatten huschen flink am Rande des Heerlagers umher. Traum oder Wirklichkeit? Sicher Männer, die sich erleichtern wollen, denkt Widzelt und richtet sich müde auf. Ein schlurfendes Geräusch... ganz nah... neben ihm... hinter ihm... oder wo? Er tastet nach seinem Schwert, ganz langsam, ganz vorsichtig… Unvermutet patscht plötzlich von hinten eine Hand auf seinen Mund. - Schreien! Schreien! - Aber noch ehe er einen Laut von sich geben kann, stopft man ihm einen Knebel in den Mund. Der schmeckt widerlich nach Kot. Widzelt dreht sich der Magen um.

Behandschuhte Hände packen blitzschnell seine Arme, drehen sie auf den Rücken. Widzelt fühlt sich bäuchlings in den Dreck geworfen. Man kugelt ihm fast einen Arm aus. Schmerzen durchzucken seinen Körper. Verzweifelt und wirkungslos schlägt er mit den Füßen nach dem Angreifer. Der plumpst auf seinen Rücken; ist merkwürdig leicht. Widzelt fühlt ein Messer an seinem Hals, ist wie gelähmt. Das entsetzliche Mordwerkzeug an seinem Hals, wagt Widzelt nicht, sich zu rühren, lauert erstarrt auf den Garaus... Gleich ist es aus… Heilige Jungfrau, hilf! schießt es ihm durchs Hirn, dann scharfer Schmerz...

„Du heidnischer Bock! Ich schneid’ ich dir die Kehle durch!” zischt jemand und dort hinein schrillt ein Entsetzensschrei, ehe die Stimme gurgelnd verstummt. Merkwürdig, Deutsche, denkt Widzelt.

Heiß rinnt Blut in Widzelts Nacken... Das Gewicht auf seinem Rücken verlagert sich seitwärts, platscht auf den Boden. Grauenhafte Übelkeit würgt Widzelt im Hals und während er hastig den Knebel aus seinem Mund reißt, entleert sich gleichzeitig sein Magen. Aus den Augenwinkeln sieht er, wie sein Lebensretter die Person mit dem Fuß auf den Rücken dreht. Und bei Gott! Es ist eine Frau! Eine sehr schöne Frau sogar. Die Haare sind blutig, aber man sieht, dass sie blond sind, blonde Zöpfe, schlanke Taille, umgürtet mit einem Schwertriemen. Der Dolch ist ihr aus der beringten Hand gerutscht. Er hat eine Krone am Knauf, wie auch der Ring, den die Frau am Zeigefinger der linken Hand trägt. Und all die goldenen Ketten und Armbänder! Das muss wohl eine ganz besondere Person sein. Sie atmet noch. Der Wundarzt muss sich um sie kümmern.

„Wahrhaftig, das war knapp”, schnauft der junge Kerl. „Hat sie dir was getan? Wahrhaftig, die hat’s verdient, nicht? Hat sie’s verdient? Ja, wahrhaftig... Du blutest... Oder ist es ihr Blut?” Er spricht in kurzen, hastig hervorgestoßenen Sätzen.

Von irgendwoher kennt Widzelt die Stimme: „Beides“, sagt er matt und tritt an ihn heran. Düvel! Mir wanken die Knie und nicht nur das. Ihm zittern die Hände… Im flackernden Schein des Lagerfeuers erkennt Widzelt den Briten, dem er beim Übergang über den Memel geholfen hatte, sein Pferd aus dem Morast zu ziehen. Er reicht ihm die Hand, will sich bedanken. Verflucht! Sein Arm schmerzt höllisch!

„Wer ist das? Weißt du, wer sie ist?“

Ehe der Brite ein Wort sagen kann, erhebt sich plötzlich entsetzliches Geschrei im Lager: „Alarm! Heiden im Lager!“

„Zu den Waffen! Ad Arma!“

Irgendwo bimmelt ein Triangel Sturm.

Die Heiden fallen ein wie eine Horde wilder Tiere und brüllen auch so grauenvoll. Sie erdrosseln, erstechen, erschlagen die aus dem Schlaf gerissenen Männer und massakrieren die Pferde. Hasserfüllt - wer kann‘s ihnen verdenken? - hatten die Heiden das Lager überrumpelt. In ihrer Arglosigkeit hatten die Wachen leichtsinnig, wie fast alle im Heerlager, mehr dem Bier zugesprochen als ihnen gut tat. Allein, ihre Vertrauensseligkeit wurde in ihrem eigenen Blut ertränkt.

Zum Glück bedurfte es nur geringer Gegenwehr, um die Heiden wieder zu vertreiben.

Wie alle anderen auch, begibt Widzelt sich erneut zur Ruhe.

Nur noch das Knistern verlöschender Lagerfeuer, unruhiges Stampfen von Pferden und Tragtieren, hier und da leises Schnauben ist zu hören.

Schaurige Laute von Nachtvögeln vibrieren gespenstisch übers Moor.

Schlafes Stille im Heerlager, leises Schnarchen und... ein undefinierbares Knacken und Rascheln.

Plötzlich erhebt sich abermals gellendes Angriffsgeschrei, zu spät, um sich aufzurappeln. Die Wilden sind schon wieder über ihnen. Blitzende Klingen, gurgelnde Laute, das grausige Knacken zersplitternder Schädel, wiehernde Pferde, brüllende Ochsen. Erneut fallen die Heiden über die Heerfahrer her und morden, was ihnen unter Dolch und Krummschwert kommt.

Überraschend, wie sie gekommen sind, verschwinden sie wieder wie Trugbilder im Moor. Nach ihren Blitzattacken suchen die Heiden ihre Gegner mit Irrlichtern ins Moor zu locken. Ganz mit Dummheit geschlagene Recken fallen darauf herein und verfolgen sie in den Sumpf, bleiben stecken und werden erschlagen oder ertrinken schlicht in den Moorlöchern.

Die Überfälle ziehen sich bis zur Frühdämmerung hin und die Morgensonne lässt das Gefilde erglühen in blutigem Rot.

Sie sind feige, denkt Widzelt, aber sie richten damit mehr Übel im Heer an, als es ihnen in der offenen Schlacht gelungen wäre. - Ob das schöne Mädchen noch lebt?

Er schläft darüber erschöpft ein.

Diese Angriffe führen dazu, dass alle Abend um das Heerlager starke Verhaue errichtet und von zuverlässigen Ordensleuten bewacht werden. Fortan kann das Heer unbesorgt ruhen.

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