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Umbruchserzählung:
Die Etappen der Bier- und Kulturgeschichte

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Wenn wir uns im Folgenden bezüglich der Kulturgeschichte des Bieres und seiner unterschiedlichen Wertzuschreibungen auf eine globale Spurensuche begeben, sind wir uns mehrerer Gefahren bewusst: Zum einen soll trotz des generalistischen Anspruchs der Darstellung nicht der Eindruck einer linearen, kontinuierlichen Entwicklungsgeschichte von Bier und Gesellschaft vermittelt werden. Weder lässt sich das Verhältnis von Mensch und Bier auf einen singulär zu verortenden Ursprung festmachen, noch verläuft die Geschichte bruchlos in die Moderne. Je nach Route hat es das Bier mit zahlreichen Sackgassen und Umwegen zu tun, außerdem liegen weitreichende Innovationen und Veränderungen auf seinem Weg in die Gegenwart. Generell ist die Kulturgeschichte des Bieres ein Mosaik aus zahlreichen geographisch, sozial und historisch teils gravierend divergierenden Strängen. Die im Folgenden präsentierten Kapitel verstehen sich damit in erster Linie als Umbruchserzählungen. Sie dokumentieren besonders dynamische Innovationsetappen der Bier- und Kulturgeschichte.

Die zweite Hauptschwierigkeit besteht darin, innerhalb all dieser kulturell spezifischen Bewertungen des Bieres eine dem globalen Rahmen angemessen gleichwertige Perspektivierung zu finden. Wir sind uns dabei bewusst, wie stark die Kulturgeschichte des Bieres zwangsläufig auch von unserer eigenen europäischen Sichtweise gelenkt wird. Tatsächlich beleuchten die Kapitel vor allem den europäischen, vorderasiatischen und anglo-amerikanischen Raum. Andere Kulturräume werden nur kurz angeschnitten, wenngleich mancherorts beachtliche Bierinventionen gemacht wurden. Zu berücksichtigen ist hier allerdings, dass die Entwicklungslinie der Kulturgeschichte des Bieres mit ihren großen Umbrüchen und Innovationen in weiten Zügen zweifellos auch in realiter von Europa – und hier besonders vom Europa nördlich der Alpen – ausgehend in die Welt verlief. Erst ab dem 18. Jahrhundert gewinnen Amerika und ab dem 19. Jahrhundert der asiatische Raum einen wirtschaftlich und kulturell ähnlich prägenden Einfluss auf die Geschichte des Bieres wie zuvor Europa und auch der Vordere Orient.

Eine Kulturgeschichte, die der wechselhaften Beziehung von Mensch und Bier auf die Spur kommen will, hat es zwangsläufig auch mit den verschiedenen sozialen Milieus zu tun – und genau deren Untersuchung gestaltete sich schwierig: Das von frühester mesopotamischer und altägyptischer Zeit an breit vorhandene Verwaltungsschriftgut dokumentiert in erster Linie den Elitenkonsum sowie den öffentlichen Handel und die professionelle Produktion. Über den tatsächlichen Konsum in den privaten Haushalten der breiten Bevölkerung erfahren wir meist wenig. Auch Gesetzestexte oder religiöse Vorschriften geben uns bis in die jüngste Vergangenheit hinein lediglich fragmentarisch Auskunft über die Mahlzeiten der Bevölkerungsmehrheit und lassen allenfalls Deutungen über Hierarchien, Geschlechterrollen und Konsummengen zu. Allerdings unterscheiden sich Normen, Wissensbestände und Konsumpraxen erheblich. Biergeschichte ist vor diesem Hintergrund vor allem eine Annäherung an ein in mehrfacher Hinsicht fluides Sujet. Und dennoch: Gerade in diesen Lücken und Widersprüchen, Konflikten zwischen öffentlicher Ordnung und individuellem Gebrauch liegt die Spannung, aus der Ernährungsgeschichte ihre Energie gewinnt. Der „global player“ Bier ist ein optimales Brennglas, in dem sich die großen kulturellen Entwicklungen der Geschichte bündeln.

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