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Kapitel 25 - Erntezeit im Brookmerland
ОглавлениеUm jene Zeit, Mitte August, zieht der ‚Wedderbaas’ mit an die dreißig angeheuerten Männern ins Brookmerland. Das reife Getreide muss vom Halm.
Zu Walpurgis hatten die Jungkerls nach altgermanischer Sitte geweihte Kränze in den Kornfeldern aufgehängt, um den ‚Bilwitz‘ zu verscheuchen, ein sehr gefürchteter Bösewicht. Es hieß, dass er Menschengestalt annehmen könne, sehr mager sei und einen Rock trage mit langen Schößen und einen sonderbaren dreieckigen Hut auf dem Kopfe. Der Bilwitz gehe durch die Felder und schneide mit der scharfen Sichel, die er am Fuß trage, breite Streifen in die wachsende Feldfrucht. –
Neben der altgermanischen Sitte der geweihten Kränze hatten die Jungkerls nach altem Brauch ebenfalls sieben Bündel aus Reisig zusammengeschnürt und kräftig mit dem Dreschflegel durchgeschlagen, denn das verscheucht die Feldhasen und die Ricke mit ihrem Kitz und all die andern Bodenbrüter.
Das Getreide stand gut im Halm und vielleicht war es so, dass auch Wotan und seine Gemahlin Freya die Fluren in diesem Jahr unter ihren Schutz genommen haben. Wotan fährt als säuselnder Wind über die blühende Saat und schüttelt jeden Halm, damit sich der Fruchtstaub verteilt.
Freya aber zieht in der Morgendämmerung mit ihren Elfen über die Felder, um die Halme zu segnen. Sie hinterlassen dann schmale Pfade, die man ehrfürchtig Elfenpfade nennt, weil man darin die Spuren Freyas und ihrer Elfen zu erblicken glaubt. In diesem Jahr sind die Elfenpfade besonders häufig zu beobachten.
Auch an den Erntetagen wacht Wotan über die Feldfluren und manch einer glaubt, an den ungleich schwankenden Bewegungen der Halme seine Anwesenheit im Kornfeld erkennen zu können. Gewiß wacht er darüber, dass niemand das Korn verderben kann, denn das weiß wohl jedes Kind, dass Wotan den Schädigern der Brotfrucht Wolfsrachen und Eberzahn androht.
Jetzt, zur Erntezeit, sind aber trotz des göttlichen Schutzes seltsame runde Trampelpfade im Weizenfeld auszumachen und es gab kaum einen, der nicht sofort den Bilwitz verdächtigte, den bösen Gnom. Zufällig war da ein ’kurzer’ Wandergesell vorbeigekommen, der trug zwar keine langen Rockschöße und auch keinen dreieckigen Hut, aber immerhin, eine merkwürdige Kopfbedeckung trug er. Der war in seinem einfältigen Verstand bei den Feldarbeitern stehen geblieben und hatte um Geld gebettelt. Die Jungkerls zogen ihn auf, fleißige Helfer könnten sie immer gebrauchen, er solle es vielleicht einmal mit Arbeit versuchen. Ei, entgegnete der Wanderer keck, das Wort nähme er gar nicht in den Mund.
Besser, er hätte keine dusseligen Bemerkungen gemacht und stattdessen geschwind das Weite gesucht, so aber musste er als Bilwitz herhalten und ist nicht ungeschoren davongekommen. Er hat ein gerüttelt Maß Prügel abgekriegt, der gefürchtete Bilwitz. Das ist ein böser Streich gewesen.
Zum Abschluss des Mähens bringt die Burgfrau den Schnittern und Binderinnen mit ihren Mägden die Dankesmahlzeit aufs Feld. Das fällt ihr nicht leicht mit ihrem hohen Leib, aber sie beugt sich der Tradition.
Als Foelke durch das Feld schreitet, leuchten golden die schweren Garben. In diesem Jahr ist die Ernte stattlich ausgefallen. Es duftet wie frisch gebackenes Brot. Wenn das Wetter so bleibt, kann man die Hocken bald dreschen. Die Ernte ist in diesem Jahr überaus üppig ausgefallen und heimlich denken etliche Leute, dass sich die alten Bräuche wohl doch bewähren.
Fröhlich wird Foelke von den Leuten empfangen und eingeladen, nach altem Volksbrauch an dem Feldopfer für die gute Ernte teilzunehmen. Im Schatten ihrer weißen Zelte haben sich die Feldarbeiter zu gemütlicher Runde niedergelassen. Auf schönem Leintuch werden nun Speisen und Getränke ausgebreitet. Gutes, deftiges Brot, Mettwürste, Käse, einen Klumpen Butter und nicht zuletzt Bier und Genever zaubern Burgfrau und Mägde aus ihren Körben.
Ehe man aber zu schmausen beginnt, lässt der Baas (Meister) die Sense noch einmal durch ein Büschel Korn rauschen, dann hebt er die Sense hoch und schlägt mit dem Schleifstein feierlich dreimal an die Klinge. Fast wie Glockengeläut tönt es übers Stoppelfeld. Weihevoll leert er dann seinen Krug Bier auf den Acker, während Binderinnen Brotkrumen darauf streuen.
Wiederum folgt das dreimalige hehre Schlagen auf die Sense.
Gemeinsam rufen nun alle Wotan an. „Wold, Wold, Wold!“, schallt es weithin über das Feld und der Baas meint respektlos zur Burgfrau: „Schaut nicht so verdwast. Das ist althergebrachte Sitte und Brauch, und nützt es nicht, so leidet doch auch niemand.“
„Wo bleibt das Gottvertrauen, Baas? Solltet ihr nicht lieber unseren Herrgott anrufen?“
Da lacht der Baas und meint, sie wären der Tradition verpflichtet. Gott danke man in der Kirche und das geschehe unwandelbar an jedem Sonntag und am Erntedankfest.