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Für die Anwendungshinweise zu den Merkmalen wird die gleiche Reihenfolge eingehalten wie im vorangehenden Abschnitt. Wenn in den nachfolgenden Kapiteln nochmals darauf eingegangen wird oder wenn ein Merkmal aus unserer Sicht keine spezielle Bedeutung hat, beschränken wir uns auf wenige wichtige Hinweise.

1 Schaffen Sie ein lernförderliches Unterrichtsklima!

Um ein lernförderliches Klima im Unterricht zu etablieren, würde es eigentlich genügen, die auf Seite 27 formulierten Regeln einzuhalten. Nur ist das leichter gesagt als getan, denn im Zentrum dieses Merkmals guten Unterrichts steht die Persönlichkeit jeder Lehrperson mit ihrer individuellen Art, den Kontakt zu den Lernenden zu gestalten. Diese Art des Kontaktaufnehmens lässt sich nicht einfach lernen im Sinne einer Technik. Vielmehr ist sie Ausdruck von eigenen Haltungen und Möglichkeiten, die einer Persönlichkeit für die Beziehungsgestaltung zur Verfügung stehen.

Möchte eine Lehrperson also an der Optimierung eines lernförderlichen Klimas arbeiten, sollte sie zwar einerseits die pädagogischen und didaktischen Anregungen in diesem Buch realisieren und zum Beispiel am Anfang einer Stunde das Prinzip der positiven reziproken Affekte befolgen (vgl. Kapitel 2, S.63). Auch sollte sie eine dem Alter der Lernenden angepasste Balance von Nähe und Distanz wie auch eine überlegte Mischung zwischen Arbeitsatmosphäre und persönlichem Kontakt finden.


Andererseits scheint aber insbesondere eine Auseinandersetzung mit den eigenen Haltungen und Möglichkeiten der Beziehungsgestaltung ratsam. Dies kann durch die Beschäftigung mit einschlägiger Literatur geschehen. Die schon vor gut fünfzig Jahren formulierten Empfehlungen des humanistischen Psychologen Carl Rogers sind zum Beispiel nach wie vor lesenswert. Die von ihm postulierten Haltungen – Achtung, Wärme, Rücksichtnahme; einfühlendes nicht wertendes Verstehen; Echtheit; geringe Dirigierung und Lenkung – sind auch in pädagogischen Kontexten bedeutend. Dies kann aber auch im Austausch mit anderen Lehrpersonen zum Tragen kommen, zum Beispiel in Gesprächs- und Intervisionsgruppen oder durch Videoanalysen, in denen eigene Haltungen und Beziehungsmuster bewusster werden und dadurch weiterentwickelt werden können.

2 Lernen Sie Klassenführung – sie ist nicht Ausdruck irgendeines Talents!

In der erwähnten Publikation von Nolting wird auf Kounins Techniken der Klassenführung21 rekurriert. Es werden Hinweise zur Klassenführung gegeben, von denen uns die folgenden bedeutsam erscheinen:

Allgegenwärtigkeit (Withitness)

Die Lernenden sollen das Gefühl vermittelt bekommen, dass die Lehrkraft alle ihre Aktivitäten im Blick hat, dass sie sozusagen auch auf ihrem Rücken Augen und Ohren hat, dass störende Vorfälle nicht bewusst «übersehen» und heikle Entwicklungen nicht toleriert werden.

Überlappung (Overlapping)

Es geht um die Fähigkeit der Lehrperson, die Aufmerksamkeit im Unterricht simultan auf mehrere Dinge zu richten. Die Durchführung des Medieneinsatzes muss zum Beispiel gut vorbereitet sein und so routiniert (gleichsam automatisiert) erfolgen, dass die Antennen der Lehrperson weiterhin auf die Klasse gerichtet sind. Mit unvermeidbaren Disziplinproblemen soll «nebenbei» und ohne grosses «Theater» umgegangen werden, ohne den Unterrichtsfluss und die Aufmerksamkeit darauf mehr als nötig zu unterbrechen.

Zügigkeit, Reibungslosigkeit, Schwung (Momentum)

Um unnötige Unterbrechungen des Unterrichtsflusses zu vermeiden, ist eine angemessene Unterrichtsplanung unabdingbar, insbesondere die Vermeidung von Hektik (zu viel Stoff) und Langweile (zu wenig, zu monotoner Stoff). Ein positives Beispiel für Zügigkeit ist freies stringentes Sprechen, ein Negativbeispiel das «Kleben» an Notizen oder Zetteln oder inhaltlicher Leerlauf durch weitschweifiges Ausholen oder Überproblematisieren von Kleinigkeiten.

