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Allein um Kap Hoorn

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Ich lag bereits ein paar Tage in La Coruña, als an einem Spätnachmittag eine schnittige weiße Yacht in den Hafen einlief. Es war die „Les 4 Vents“ von Marcel Bardiaux, der von nichts geringerem als von einer achtjährigen Weltreise zurückkehrte und nun auf dem Wege nach Frankreich war.

Da die Angestellten des Yachtclubs schon Feierabend gemacht hatten, bot ich Bardiaux meine Hilfe an. Wir vertäuten sein zehn Meter langes Boot an der LIBERIA IV und waren bald in Fachsimpeleien vertieft.

Bardiaux ist in Wassersportkreisen als einer der hervorragendsten Segler bekannt. Sein sportlicher Werdegang ist ebenso aufregend, wie seine Ideen originell sind. Seit seiner Jugend hat er Faltboote gebaut, Faltbootmeisterschaften gewonnen und größere Faltbootfahrten auf Flüssen und Meeren unternommen. Während der Besatzungszeit begann er in Frankreich mit dem Bau seiner jetzigen Yacht und stellte von der Schraube bis zum Kielbolzen, vom Mast bis zu den Segeln sämtliche Teile des Bootes selbst her. Im Sommer 1950 war es endlich so weit; seine Traumyacht lief vom Stapel.

Vor Beginn seiner Reise schon hatte er über sich und sein Boot eine Broschüre drucken lassen, in die die genaue Route seiner geplanten Weltumseglung eingezeichnet war – ein Verstoß gegen den Kodex der Hochseesegler auf dem Trockenen, und Bardiaux wurde entsprechend belächelt und verspottet.

„Welches Navigationssystem benutzen Sie denn auf Ihrer Reise?“ fragte ihn ein französischer Admiral in Le Havre.

Bardiaux hatte sich zwar schon mit genügend Literatur über Navigationssysteme und ihre praktische Anwendung versorgt, war aber noch nicht dazu gekommen, sie zu lesen. Darum antwortete er: „Ich weiß noch nicht, das wird sich erst auf der Fahrt herausstellen.“

Der Admiral wandte sich verächtlich ab und meinte unter dem gehorsamen Lachen der Umstehenden: „Wenn der heil um die Welt kommt, will ich kein Admiral mehr sein.“

Ein Segler hatte Bardiaux prüfend gefragt, wie dieser und jener Knoten heiße, den man da oder dort mache, und, als Bardiaux mit den Achseln zuckte, entsetzt ausgerufen: „Aber Sie sind ja gar kein Segler!“

Gewiß, Bardiaux mag damals noch kein erfahrener Yachtsegler gewesen sein, aber er hatte neben seinen vielen Erfahrungen im Faltboot einige menschliche Qualitäten, die für die Einhandfahrt auf dem Meere wichtiger sind als der Name eines Knoten. Freimütig bekannte er nach seiner Tour de monde: „Noch heute gibt es genügend Dinge, die ich zwar nicht mit ihrem seemännischen Fachausdruck kenne, mit denen ich aber in der Praxis oft genug zu tun hatte.“

In Dakar erlernte Bardiaux die astronomische Navigation und segelte gleich darauf in Rekordzeit nach Rio de Janeiro. Dort war zur gleichen Zeit ein französisches Schulschiff der Kriegsmarine vor Anker gegangen, und eine Zeitung in Rio kommentierte: „Zwei französische Boote in Rio eingetroffen. Das eine bemannt mit einem Mann, das andere mit 164 Ärmelstreifen“ – womit die Rangabzeichen der Offiziersanwärter gemeint waren.

Im Südwinter segelte Bardiaux von Ost nach West um das berüchtigte Kap Hoorn, nachdem er vorher in der gefährlichen Straße von Le Maire zweimal in einer Hohlsee gekentert war, als ihn die Strömung mit sieben Knoten Geschwindigkeit nach Westen riß und gleichzeitig der Wind mit 30 Knoten Geschwindigkeit aus Westen heranfegte. Nach dieser beispiellosen Leistung mußte er sich in Südchile ein ganzes Jahr lang von seinen Erfrierungen erholen.

Ein anderes Mal kam er mit einem blauen Auge davon, als er im Pazifik auf ein Riff lief. Dort war er auch von seiner geplanten Route abgewichen, weil er eine Einladung nach Neu-Seeland angenommen hatte. Weiter fuhr der Unermüdliche durch den Indischen Ozean nach Kapstadt, durch die Kariben nach New York und endlich über die Azoren nach La Coruña. Seine Leistung gewinnt noch an Bedeutung, wenn man bedenkt, daß er bereits im fünften Lebensjahrzehnt steht.

Das Geheimnis seines Erfolges? Vielleicht die Tatsache, daß er als früherer Faltbootführer ein weitaus engeres Verhältnis zum Meer hatte, als ein Yachtsegler es je haben kann.

Wenige Tage nach meiner Begegnung mit Bardiaux lief in La Coruña die „Nausikaa“ ein, ein 8,60 m langer Seekreuzer unter der Flagge des schweizerischen „Cruising Club“. Die Besatzung: drei junge Schweizer, die zur Verwirklichung ihres großen Traumes, auf eigenem Kiel nach Amerika zu segeln, jahrelang als Nachttaxifahrer zusätzliche Rappen verdient hatten. Ohne Sextant, ohne Logge, ohne kompensierten Kompaß waren sie gestartet, nur einen Wunsch hatten sie: irgendwo in Amerika ankommen!

Inzwischen erfuhr ich, daß ihr Traum doch nicht in Erfüllung gegangen ist, denn in Casablanca sind sich die drei in die Haare gekommen und haben die Fahrt aufgegeben.

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