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Hochmoderne Tintenfische

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Vor allen meinen Fahrten hatte ich mir bei der Überholung meiner Boote von Migo helfen lassen, der im Hafen von Las Palmas eine kleine Werkstatt besitzt. Migo war jedesmal hocherfreut, wenn er seinen Aleman bedienen konnte, wenn er ihm Dreizack oder Harpune schmieden durfte. Jede Bezahlung lehnte er entschieden ab. Auf meiner Faltbootfahrt hatte ich ihm versprochen, beim „nächsten Mal“ werde ich ihn auf eine Sonntagstour mitnehmen. Nun freute er sich wie ein Kind, mich wiederzusehen und wählte eine nächtliche Fischfahrt, um das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden.

So kam er denn eines Samstagsabends mit zwei befreundeten Fischern an Bord der LIBERIA, und kurze Zeit später lichteten wir den Anker und kreuzten uns in nordöstlicher Richtung vorwärts. Die Fischer brachten zwei Fackeln aus ihrem Gepäck zum Vorschein, die aus zwei Ofenrohren voller öldurditränkter Lappen bestanden.

Als wir etwa zwölf Meilen vom Land entfernt waren, ließen wir das Boot vor Topp und Takel dwars zum Wind2 dümpeln. Die beiden Fischer waren darauf vorbereitet, Haie, Schwertfische oder große Thunfische zu angeln, und ihrer Ausrüstung, ihrer abgerissenen Arbeitskleidung und ihren früheren Erfolgen nach zu schließen, durften wir mit einem ausgezeichneten Fang rechnen.

Aber nach zwei Stunden vergeblichen Angelns, wobei die drei ihre schönsten Witze zum besten gaben – eine Nationalleidenschaft der Spanier –, war keiner von ihnen enttäuscht, nur ich. Geduldig wechselten sie ihr Angelgerät und suchten jetzt nach Tintenfischen, die auf den Inseln eine Art von Volksnahrungsmitteln sind.

Während die LIBERIA in der hohen Atlantikdünung ganz abscheulich dümpelte, zogen unsere Fischer bereits nach kurzer Zeit die ersten glitschigen Tintenfische an Bord, quetschten ihnen mit der Hand die Augen aus und warfen die etwa fünf bis zwanzig Pfund schweren beutelförmigen Tiere auf das saubere Waschdeck.

Spanier, Franzosen und Italiener verstehen Tintenfische so hervorragend zuzubereiten, daß selbst der Nordeuropäer im allgemeinen seinen Ekel vor dem häßlichen Tier vergißt und es mit Genuß verzehrt. Die Tintenfische zählen zu den Kopffüßlern, die als Oktopoden acht und als Kalmare zehn Fangarme besitzen. Da sie so abscheulich aussehen, sind sie dem Menschen wenig sympathisch.

Tintenfische sind archaische Tiere mit hochmoderner Ausrüstung: sie bedienen sich der Rückstoßwirkung eines nach vorn ausgestoßenen Wasserstrahles, um rückwärts zu schwimmen – eine Art von Düsenantrieb. Zu ihren Leckerbissen gehören Muscheltiere, die sie entweder mit ihrem Papageienschnabel zerknachen oder aber durch einen Trick öffnen: sie schieben einen Stein zwischen die Schalen und saugen dann in aller Ruhe die Austernmahlzeit aus.

Früher waren die Tintenfische selbst einmal Schalentiere, aber da sie mehr Wert auf Intelligenz als auf einen Panzer legten, ließen sie die Schalen verkümmern. Sie sind erregbar, nervös und tatsächlich äußerst intelligent. Im Vergleich zu ihren hochentwickelten, umheimlichen Glotzaugen ist das menschliche Auge winzig klein.

Tintenfische – nur wenige Arten erzeugen Tinte – sind die Champions der Farbanpassung, der Camouflage; ihnen gegenüber nimmt sich selbst ein Chamäleon wie ein Anfänger aus. Treiben sie in Planktonwolken, können sie sich durchsichtig machen, schwimmen sie im türkisfarbenen Wasser der Kariben, nehmen sie eine grünblaue Farbe an, im lehmigen Wasser der Flußmündungen werden sie lehmfarben, auf Sandboden gelb, und im Aquarium wechseln sie ihre Farbe je nach der Umgebung. Ihr Farbspiel gibt alle Stadien der Gemütserregung wieder: Furcht vor dem Feind, Eifer bei der Nahrungssuche, Liebesleidenschaft.

Sie sind Nachttiere, die wie Falter von unseren Lichtquellen angezogen werden. Neugierig stürzen sie sich auf den Lichtköder der Fischer und lassen sich meist mühelos an Deck ziehen. Was sie in den dunklen Tiefen der Meere an Leuchtwundern vollbringen, das kann mit der besten bengalischen Beleuchtung konkurrieren.

Selten wird ein Oktopus über zweieinhalb Meter groß, aber andere Mitglieder seiner Familie, die Riesenkraken, erreichen um so größere Ausmaße. Der Laie kennt sie aus Jules Vernes Roman „20.000 Meilen unter Meer“, wo sie mit der Mannschaft des „Nautilus“ kämpfen, oder aus Victor Hugos Buch „Die Arbeiter des Meeres“, in dem beschrieben ist, wie sie einen Menschen „inhalieren“. An der Ostküste Neufundlands strandete einst ein Riesenkrake von siebzehn Meter Länge!

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