Gruppenaktivierung (Group Focus)

Auch wenn nur eine Schülerin oder ein Schüler im Zentrum steht, sollen alle Lernenden dem Unterricht folgen, das heisst, die Lehrperson behält den Fokus auf die Gruppe bzw. Klasse bei. Zum Beispiel werden der Klasse klare Aufgaben übertragen, ehe sich die Lehrperson dialogisch einem einzelnen Lernenden zuwendet.

Übergangsmanagement (Managing Transitions)

Übergänge zwischen verschiedenen Unterrichtssegmenten oder -phasen sollen durch knappe und eindeutige Überleitungen (z.B. akustische Signale, bestimmte Gesten) und ohne Zeitverlust vor sich gehen. Ruhe- oder Entspannungspausen (z.B. kurze Bewegungsphasen) können eingelegt werden, Rituale zur Deeskalation (z.B. Gong) eingeführt werden.

Vermeidung vorgetäuschter Teilnahme (Avoiding Mock Participation)

Lehrpersonen sollen sensibel für «Scheinaufmerksamkeit» sein; Lernende entwickeln bekanntlich raffinierte Rituale, Techniken und Tricks, um den Eindruck gespannter Aufmerksamkeit, verschärften Nachdenkens und lebhaften Interesses zu erwecken (heftiges Kopfnicken, konzentriert die Stirn in Falten legen usw.); man spricht hier von «school survival skills».

Neben einer Darstellung dieser sechs Prinzipien der alltäglichen Klassenführung befasst sich Noltings Publikation mit direktiven und kooperativen Interventionen bei Konflikten in der Schule. Die vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen beziehen sich auf konkrete Situationen und sind dadurch sehr hilfreich.

In der Publikation von Rüedi, Disziplin und Selbstdisziplin in der Schule,22 geht es zentral um die Beziehungsebene im Unterricht. Deshalb stellen wir in Anlehnung an Rüedi bei den Übungen (vgl. S.46) einen Selbsttest vor, der eine Auseinandersetzung mit Fragen einer für die Disziplin förderlichen Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden anregen soll.

3 Vergrössern Sie den Anteil echter Lernzeit in Ihrem Unterricht!

Die echte Lernzeit zu vergrössern und unproduktive Zeit zu reduzieren, ist ohne weitere Hinweise gut machbar. Eine genaue Planung mit einem Augenmerk auf reibungslosen Übergang ist dazu hilfreich. Dazu finden sich in den nachfolgenden Kapiteln, speziell in Kapitel 9, hilfreiche Hinweise.

4 Sprechen Sie bei Ihren Lernenden ganz unterschiedliche Motive an!

Nicht sinnvoll ist es, die intrinsische Lernmotivation der Lernenden als gut, extrinsische als problematisch zu betrachten. Extrinsische Motivierung ist in einer komplexen Zivilisation unumgänglich: Nie wird man nur das tun können, wozu man Lust hat. Eher problematisch ist es jedoch, wenn ausschliesslich inhaltsfernen extrinsischen Motiven wie Belohnung, Gehorsam und Noten eine Wirkung zugeschrieben würde. Wenn Sie als Lehrperson angemessen hohe Erwartungen stellen und selbst ein Modell für Lernen sind – also zeigen, dass und wie Sie selbst lernen –, bewegen Sie sich im Bereich extrinsischer Motive. Das ist besonders der Fall, wenn Sie kognitive Konflikte erzeugen – also Situationen, in denen das vorhandene Wissen der Lernenden in Widerspruch zu neuem Wissen gerät –, wenn sich die Lernenden also ein Phänomen mit ihrem bestehenden Wissen nicht mehr erklären können.

Intrinsische Motive, die angesprochen werden können, sind vielfältig und bei den einzelnen Lernenden unterschiedlich stark vorhanden. Dennoch gibt es Motive, die bei den meisten angesprochen werden können: Freude an Herausforderung, Neugierde, Fantasie, Lebensweltbezug, aber auch Kontrollbedürfnis oder Geltung usw.

