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3. Zwischen Euphrat und Tigris Mesopotamien als frühes Land des Bieres
ОглавлениеBereits ab dem 3. vorchristlichen Jahrtausend eröffnen uns Quellen einen lebendigen Einblick in die Geschichte des Bieres zwischen Euphrat und Tigris. Gleichzeitig erfahren wir viel über die Menschen, die es produzierten. Innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit hatte sich die Kulturlandschaft des Vorderen Orients fundamental verändert.1 In Folge eines umfassenden Klimawandels während der letzten Eiszeit (um 13.500 v. Chr.) war der Meeresspiegel rapide gesunken. Die Küstenlinie verlief teils auf der Höhe der heutigen Straße von Hormus, bevor sie mit dem Ende der Kaltphase wieder ins Landesinnere rückte: Etwa vor 6.000 Jahren begann die Küstenlinie wieder nach Süden zu wandern. Im Gebiet von Euphrat und Tigris und den benachbarten Regionen entstanden so fruchtbare, für die landwirtschaftliche Nutzung bestens geeignete Ebenen. Dennoch: Trotz der günstigen Bodenverhältnisse entlang Euphrat und Tigris, deren Schlamm im Süden der Region ein flaches Schwemmland entstehen ließ, war die Situation für die Landwirtschaft unvorteilhaft. Erlaubte das raue Klima im Bergund Hügelland des Nordens Regenackerbau, herrschte im südlichen Mesopotamien für zwei Drittel des Jahres starke Trockenheit. Erst mit der Entwicklung ausgefeilter Bewässerungstechniken konnte eine effiziente Landwirtschaft entstehen. Weitläufige Kanalsysteme ermöglichten eine Überschussproduktion von Getreide, die das Brauen von Bier erlaubte.2
Der „fruchtbare Halbmond“, in dem sich der Ackerbau ab dem 6. Jahrtausend v. Chr. rapide verbreitete, erstreckte sich von der Mittelmeerküste und den heutigen Ländern Libanon und Israel über den Irak bis hinab zum roten Meer. Gesellschaft und Handel in dieser jungen bäuerlichen Welt betteten sich in ein kulturelles und wirtschaftliches Netzwerk ein, das im Norden bis nach Zentralanatolien ausstrahlte, im Süden bis nach Ägypten und bis an den Persischen Golf.
Mit der Etablierung der Landwirtschaft und der damit verbundenen Sicherung der Versorgung ging nicht nur ein Bevölkerungswachstum einher, sondern auch die Gründung erster größerer Städte. Hier, in den frühesten Metropolen der sumerischen Kultur, etwa in Eridu oder Uruk, entstanden bald Schriftsysteme, die das Leben in den zunehmend komplexeren städtischen Gesellschaften dokumentierten. Es handelte sich um eine theokratisch geprägte Kultur. Die Fäden von Politik und Administration liefen in den Tempeln der frühen Stadtstaaten zusammen. Von hier aus lenkten Priesterfürsten, stellvertretend für die Götter der Stadt, das Leben, die Wirtschaft und die Bebauung und Bewässerung des Landes.
Schon zu Beginn der schriftlichen Aufzeichnungen über die frühen Stadtgesellschaften Sumers und später Akkads stoßen wir auf das Getränk Bier.3 Spätestens um 3000 v. Chr. zählte Bier zu den wichtigen Wirtschaftsgütern, die von den sumerischen Gesellschaften in großem Stil produziert und konsumiert wurden. Zeitweise entfiel wahrscheinlich ein Drittel der Getreideernte auf die Herstellung von Bier.4 Ein eigener Brauerstand mit festen Regeln und Hierarchien bildete sich in den Städten heraus.5