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Motor der Wirtschaft:
Die Bierproduktion in der ältesten Brauerei der Welt

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Eine Reihe archäologischer Belege spricht für eine sehr frühe Bierkultur im Alten Ägypten. Einen besonders dichten Einblick in das Brauwesen und die Organisation des Braubetriebs vermittelt die Ausgrabungsstätte in Hierakonpolis, südlich von Luxor. Bereits in der prädynastischen Zeit ab 4000 v. Chr. entwickelte sich Hierakonpolis zu einem zentralen Machtzentrum am oberen Nil. Für einen Zeitraum von 600 Jahren, etwa zwischen 3500 und 2900 v. Chr., dominierte die Stadt den Handel und die Industrie der südlichen Landesteile. Auf ihrem Höhepunkt lebten hier gut 15.000 Menschen.

Der Fund mehrerer Braustätten in diesem Gebiet elektrisierte die Forschung. Die Größe der Funde legt dabei nahe, dass die Produktion von Bier und womöglich Getreidebrei das wirtschaftliche Hauptstandbein der Stadt bildete. Bereits um 3500 v. Chr. handelte es sich nicht mehr lediglich um eine häusliche, für den Eigenbedarf betriebene Bierproduktion, sondern um eine straff organisierte, gewerbsmäßige Brauerei. Unter einem Hügel von Keramikscherben inmitten des Industriequartiers von Hierakonpolis fand der Archäologe Jeremy Geller im Jahr 1989 vier Tongefäße.19 Aufgrund der Tatsache, dass sie mit Feuer beheizt wurden, identifizierte er sie als Maischebottiche nach heutiger Brautechnik. Jedes dieser Gefäße erlaubte eine Füllmenge von mindestens 390 Litern. In jedem einzelnen der vier mit Feuerstellen ausgestatteten Räume auf dem Gelände befanden sich zwischen sechs und 16 dieser Gefäße. Damit verfügte bereits der kleinste Raum mit seinen sechs Amphoren über einen Ausstoß von über 2.000 Litern, was nicht nur die unmittelbare Versorgung der Stadtbevölkerung gewährleistete, sondern überdies auch noch einen erheblichen Überschuss für den Exporthandel verfügbar machte. Mit einem Alter von etwa 6.000 Jahren gilt die Brauerei in der Grabungsstätte HK24A von Hierakonpolis als älteste gewerbliche Brauerei der Welt.

Ähnliche Stätten von vergleichbarer Größenordnung finden sich nur wenig später etwa auch in Abydos, einem Kultzentrum des Bierund Brotgottes Osiris am westlichen Nilufer oder aus der Zeit der Ersten Dynastie, etwa zwischen 3100–2890 v. Chr. in der Oase und Karawanserei En Besor in der nordwestlichen Negev-Wüste. Hier, entlang der Handelsrouten der ägyptischen Karawanen, sollte nicht nur für eine sichere Übernachtung innerhalb der Mauern der Anlage gesorgt sein. Die Ordnung verlangte es, dass die Reisenden auch auf ihr frisches Bier nicht verzichten mussten.

Angesichts der gewaltigen Mengen produzierten Bieres ist die Frage nach der angewandten Technik der Vergärung dabei besonders interessant. Dass man mit wilden Hefen spontan vergorene, alkoholhaltige Getränke herstellte, scheint angesichts der Professionalisierung und frühen Industrialisierung des Brauwesens in Stätten wie Hierakonpolis unwahrscheinlich. Das Risiko, wertvolles Korn zu verlieren, weil durch unkontrollierte Vergärung eine Charge Bier kippte, war angesichts der produzierten Mengen zu hoch. Heferückstände in Biergefäßen legen nahe, dass spätestens ab 1500 v. Chr. der kontrollierte Umgang mit Hefekulturen bekannt war und in größeren Brauereien berücksichtigt wurde. Aus der späteren, griechisch geprägten Ptolemäischen Epoche ab 330 v. Chr. ist der wichtige Berufsstand des zytomourghos, des „Hefemachers“, überliefert.20 Der altägyptischen Bierkultur ist so mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur eine Pionierrolle in der Professionalisierung des Brauwesens und dem Exporthandel mit Bier zuzuschreiben, sondern auch wesentliche Fortschritte im Verständnis der Hefe und der Vergärungstechnik.

Die lange Tradition der Bierproduktion in Ägypten bestätigen schriftliche Quellen, darunter eine Zeichenfolge für „Bier“, die zu den ältesten Hieroglyphen zählt. Etwa seit der frühen dynastischen Periode (3100–2686 v. Chr.) belegen Handelsschriftgut, Lohnzahlungen, Steuerbelege und Rechnungen, dass Bier schon vor 5.000 Jahren zu den am weitesten verbreiteten Gütern des Reiches zählte.

Eine besondere Stellung kommt dem Bier als Zahlungsmittel zu. Die überwiegend staatlich gelenkte und zentralisierte Lagerung und Verteilung von Getreide spielte auch eine Rolle bei der Entlohnung der Arbeiter und Beamten. Dass sich Angestellte bereits im Alten Ägypten oft ungerecht entlohnt fühlten, zeigt ein Brief aus Deir el- Medinha aus der Zeit um 1200 v. Chr. Ein Mann namens Prehotep beschwert sich darin bei seinem Vorgesetzten, dem Sekretär der Gräberverwaltung, über seinen Lohn:

„Was ist das für eine schlechte Art wie du mir gegenüber handelst? Ich bin für dich wie ein Esel. Wenn es Arbeit gibt, wird der Esel geholt. Dann wenn es Wehklagen gibt, wird das Rindvieh geholt. Wenn es Bier gibt, dann rufst du mich nicht. Wenn es aber Arbeit gibt, dann rufst du mich. Dann mal unter uns gesagt: Bin ich ein Mann, der schlecht ist im Umgang mit Bier? Veranlasse, dass nach mir gerufen wird (wenn es Bier gibt)! […] Ich bin ein Mann, der kein Bier in seinem Haus hat! Ich ersuche meinen Bauch zu füllen, indem ich dir schreibe.“21

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