Für eine Vertiefung theoretischer Grundlagen von Motivation und Handlungsmöglichkeiten im Unterricht eignet sich die Publikation Emotion, Motivation und selbstreguliertes Lernen von Thomas Götz.23 Unter Motivierung haben wir auch die Stärkung von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen subsumiert; darunter versteht man die subjektive Überzeugung, neue Anforderungen aus eigener Kraft bewältigen zu können. Die Stärkung der Selbstwirksamkeit der Schülerinnen und Schüler gehört zu den wichtigen motivierenden Aufgaben von Lehrpersonen. Dazu gibt es drei wirksame Strategien.24 Am stärksten verbessert sich die Selbstwirksamkeit, wenn die Lernenden aus eigener Kraft Schwierigkeiten überwinden und wenn ihnen dabei bewusst ist, dass sie die Leistung selbst erbracht haben. Am zweitwichtigsten sind menschliche Modelle, zum Beispiel Klassenkameraden, die sich in erreichbarer Distanz zu den Lernenden bewegen und die Schwierigkeiten (z.B. Matheaufgaben) meistern; dieser Punkt verweist auf die Bedeutung der Peers. Am drittstärksten wirkt Ermutigung durch die Lehrperson – nicht im Sinne von «Das kannst du!», sondern im Sinne von «Probier es, ich werde dich unterstützen, wenn du nicht mehr weiterkommst!» (vgl. Kapitel 3 und 8).

5 Stellen Sie herausfordernde Leistungserwartungen an Ihre Lernenden!

Herausfordernde Leistungserwartungen müssen in der Praxis gegenüber den Lernenden explizit genannt und im persönlichen Gespräch mit den Lernenden präzise formuliert werden Im Sprachunterricht können die Anforderungen zum Beispiel heissen: deutliche und korrekte Aussprache, Nutzung treffender Wörter beim Sprechen, Halten eines Kurzreferats nach Stichworten, grammatikalische und orthografische Korrektheit beim Schreiben usw. Wenn Lernende sich etwas nicht zutrauen, ist es nicht ratsam, zu schnell von den Forderungen abzurücken; eine Rücknahme von Anforderungen beinhaltet immer auch die unausgesprochene Botschaft, dass man nicht an die Fähigkeiten der Lernenden glaubt. Grundsätzlich scheint Unterforderung problematischer als Überforderung. Im Zusammenhang mit hohen Leistungserwartungen ist es auch wichtig, die Lernenden nicht zu schnell und zu überschwänglich zu loben; nicht schon die kleinste Leistung soll mit einem «sehr gut!» quittiert werden. Nur eine den Voraussetzungen der oder des Lernenden entsprechende Leistung soll mit «gut» oder «sehr gut» quittiert werden. Zudem gibt es viele Zwischentöne wie «der Anfang ist ansprechend, probier weiter!» usw.

6 Achten Sie auf Klarheit in Inhalt und Struktur!

Klarheit in Inhalt und Struktur ergibt sich aus einer professionellen Unterrichtsplanung, die in Kapitel 9 ausführlich besprochen wird. Spezifische Hinweise dazu finden sich zudem in Kapitel 2 sowie den nachfolgenden Ausführungen zur Rhythmisierung und zur Artikulation von Unterricht.

7 Erleichtern Sie Ihren Lernenden das Lernen durch Rhythmisierung und klare Artikulation!

Ohne Zweifel haben Stundenbeginn und -ende im Zusammenhang einer Rhythmisierung des Unterrichts eine grosse Bedeutung.

Lektionenanfänge haben diverse Funktionen. Die Kenntnis dieser Funktionen hilft bei der Planung, einen angemessenen Stundeneinstieg zu finden: Es geht darum,

– den Lernenden

Informationen darüber zu geben, was behandelt werden soll,

– das Interesse der Lernenden zu wecken, eine gewisse Spannung zu erzeugen,

– eine Frage aufzuwerfen,

– ein Verantwortungsgefühl für die laufende Lektion zu erzeugen,

– Aufmerksamkeit und Konzentration herzustellen,

– Elemente von vorherigen Lektionen mit dem Thema der aktuellen Stunde zu verbinden,

– das Thema in den Horizont der Lernenden zu bringen.

