Читать книгу Adoption - Hannelore Kleinschmid - Страница 12

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Auf den Kindergarten folgt in jenen Jahren die Vorschule für Fünfjährige. Die Kinder gehen wie die Größeren in die Schule und werden dort von acht bis zwölf Uhr betreut, meistens von zwei Erzieherinnen. Eine gute Einrichtung, deren Grenzen allerdings von Winston getestet werden:

Der Klassenraum liegt im Erdgeschoss. Winny öffnet das Fenster, als habe er nie vernommen, dass das nur von den Lehrerinnen gemacht wird. Er klettert auf die Fensterbank und steht im offenen Fenster. Er reagiert nicht, als er von dort augenblicklich herunter kommen soll. Vielmehr springt er aus dem Fenster auf den Schulhof. Die Lehrerin schimpft und verlangt, dass er sofort in die Klasse zurückkehrt. Sie schließt das Fenster. Draußen schreit Winny, er wolle hereingelassen werden. Sie öffnet das Fenster und weist ihn an, durch die Schultür und den Flur in die Klasse zurückzukehren. Nach einiger Zeit bequemt er sich dazu, nicht ohne im Flur lärmend zu protestieren, während in den Klassenräumen Unterricht abgehalten wird. So kommt er zurück zum Vorschulunterricht, und noch bevor die Lehrerin etwas sagen kann, klettert er auf die Fensterbank und reißt das Fenster auf, beginnt sein Spiel von neuem.

Beate reagiert hilflos, als ihr das berichtet wird. Sie hat keine Ahnung, wie sich eine Erzieherin aus dieser Situation retten könnte

Winston ist klug genug zu wissen, was er tut.


Zu Hause gibt es Krach. Jeden Tag.

Beate hat das Gefühl, aus dem Schreien und Schimpfen nicht herauszukommen. Abends nimmt sie sich ganz fest vor, am nächsten Tag gelassener zu reagieren.

Es gelingt nicht. Sie hat wieder geschrien, nimmt sich wieder Besserung für den nächsten Tag vor und gerät in den immer gleichen Strudel. Winny scheint sich überhaupt nicht darum zu kümmern, dass geschimpft wird. Sie hält sich für eine schlechte Mutter oder genauer: eine ungeeignete Erziehungsberechtigte.

Die Schwiegermutter verlangt, Beate und Benno müssten strenger und konsequenter sein und den ganzen antiautoritären Kram komplett vergessen.

Beates Eltern halten sich fern und äußern, dass ihnen die Tochter leid tue.

In schneller Folge fordert Winny der Mutter tagtäglich Entscheidungen ab. Sie bedauert, in Momenten, in denen Erziehung verlangt wird, nicht einfach sagen zu können: Augenblick mal! Ich muss erst nachdenken, was ich sage und tue.

Von anderen Müttern sammelt sie gute Ratschläge zu Hauf.

Was sie weiter verunsichert.

Beate hat es im schlauen Buch über Kindererziehung gelesen, und beredet haben beide Eltern, wie genau sie beachten wollen, dass sich Winston nicht zurückgedrängt fühlt, als Jana, die Baby-Schwester, in der Familie erscheint. Besonders für die Mutter beginnen nun Jahre, in denen sie sich ständig bemüht, beide Kinder gleich zu behandeln. So gut es geht!

Beim Vater erscheint es zunächst ganz natürlich, dass ihm Winny näher ist als der Säugling, der seit seinen ersten Tagen auf der Welt seinem Begehren laut Nachdruck verleiht. Janas Stimme ist kräftig und veranlasst eine kinderlose Nachbarin zu fragen, ob das Baby nicht gesund sei, weil es im Garten so durchdringend schreie.

Die laute Stimme erweist sich als glückliche Fügung, denn der Bruder gibt in den nächsten Jahren der kleinen Schwester immer schnell die Spielsachen zurück, die er eben mal ganz dringend benutzen oder besitzen wollte. Das Zusammenspiel der beiden Kinder regelt sich auf diese Weise oft von selbst. Der temperamentvolle Junge verhält rücksichtsvoll zu seiner Schwester, scheut selbst vor Küsschen und Umarmungen nicht zurück. Zärtlichkeiten, die nicht üblicherweise zu seinem Repertoire gehören.

Seit dem Umzug ins kleine Haus teilen sich die Kinder ein großes Zimmer. Noch bevor Jana ein Jahr alt wird, werden zwei Matratzen, hintereinander die Wand entlang gelegt, zum Schlaf- und Spielplatz, Herunterfallen ist kein Problem. Schon früh staunt das Baby darüber, was der Bruder ihm vormacht, was er alles kann.

Winny allerdings begreift bei der ersten Ausfahrt mit dem Kinderwagen überhaupt nicht, dass das interessante rollende Gefährt nicht für ihn, sondern für das Baby vorgesehen ist. Eine kurze, aber heftige Trotzattacke folgt. Doch es bleibt stets wichtiger für ihn, die Schwester zu haben.

So bleibt es.

Jana sagt zurückblickend:

Winny löst in mir positive Gefühle aus. Ich hatte einen großen Bruder, mit dem ich zusammengehalten habe. Er hat mich beschützt und niemals gesagt: Nein, du darfst nicht mitspielen! Im Gegenteil, er hat erklärt: Das ist meine Schwester, und die macht mit.

Wenn mich jemand darauf angesprochen hat, ob der freche Winston mein Bruder sei, habe ich Ja geantwortet. Und das war‘s!

Die Tochter entspricht den Erwartungen der Eltern, ohne dauerhaft brav oder eine Duckmäuserin zu sein. Dass sie zu angepasst werden könnte, fürchtet Beate in dieser schwierigen Zeit.

Jana hält zu ihrem Bruder, verrät Winny nicht an die Eltern, die vieles nie erfahren, was zusätzlichen Ärger heraufbeschworen hätte. Und sie sucht ihre eigenen Lösungen für Konflikte. Sie verhält sich oft, als sei sie die Ältere. Auf diese Weise passt sie sich an die schwierige Situation an.

Jahre später findet die Mutter einen Zettel, auf dem die kleine Schwester mit noch ungelenker Hand geschrieben hat, Winny solle sich bei Papa und Mama entschuldigen. Dafür gebe sie ihm 50 Pfennige. Vom eigenen Taschengeld.

Als sie Ehefrau und Mutter wird, gehört es zu Janas Verhaltensmuster, stets zuerst darauf zu achten, ob Mann und Kinder zufrieden und glücklich sind. Sie denkt selten darüber nach, was sie sich selbst wünscht. Jetzt, in diesem Augenblick. Vielmehr tut sie alles für die anderen. Herrscht dann um sie herum freundliche Ruhe, kann auch sie entspannen.

Sie stehen krumm und verspannt, als belaste Sie die Verantwortung, für den inneren Frieden der anderen sorgen zu müssen.

Die Worte der Physiotherapeutin machen Jana nachdenklich.

Mama, du bist viel zu nachgiebig. findet ihre Tochter heraus. Um gleich darauf über dringend benötigte neue Schuhe zu verhandeln.

Adoption

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