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Wenn Frauen brauen:
Bier im Alltagsleben

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Der Konsum und die Produktion von Bier in den mesopotamischen Stadtstaaten verlief auf zwei Ebenen. Kleine Mengen wurden für den Gebrauch in privaten Haushalten produziert. Daneben existierte eine professionelle Brauwirtschaft, die Bier für die Öffentlichkeit, etwa für Feste und besonders als Lohn für die arbeitende Bevölkerung produzierte.

Unser Wissen über die Rolle des Bieres im öffentlichen Bereich verdanken wir vor allem dem ausgeprägten Sinn der Sumerer und ihrer Nachfolgezivilisationen für Bürokratie. Erhaltene Verwaltungstexte geben Auskunft über die Warenströme und Produktionsvorgaben der politischen und wirtschaftlichen Eliten. Besonders über die Maßeinheiten lassen sich Konsum, Zubereitung, Zutaten und kulturelle Wertigkeiten von Bier rekonstruieren. Dazu gesellen sich medizinische Traktate sowie lexikalische Tafeln, auf denen sumerische Begriffe etwa ins Akkadische übersetzt werden.

Die Lebensmittelproduktion und der Verzehr in den privaten Haushalten stand in der Tempelwirtschaft der frühen mesopotamischen Stadtstaaten in Abhängigkeit von den Nahrungszuteilungen der dafür zuständigen Beamten. Gerste war ein zentraler Bestandteil des Arbeitslohns. Zwei bis drei Liter Bier bildeten dabei wohl eine verbreitete Regelmenge. Die enormen Mengen für die Grundversorgung der arbeitenden Bevölkerung erforderten eine Überschussproduktion im Bereich der Getreidewirtschaft und vor allem auch eine Professionalisierung des Brauwesens. Da es sich beim mesopotamischen Bier um ein wenig haltbares Getränk handelte, ist davon auszugehen, dass zumindest in den größeren Städten täglich größere Mengen gebraut wurden.

Über den Alltagsgebrauch in der breiten Bevölkerung Mesopotamiens existieren dagegen nur wenige Aufzeichnungen. Ein Grund dafür mag sein, dass Bier in der Ernährung der einfachen Leute derart gängig war, dass man es nicht für nötig hielt, Trinkmengen im häuslichen Bereich schriftlich festzuhalten.28 Fest steht nur, dass wohl in den meisten Haushalten Bier selbst hergestellt wurde. Die Produktion von Bier gestaltete sich zeitaufwendig. Es scheint daher wahrscheinlich, dass die Arbeit des privaten Brauens nachbarschaftlich geteilt wurde und sich die Familien bei der Produktion gegenseitig abwechselten.29 Als nahrhaftes Begleitgetränk nahm Bier, oft verdünnt mit kaltem Wasser getrunken, einen zentralen Platz in den täglichen Mahlzeiten ein.30 Auch bei der Bewirtung von Gästen in den eigenen vier Wänden stand Bier an erster Stelle. In einem altbabylonischen Brief wird der Gastgeber eindringlich erinnert: „Irisu-matum ist zu Dir gekommen. Verweigere ihm kein Bier, nach dem er fragt. Er ist mit leeren Händen gekommen; sei ihm gegenüber nicht respektlos.“31 Dass im Hause des Besuchten ein Vorrat an Bier vorhanden sei, wird einfach vorausgesetzt.

Als Teil der häuslichen Wirtschaft fiel das Bierbrauen in den Aufgabenbereich der Frauen. Es ist kein Zufall, dass das göttliche Patronat über das Bier mit Ninkasi eine Frau innehat. Zahlreiche Schriftquellen der frühen mesopotamischen Kulturen dokumentieren die Bezüge zwischen den Frauen und dem Bier. So auch im bereits erwähnten Epos von Gilgamesch: Dort lebt am Rande der Welt Siduri – eine Bierbrauerin. Die Bedeutung von Frauen als Bierbrauerinnen zeigt auch ein Gründungsmythos der Stadt Kisch aus dem mittleren 3. Jahrtausend v. Chr. Hier ist es Kubaba, die einzige Frau in der sumerischen Königsliste, die von den Göttern ausersehen wird, über Kisch und die Welt zu herrschen. Ihr Beruf – Kneipenwirtin.