Der Stundenabschluss hat hingegen die Funktion, in einem kurzen Rückblick das Gelernte sichtbar zu machen. Stundenabschlüsse müssen vor allem so geplant sein, dass nicht erst beim Einsetzen der Pausenglocke der wichtigste Inhalt oder die Hausaufgaben noch platziert werden müssen.

Für die Artikulation einer ganzen Unterrichtsstunde schlagen Grell25 und Grell neun Phasen vor, die im Normalfall in jedem Fach anwendbar sind:

Phase 0: Direkte Vorbereitung: Vor dem Unterricht wird alles vorbereitet, was während des Unterrichts gebraucht wird (Material, Technik usw.).

Phase 1: Lockere Atmosphäre: sogenannte «positive reziproke Affekte» sollen ausgesendet werden, also positive Impulse der Lehrperson, die von den Lernenden mit grosser Wahrscheinlichkeit auch positiv zurückgegeben werden (vgl. Kapitel 2, S.63, 68).

Phase 2: Informierender Unterrichtseinstieg: Die Lernenden werden über die Ziele und den Ablauf der Lektion informiert.

Phase 3: Informationsinput: Die für den folgenden Unterrichtsverlauf wichtigen inhaltlichen Informationen werden gegeben, z.B. in Form eines Kurzreferats.

Phase 4: (Anbieten von) Lernaufgaben: Die Lernenden erhalten einen präzise formulierten Auftrag mit Bezug zum vorherigen Input zur selbsttätigen Bearbeitung mit definiertem Zeitrahmen.

Phase 5: Die Lernenden arbeiten selbstständig, allein oder in Gruppen an den Lernaufgaben.

Phase 6: Umstellungsphase: Die Lehrperson räumt etwas Zeit ein, um die Lernaufgabe zu beenden und sich wieder auf die Arbeit in der ganzen Klasse einzustellen.

Phase 7: Feedback und Weitererarbeitung: Die Resultate der Lernaufgaben werden präsentiert und/oder besprochen.

Phase 8: Evaluation: Die Lehrperson macht einen Rückblick auf die Lektion und das darin Gelernte.

Wer Lernprozesse mit all den genannten Phasen plant, kann davon ausgehen, dass die Lernenden sich aktiv mit schulischen Inhalten befassen und dass der Anteil an echter Lernzeit hoch ist.

Hans Aebli hat die unter dem Akronym PADUA bekannte Artikulation entwickelt, die ebenfalls für alle Unterrichtsbereiche Anwendung finden kann und die in seinen Publikationen mit ausführlichen Beispielen belegt sind:


8 Verbessern Sie den Lernerfolg Ihrer Lernenden durch Angebotsvariation und Methodenvielfalt!

In den folgenden Kapiteln dieses Buches werden ganz unterschiedliche Lehr-Lern-Arrangements vorgestellt, um Unterricht variationsreich zu gestalten und einer didaktischen Monokultur zu entsagen. Gemäss der Studie MARKUS,26 einer gross angelegten deutschen Untersuchung über die Wirkung von Unterricht, ist es aber nicht ein Maximum an Methodenvielfalt, sondern ein Optimum, das die besten Resultate erzielt. Am besten schnitten in dieser Untersuchung Klassen ab, die neben direkter Instruktion (Frontalunterricht) drei weitere Lehr-Lern-Arrangements wahrnehmbar – also nicht nur punktuell – praktizierten. Sowohl reiner Frontalunterricht als auch ein Unterricht mit exzessiv vielen Unterrichtsformen war weniger erfolgreich. Eine mittlere Zahl von hauptsächlich angewendeten Methoden scheint also richtig. Dass generell eine Unterrichtsmethode einer anderen vom Lernerfolg her deutlich überlegen wäre, lässt sich empirisch nicht belegen. Neben einer grundsätzlichen Vielfalt von Methoden sollte die Wahl der Methoden auch an die Fähigkeiten und Fertigkeiten angepasst sein, die für die Lernenden in ihrem späteren Leben von Bedeutung sind.

9 Schülerorientierung und Unterstützung – nehmen Sie die Lernenden und ihre Anliegen ernst!

Das Merkmal der Schülerorientierung und Unterstützung der Lernenden wurde bereits bei den Merkmalen Lernatmosphäre und Klassenführung gestreift. Institutionalisierte Formen können helfen, dass die beiden Prinzipien auch tatsächlich gelebt werden: Klassenrat, Briefkasten für anonyme Fragen der Lernenden, Mitteilungsheft, Einholen von Schülerinnen- und Schülerfeedback, Sprechstunden, Fragestunden usw.

