Читать книгу Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln - Arved Fuchs, Hannes Lindemann - Страница 10
Vom Einbaum zur Yacht
ОглавлениеDiese Liebe war die LIBERIA IV, eine kleine rote Yacht und mein viertes Boot, das den Namen LIBERIA trug.
Liberia erhebt den Anspruch, ein „Land der Freiheit“ zu sein; dort hatte ich einige Jahre als Arzt gearbeitet und geschwitzt, dort hatte ich mir die beiden ersten Boote selbst gebaut. Die Geschichte Liberias heißt Kampf mit den Elementen, heißt Urtümlichkeit und Härte.
Eine Ausnahme hatte die erste LIBERIA gemacht, ein liberianischer Einbaum. Sie war weich wie Butter gewesen; die Insekten hatten sie im Dschungel vor meinen Augen verzehrt, zum Hohn der Chemie mit ihren schädlingsbekämpfenden Produkten. Meinem Hausboy war die brillante Idee gekommen, die Schädlinge auszuräuchern. Er ließ das Feuer schwelen, und diese anstrengende Arbeit setzte ihm so zu, daß er schläfrig wurde. Als ich abends nach Hause kam, stand das Boot lichterloh in Flammen. Und der Boy schnarchte dazu in seiner Kammer – – –
Die LIBERIA II hatte anfangs ähnliche Neigungen gehabt. Da aber war mein Zorn erwacht, und ich hatte sie über den Atlantik geknüppelt.
Auch dieses Boot war ein Einbaum gewesen, das schmalste Schiff der Geschichte, das je ein Meer bezwang. In ihm wollte ich als Arzt brennende Seenotfragen lösen; unter extremsten Bedingungen am eigenen Leib erproben, wie sich ein Schiffbrüchiger physiologisch und psychisch verhalten muß, wenn er überleben will.
Der Einbaum legte 5000 Seemeilen zurück, ohne Unfall. Er erreichte sein Endziel Haïti – was will der Mensch noch mehr?
Man kann nie wissen, was er will. Zu meiner eigenen Überraschung entschloß ich mich, den gleichen Versuch noch einmal zu unternehmen, dieses Mal in einem Serienfaltboot, einem Klepperboot, der LIBERIA III.
Diese zweite Atlantiküberquerung war ebenfalls kein Segelabenteuer, sie war ein medizinisches und darüber hinaus ein psychologisches Wagnis: zum ersten Mal hatte sich hier ein Mensch mit Hilfe des Autogenen Trainings, einer Art Selbsthypnose, auf ein normalerweise undurchführbares Unternehmen vorbereitet, um zu beweisen, daß im Unterbewußtsein ungeheure Kraftreserven schlummern, die bei übermenschlichen Anstrengungen sinnvoll genutzt werden können und zu ganz außergewöhnlichen Leistungen befähigen.
Nach 76 Tagen war ich an meinem Endziel eingetroffen, St. Thomas in der Karibischen See. Fünfzig Pfund hatte ich abgenommen, der Puls war bis auf 32 gesunken, die Gelenke waren etwas versteift, doch konnte ich gehen: ich kletterte allein aus meinem Boot. Erwartet man einen Freudentanz nach diesem grausamsten aller Selbstversuche?
Die Fahrt war ein großer Erfolg – heute werden in den Vereinigten Staaten und in Rußland die Shephards und Gagarins auf ähnliche Weise vorbereitet.
Die LIBERIA III kann sich rühmen, das kleinste Boot zu sein, das je über einen Ozean segelte. Aber ich möchte jeden davor warnen, etwas Ähnliches zu unternehmen. Die Aussichten, lebend drüben anzukommen, sind minimal. Mehr als zehn Jahre hatte ich mich auf diese Fahrt vorbereitet, zweimal zuvor war ich gestartet und wieder umgekehrt. Weltrekorde kann man heute nicht mehr auf Anhieb erringen. Man braucht viel mehr dazu als Mut und guten Willen.
Jetzt lag in Vigo die LIBERIA IV, das seefeste, rundliche Gegenstück ihrer zwei winzigen Vorgänger. Sie war neun Meter lang, 3,20 Meter breit und besaß bei vollen Tanks einen Tiefgang von 1,80 Meter.
Die Bootswerft Heinrich Hatecke in Freiburg an der Niederelbe hatte sie für mich gebaut, die Güldnerwerke versahen sie mit einem Motor. Verschiedene Firmen, das Hydrographische Institut in Hamburg, das Amt für Seeverkehr, das Meteorologische Institut, das Institut für Netz- und Materialforschung, der Germanische Lloyd und nicht zuletzt meine Freunde von der „Seglervereinigung Freiburg“ halfen sie ausrüsten.