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Zuihô-in - Im Zuihô Tempel in Kyôto

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Das Tani House ist meine charmante Herberge in Kyôto. Der Eingang liegt ganz versteckt. Eine schmale Pforte führt durch eine Bambushecke, dann ein wenige Schritte langer Pfad neben einem angelegten Teich. Eigentlich ist der Teich eher eine Pfütze, so schmal, dass der japanische Zierkarpfen darin sich kaum umdrehen kann. Ich habe hier nette Leute kennen gelernt: zwei Amerikanerinnen auf Jobsuche im unbekannten Japan, mehrere Biologen, die an einem internationalen Kongress teilnehmen ... Gestern Abend saßen wir noch lange in der winzigen Gemeinschaftsküche, sprachen über die Erdmännchen7 in Tansania und über Gorbatschow und Perestrojka und tranken den unglaublich milden Wodka, welchen die Russen mitgebracht hatten.

Heute habe ich schon früh am Morgen das Tani House verlassen, trotz Restmüdigkeit. Auf meinem Besichtigungsprogramm steht der Zuihô-Tempel mit seinem Steingarten. Mit dem Bus fahre ich hin. Ein schmaler, gewinkelter Steinplattenweg führt hinein. Alles ist leer. Offenbar bin ich der erste Besucher heute Morgen. Ich hocke mich auf die hölzerne Veranda und sehe mir den Steingarten an. Er ist ganz anders als der erhaben-leere Garten des Ryoan-ji. Dessen Steine sind spärlich-vereinzelte Felsinseln, verloren in der weiten Fläche aus weißem, gerechten Kies. Wenn man den Garten im Ryoan-ji betrachtet, so findet man zunächst kein ästhetisches Konzept, keinen Ausdruck, keine Botschaft, keinen Sinn. Die vorhandenen Felsbrocken scheinen den Eindruck von Leere noch zu verstärken. Dieser Garten ist dagegen geradezu expressionistisch. Die Felsen sind wild gezackt, ihre Spitzen ragen wie Lanzen in die Luft. Sie schwingen sich auf zu einem großen Felsen rechts hinten im Eck. Der Kies ist zu brandenden Wogen geformt. Dieser Garten hier will etwas ausdrücken: Der große Fels im Eck stellt den erleuchteten Menschen – den Bodhisattva – dar, der unbeeindruckt ist von den Anfechtungen, Ablenkungen und Versuchungen – dem Samsara, das ihn umgibt.


So sitze ich, ein wenig müde noch vom gestrigen Abend, ganz alleine auf der Terrasse und betrachte diese fremdartige, expressive Gartenlandschaft. Ich höre Schritte: Platsch, platsch, platsch. Ein Zen-Mönch kommt um die Ecke, barfüßig, in ein knielanges Gewand gehüllt, ein Grinsen auf dem runden Gesicht. Als er mich sieht stutzt er. „Hoh! You have to sit straight!" Mit ein paar Schritten ist er bei mir, klopft mir auf den Rücken, und erklärt mir in ein wenig holperigem Englisch, dass dieser Garten hier ein Ort der Meditation ist. Dazu gehört aufrecht zu sitzen. Ob ich denn schon etwas über die Zazen-Meditation wüsste? Ich bejahe die Frage, und erkläre, dass ich es auch selber versucht hätte. Allerdings hätte ich dabei keinen richtigen Lehrer gehabt. Er tritt zur Seite, öffnet eine Schiebetür und winkt mich heran. Der Raum dahinter ist mit Matten und zahlreichen Sitzkissen ausgelegt. Durch die Papierbespannung dringt halbdunkles Licht. An einer Stelle sind die Schiebetüren zur Veranda geöffnet, jedoch wurde eine Absperrung aufgestellt.

Er platziert mich auf einem Kissen und setzt sich daneben. Wichtig wäre es, aufrecht zu sitzen und richtig zu atmen. Er macht es vor: „In" einatmen und „Outo" ausatmen. (Im Japanischen gibt es keine freistehenden Konsonanten. So spricht ein Japaner „t" meist als „to" aus, mit kurzem stimmlosen „o".) Er nimmt meine Hand und legt sie bei sich auf den Bauch: „In ... Outo". Beim Ausatmen wölbt sich der Unterbauch vor, nicht beim Einatmen! Ich frage noch einmal nach. Ja, beim Ausatmen. Dann bin ich dran. Er streckt seine Hand bei mir vorn in die Hose, ziemlich tief sogar. Ich bin etwas peinlich berührt, aber schiebe das beiseite und bemühe mich richtig zu atmen. „In ... Outo". Nachdem ich es ein paar Mal gemacht habe, scheint er zufrieden zu sein. Mit den Worten: „Please feel free to sit as long as you like" lässt er mich in dem Raum zurück und verschwindet durch eine Schiebetür.

Völlig unverhofft übe ich nun Zazen-Meditation. Ich bemühe mich, die gezeigte, seltsame Atemtechnik beizubehalten. Das muss ich erst einmal probieren.

Inzwischen kommen auch die ersten Touristen. Sie lugen über die Absperrung in den Raum hinein, wo ich sitze und machen Fotos. Soll ich mich davon ablenken lassen? Natürlich nicht, ich ignoriere sie, so gut es geht, und bleibe bei meiner Zazen-Übung.

Schließlich ist es genug und ich höre auf mit der Meditation. Eine dreiviertel Stunde ist vergangen. Ich gehe zurück auf die Terrasse. Dort treffe ich wieder auf den Mönch. Er grinst und fragt, wie ich zurechtgekommen wäre. Wir unterhalten uns noch, dann entschuldigt er sich, er müsse in Kürze eine Gruppe von Besuchern empfangen, und wir verabschieden uns.

Um Zazen korrekt zu praktizieren, sind mehrere Aspekte von Bedeutung: In erster Linie geht es dabei um Konzentration, jedoch sind Atmung, Haltung und Spannung wichtige Elemente einer wirkungsvollen Meditation. Die Bedeutung dieser vier Aspekte in der Kampfkunst ist ebenso grundlegend.


Die Elemente des Zen in der Kampfkunst

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