Читать книгу Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln - Arved Fuchs, Hannes Lindemann - Страница 16
Der Vogel mit dem Rucksack
ОглавлениеNiña, die inzwischen ihren Segelunterricht mit Erfolg absolviert hatte, steuerte das Boot in eine abgelegene Bucht der bis vor kurzem unbewohnten Nordinsel Cies.
Wir strebten durch Sand und dürres Gesträuch dem Süden der Insel zu, als ich plötzlich auf dunkle Wasservögel aufmerksam wurde, die kopfüber ins himmelblaue Meer tauchten. Alle Augenblicke kamen sie mit einem Fisch im Schnabel wieder an die Oberfläche und verschlangen ihn vor unseren Augen. „Komische Enten sind das“, meinte Niña.
Aber es waren Kormorane; sie tragen eine Art Rucksack in ihrem Schnabel: zwischen den Kiefern des unteren Schnabels ist die Kehlhaut elastisch und dient als Futterkrippe.
Im Gegensatz zu vielen anderen Tauchvögeln werden Kormorane im Wasser „naß“: ihr Gefieder ist wasserdurchlässig, sie müssen es sich nach jedem Fischzug mit den Flügeln trockenwedeln. Im Wasser haben sie einen so großen Tiefgang, daß man glauben könnte, ihre Füße seien aus Blei. Bei den Fischern sind diese Tiere nicht beliebt; sie werden als Konkurrenten betrachtet, die gierig ebenso viele Fische verzehren wie des Fisdlers Familie.
In Japan, China und vielen anderen Ländern „kaufen“ sich die Fischer ihre Konkurrenz auf: junge fleißige Kormorane – Kormorane sind immer fleißig – werden von ihnen dazu dressiert, von einem Boot aus auf Fische Jagd zu machen. Die Vögel tragen während ihrer Arbeit einen Hanfgarnring um den Hals, der sie daran hindert, größere Fische zu verschlucken. Jeder Fischer hat sechs bis zwölf Kormorane in seinem Boot, mit denen er jagt, denn die Arbeit erschöpft die Vögel rasch.
Nur ein einziger Vogel wird jeweils ins Wasser gelassen; er schluckt so viele Fische, wie sein Rucksack aufnehmen kann und kommt dann taumelnd zum Boot zurück, wo er von seinem Gebieter einen Klaps auf den Hals bekommt, damit er seinen Fang herauswürgt. Zur Belohnung erhält er großzügig kleinere, minderwertige Fische, die nicht verkauft werden können. Da die Kormorane gewandte Schwimmtaucher sind und gut eine Minute unter Wasser2 bleiben können, fangen sie in wenigen Stunden eine ansehnliche Zahl von Fischen.
Die Inseln wurden uns zum wahren Ferienparadies. Wir kraxelten in den Bergen herum, pflückten Brombeeren, badeten an einsamen Strandplätzen und suchten nach seltenen Muscheln. Doch da wir als moderne Menschen einen Fahrplan besaßen, kam bald die Stunde der Abfahrt.
Durch gefährliche Kanäle segelten wir nach dem Fischernest Bayona, das als erste Stadt der Alten Welt die Nachricht von der Entdeckung Amerikas erhielt. Dort hatte die Karavelle „La Linta“ unter dem Kapitän Martin Alonso Zuflucht vor einem schlimmen Sturm gesucht, nachdem sie schon einige Wochen zuvor vom Schiff des Kolumbus, der „La Niña“, in Höhe der Azoren durch einen Sturm getrennt worden war. Man macht nicht viel Aufsehens von diesem merkwürdigen Ereignis, nur eine kleine Inschrift erinnert daran. Doch hat es Bayona auch gar nicht nötig, sich damit wichtig zu machen, denn es besitzt eine Umgebung, die sich wie die Kulisse zu einem romantischen Theaterstück ausnimmt: sanft geschwungene Hänge, in Pinien- und Zypressenhaine gewandet, ein altes Schloß am Hafen und dahinter tiefblaue See.