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Von Schlangenfett, blauen Flecken und Schildläusen

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Die Kathedrale von Las Palmas wird von großen, metallenen Hunden bewacht, deren Ahnherren den Inseln den Namen gaben. Nicht weit von dem ehrwürdigen, stillen Gebäude wird es laut und bunt: dort liegt der Markt, auf dem man von weißen Mäusen über alte, verschimmelte Bücher bis zu modernen Kameras fast alles kaufen kann.

Im Schatten einer Mauer hockte ein Bauer inmitten wahrer Berge von selbstgepflücktem Salbei, Süßholz- und Enzianwurzeln. Neben ihm hielt ein intelligent aussehender älterer Händler ominöse Präparate feil.

„Dr. Vander, Biologe“, stellte er sich vor. „Was wünschen Sie, mein Herr? Haben Sie Rheumatismus? Hier ist das beste Schlangenfett zur Kur. Und diese kleinen Flaschen enthalten ein wirksames Wurmmittel, aus einheimischen Pflanzen hergestellt. Bitte schauen Sie sich einmal dieses Thermometer an, das habe ich selbst fabriziert.“

Das Thermometer war ein kleines Meisterwerk; die Temperatur wurde durch eine gefärbte Flüssigkeit angegeben. Dr. Vander – der Himmel weiß, wie er wirklich hieß – hatte regen Zuspruch. Er war felsenfest davon überzeugt, der Menschheit von allergrößtem Nutzen zu sein. Nun, für Las Palmas wollte ich das schon gelten lassen; ich hatte dort einmal für kurze Zeit an einem Krankenhaus hospitiert und kannte die örtlichen Verhältnisse.

In der Markthalle kauften wir verlockende Früchte von gewaltigen, vielfarbigen Obstpyramiden herunter: fetthaltige Avokado-Birnen, die die bestschmechende Mayonnaise abgeben, Äpfel, Anona-Früchte, Kirschen, Tomaten, Bananen, Orangen … Freundliche Marktfrauen schenkten Niña ein paar andere tropische Früchte, nach denen sie sich neugierig erkundigt hatte: Papaya, kanarische Quitten und Süßkartoffeln.

Mit Früchten reich beladen ließen wir uns an dem besuchtesten Strand der Kanarischen Inseln, Las Canteras, nieder, der durch ein die Bucht abriegelndes Felsenriff gegen Seegang geschützt ist.

Anfangs weigerte Niña sich hartnäckig, vor aller Augen ins Wasser zu gehen: sie ist nicht etwa wasserscheu, sondern sie schämte sich der vielen blauen Flecken an Armen und Beinen – Souvenirs aus dem Zyklon. Ich tröstete sie mit dem Hinweis, daß die Damen für farbenreiche Blutergüsse viel anfälliger seien als das härtere Geschlecht.

Am Abend bummelten wir durch die Ciudad Jardin, die Gartenstadt von Las Palmas, und gönnten uns einen Cocktail im Luxushotel Santa Catalina, dessen wohlgepflegte Parkanlagen an das Pueblo Canario, eine besondere Touristenattraktion, grenzen.

Jeden Sonntag kann in diesem „Kanarischen Dorf“ der umworbene Tourist eine Gruppe von Canarios bewundern, die in ihren bunten, in Wirklichkeit längst nicht mehr getragenen Trachten tanzen und singen. Das Pueblo Canario verdankt seine (ein wenig kunstgewerbliche) Existenz einem Einfall des kanarischen Malers Nestor, der es entwarf und bis ins Einzelne durchdachte – selbst die Muster der kanarischen, handgewebten Trachten stammen von seinem Reißbrett.

In den folgenden Tagen zeigte ich Niña die Insel: ein Miniatur-Kontinent mit wechselnden Landschaftsbildern. Von rauhen, nackten Bergen blickt man auf tropisch reiche Fruchtplantagen und üppige Gärten, in denen es duftet und blüht.

Die Kanarier leben hauptsächlich vom Ertrag dieser Plantagen: sie führen Bananen, Tomaten, Frühkartoffeln und Zwiebeln aus. Um das Jahr 1500 legten sie große Zuckerrohrfelder an. Als Kolumbus das Zuckerrohr jedoch nach Kuba brachte, verdrängte der Kubazucker den kanarischen bald vom Markt. Von Amerika führten die erfinderischen Inselbewohner dann Opuntien ein, auf denen sie Schildläuse – Cochenilles – züchteten, deren Farbstoff „Karmin“ die Lippen unserer Großmütter rötete und noch heute die Teppiche der Perser färbt. Deutschlands Anilinstoffe raubten den Tierchen ihre Existenzberechtigung, sie lebten zu teuer. Aber die klugen Kanarier wußten wieder Rat: sie sattelten auf Obst und Gemüse um!

Nach allen diesen Exkursionen flog die Niña nach Deutschland zurück und konnte bis zu meiner Ankunft auf den Karibischen Inseln nur brieflich an der Weiterfahrt teilnehmen. Das bedeutete aber nicht, daß sie sich nun weniger Sorgen gemacht hätte. Ganz im Gegenteil!

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