Etwa um das Jahr 2000 v. Chr. hatte Babylon eine Führungsrolle unter den Stadtstaaten der Region übernommen. Seine Lage an der schmalsten Landstelle zwischen Euphrat und Tigris bildete die Grundlage für den dynamischen Aufstieg der Stadt zum wichtigen Handelszentrum Mesopotamiens.

Unter Hammurapi (1792–1750 v. Chr.) eroberte Babylon das alte Reich der Akkader im Norden und die südlichen sumerischen Gebiete und gewann so auch die militärische und politische Vorherrschaft über das Zweistromland. Hammurapis Herrschaft zeichnete sich durch ein effizientes Verwaltungssystem auf der Grundlage neuer detaillierter Gesetze und Regularien aus.

Eine besondere Quelle aus dieser Zeit bildet der Codex Hammurapi aus dem 18. vorchristlichen Jahrhundert. Der ausführliche und vollständig bekannte Text umfasst eine Sammlung von Rechtssätzen und Strafmaßen, die die altbabylonische Alltagskultur und das öffentliche Leben ordnen sollte. Nicht zufällig beschäftigt sich die etwa 3.800 Jahre alte Schrift auch mit dem Brauwesen. So hält sie fest, welche Menge Bier den unterschiedlichen Schichten der altbabylonischen Gesellschaft zustanden: Für Arbeiter sah sie zwei Liter vor, für Beamte und Hohepriester dagegen fünf Liter. Weiterhin regelte der Codex Hammurapi den Verkauf und die Produktion von Bier. So war es Schankwirtinnen untersagt, Bier gegen Geld zu verkaufen. Stattdessen hatte ein korrekter Tausch gegen Gerste zu erfolgen – aus der weiter Bier gebraut werden konnte:

„Wenn eine Schenkin als Bezahlung für Bier kein Getreide annimmt, aber mit einem zu großen Gewichtsstein Geld annimmt, oder/und wenn sie den Handelswert des Bieres im Verhältnis zum Handelswert des Getreides verringert, so soll man diese Schenkin überführen und ins Wasser werfen.“32


Fragment des Codex Hammurapi: Um 1800 v. Chr. hielten Tontafeln die Gesetzgebung des Babylonierkönigs Hammurapi fest. Sie enthielten auch zahlreiche Regelungen zur Abgabe von Bier.

Aufnahme in den Codex fanden auch die zulässigen Bierpreise sowie Qualitätsrichtlinien bei der Bierproduktion. Zudem erfahren wir, dass es Priesterinnen bei Todesstrafe verboten war, derartige Lokale zu besuchen und dort Bier zu trinken.33 Die Strafen bei Nichtbeachtung waren drakonisch: So sollten Verstöße gegen Qualität geahndet werden, indem der Pantscher in seinem eigenen Bier ertränkt wurde.

Auffällig ist weiterhin, wie der Codex Hammurapi in Bezug auf das Gaststättenwesen ganz selbstverständlich die weibliche Form verwendet. Wir haben es bei den Wirten und Brauern auch hier, in der sumerischen Nachfolgezivilisation des 2. Jahrtausends, weiter vor allem mit Frauen zu tun.34 Andere Dokumente belegen dies. Der Codex Ešnunna etwa, ein 3.800 Jahre alter Gesetzestext aus altbabylonischer Zeit, reguliert an zwei Stellen das Brauwesen. In beiden Fällen ist in Bezug auf die Brauer spezifisch von Frauen die Rede. Dennoch fällt auf, dass abseits mythologischer Texte im rechtlichen Schriftgut für den öffentlichen Bereich vor allem die Namen männlicher Brauer überliefert sind. Was steckt hinter diesem Ungleichgewicht?

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