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Sie suchen das große Abenteuer

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Der Hafen von Las Palmas, Puerto de la Luz, besitzt nicht nur die interessante Atmosphäre eines jeden größeren Hafens der Welt, sondern er hat darüber hinaus noch einige besondere „Qualitäten“. Zum Beispiel war er jahrelang als Sammelpunkt der Abenteurer aus allen Ländern verschrien. Gestalten, denen die Verzweiflung im Gesicht geschrieben stand, trieben sich dort herum und versuchten, um jeden Preis nach Amerika zu gelangen. Mir selbst wurde einmal angeboten, ein Fischerboot mit sieben illegalen Auswanderern nach Venezuela zu bringen.

Bei einem solchen Publikum und bei der Patiencia der dortigen Polizei ist es nicht weiter verwunderlich, daß Yachten das Tauwerk vom Deck gestohlen wurde, während die Besatzung unten schlief. Nicht genug damit: es passierte – um nur einen Fall von vielen herauszugreifen – der Yacht „Bernina“, daß Diebe im Dunkel der Nacht sogar ins Vorschiff eindrangen und den Proviant herausholten. Sie flohen erst, als der Kapitän sie mit Donnerstimme vertrieb.

Die Besatzung einer anderen Yacht wachte davon auf, daß ihr sauber lackiertes Boot gegen die schmutzige Mole schlug: unbekannte Bösewichter hatten die Ankertrosse durchschnitten und geraubt!

Sogar entführt wurde ein Boot, und zwar 1947, mitten aus dem Yachthafen heraus. Die beiden Diebe, die weder etwas von Navigation noch vom Segelflicken verstanden, wurden drei Monate später von einem amerikanischen Dampfer vor Neufundland halb ohnmächtig aus dem inzwischen übel zugerichteten Kahn geholt. Sobald sie wieder bei Sinnen waren, hatten sie nichts Eiligeres zu tun, als politisches Asylrecht zu verlangen, und trotz des verzweifelten Protestes der Yachtbesitzer ging ihre Rechnung auf: sie kamen ungeschoren davon und wurden nicht bestraft.

Heute aber sei alles anders, versicherten mir meine Freunde. Im ganzen letzten Jahr nicht ein einziger Diebstahl! Ein Wächter sorge jetzt für Ordnung!

Eine der auffallendsten Gestalten, die je Las Palmas angelaufen haben, war der Deutschbalte Georg Puchert, den ich schon in Tanger einmal getroffen hatte. Puchert stammte aus Libau, im Baltikum, hatte im Zweiten Weltkrieg bei der Kriegsmarine gedient und sich 1948 kurz nach der Währungsreform in einem Kutter nach Tanger abgesetzt. Wenn in Tanger damals die beste Zeit für Geschäfte auch schon vorbei war, so fand er doch bald Anschluß an einen internationalen Schmugglerkreis und arbeitete sich zum „Kapitän“ empor. Sein Spitzname „Captain Morris“ verriet seine Schmuggelware: die Zigarettenmarke gleichen Namens.

Als ich Puchert in Tanger traf, wohnte er auf einem Boot; die Polizei erlaubte ihm nicht, an Land ansässig zu werden. Er hatte sich ein Kapitänspatent der zentralamerikanischen Republik Costa Rica gekauft und seine „Fischerboote“ in dem vergessenen Hafen Puerto Limon an der Karibischen See registriert. Seit 1953, also seit der Zeit, da die Marokkaner ihren Unabhängigkeitsfeldzug aktivierten, verlegte sich Puchert immer mehr auf den Waffenhandel und geriet deswegen in Konflikt mit der französischen Abwehr, die 1957 zwei seiner Konterbandeschiffe durch Haftladungen in die Luft gehen ließ. Das hinderte Puchert aber nicht, noch enger als bisher mit Marokkanern und Algeriern zusammenzuarbeiten und bald zu ihrem wichtigsten Waffenlieferanten zu avancieren.

In Las Palmas traf ich Puchert 1956 auf einer Gesellschaft wieder. Er erschien in Begleitung seiner damals fünfzehnjährigen Tochter Marina, die aus einem Londoner Internat herübergekommen war und ihre Ferien bei ihrem Vater verbrachte. Sie schien intelligenter und vernünftiger zu sein als er und mußte mehrmals vermittelnd eingreifen, wenn er Streit vom Zaun zu brechen versuchte. Puchert tat so, als ob es keinen ehrsameren Beruf als den eines Schmugglers gäbe und wurde böse, als ich diese Ansicht nicht unbedingt teilen wollte. Meinen Plan, den Atlantik in einem Faltboot zu überqueren, hielt er für völlig undurchführbar und wettete um eine Kiste Sekt, daß ich nie ankommen würde.

Die Kiste Sekt habe ich zwar gewonnen, doch nie bekommen. Denn Pucherts gefährliches Spiel, das er allen Warnungen zum Trotz nicht aufgeben wollte, fand bald ein gewaltsames Ende. In Frankfurt explodierte eine Haftladung, als er seinen Wagen anlaufen ließ …

Für die LIBERIA kam allmählich die Zeit der Abfahrt. Herr von Thun von der früheren Wörmann-Linie lud mich ein, auf seine Werft zu kommen, damit er den Ausbau und das Dichten meiner zerschlagenen Tanks überwachen könne. Da er früher selbst ein Boot gehabt, dazu noch vielen Seglern mit Rat und Tat beigestanden hatte, konnte ich mich voll und ganz auf ihn verlassen. Das Cockpit mußte ganz aufgerissen werden, damit man die großen Tanks herausholen und mit Quer- und Längsschotten versehen konnte.

Nach zwei Wochen – die Instandsetzung des Bootes hatte länger gedauert als vorausgesehen – nahm ich endlich Abschied von den Kanarischen Inseln, die der Mythos „Inseln der Glückseligen“ nennt. Wie weit hinter der klangvollen Bezeichnung der alte Menschheitstraum vom Paradies stand – wer vermag das zu sagen? Paradiesisch allein – das hatte ich wieder einmal festgestellt – ist nur noch das Klima.

Mein neues Ziel hieß Kap Bojador. An der Saharaküste wollte ich einen einsamen Leuchtturm besuchen, der vor kurzem von marokkanischen Banditen überfallen worden war. In Las Palmas riet man mir dringend davon ab. Doch mein Entschluß war gefaßt.

1 Eine sehr umstrittene und auch kaum zu beweisende Theorie. Heute vermutet man in den Inseln Landreste von Amerika, die zurückblieben, als die einst zusammenhängenden Landmassen Afrikas und Amerikas sich trennten. Amerika trieb westwärts und geriet im Stillen Ozean auf Grund.

2 Ohne Segel rechtwinklig zum Wind.

3 Mastkorb, Ausguck am Mast.

4 Anderthalbmaster, mit dem kleineren Mast hinten, aber vor dem Ruder.

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