10 Berücksichtigen Sie die Heterogenität der Klasse und planen Sie individuelle Förderung!

Schulklassen sind sehr heterogen zusammengesetzt; auch wenn die Lernenden im Prinzip den gleichen Jahrgang haben, gibt es grosse Unterschiede in der Art ihres Lernens (Schnelligkeit, Auffassung, Einsatzbereitschaft, sprachliche Voraussetzungen usw.). In ihrem praktischen Ratgeber Individualisierung und Binnendifferenzierung – aber wie?27 nennt Marianne Walt sieben Aspekte von Individualisierung, mit denen auf Heterogenität geantwortet werden kann. Diese sieben Aspekte können je nach Notwendigkeit miteinander kombiniert werden. Die nachfolgende Abbildung kann als Checkliste für Individualisierungsansätze verwendet werden. Individualisierender Unterricht soll nun aber nicht dazu führen, dass Schwächen von Lernenden zementiert werden; wenn wir die Anforderungen zurücknehmen, darf keinesfalls die Botschaft mitschwingen, dass der Schüler oder die Schülerin zu mehr nicht fähig ist.


11 Kein Lernfortschritt ohne Konsolidierung und intelligentes Üben!

Geübt werden soll oft, dafür nicht allzu lange, passgenau zum Lernstand und mit Unterstützung der Lehrperson, insbesondere was die Lern- respektive Übungstechniken betrifft. Entgegen dem zum Teil von Lehrpersonen selbst erzeugten Image kann Üben Spass machen, vor allem wenn freiwillig geübt wird, wenn Raum für Selbstbestimmung vorhanden ist, wenn der Erfolg des Übens leicht erkannt wird und wenn ein Interesse am Übungsgegenstand besteht. Üben sollte verschiedene Ebenen betreffen: die Automatisierung (z.B. mathematische Algorithmen), die Qualitätssteigerung respektive die Vertiefung (z.B. Lesekompetenz) und die Ebene des Transfers. Wie der Erfolg des Übens überprüft werden kann, wird in Kapitel 8 dargestellt.

12 Selbsttätigkeit, Lernaufgaben und Hausaufgaben: Ohne Schüleraktivität kein Lernen!

Selbsttätigkeit bedeutet, dass Lernende für einen bestimmten Zeitraum alleine, zu zweit oder in Gruppen arbeiten, ohne dass eine unterbrechende Steuerung durch die Lehrperson erfolgt. Selbsttätigkeit ist in allen Schulfächern möglich. In den folgenden Kapiteln finden sich vielerorts wertvolle Hinweise zu dieser Form von Schüleraktivität.

Das Rezept Lernaufgabe28 demonstriert, wie Selbsttätigkeit in fast jeder durchschnittlichen Unterrichtsstunde eingebaut werden kann: Nach einem einführenden Auftrag, dem je nach Notwendigkeit ein Informationsinput der Lehrperson vorausgeht, arbeiten die Lernenden während mindestens fünfzehn Minuten selbstständig. Anschliessend folgt zum Beispiel eine Präsentation der Resultate oder eine Form der Ergebnissicherung. Das Studium des entsprechenden Kapitels bei Grell und Grell ist für jede Lehrperson bereichernd und für die Praxis hilfreich.

Hausaufgaben sind wiederum eine umstrittene Form von Selbsttätigkeit. Da Lernende je nach sozialer Herkunft bei den Hausaufgaben mehr oder weniger Unterstützung erhalten, akzentuieren Hausaufgaben tendenziell die Chancenungleichheit. Ein Ausweg, den viele Schulen wählen, besteht darin, dass betreute Hausaufgabenstunden angeboten werden. Unbestritten ist, dass durch Hausaufgaben die Zeit des – selbstständigen – Lernens stark erhöht werden kann. Zu den wichtigsten Merkmalen richtig gestellter Hausaufgaben gehört, dass sie variationsreich sind, dass sie den Schulstoff verarbeiten, vorbereiten oder ergänzen – und nicht neuen Stoff behandeln. Hausaufgaben sollen klar gestellt werden und zeitlich eingegrenzt sein, sodass die Lernenden und ihre Eltern wissen, wie lange daran gearbeitet werden soll.29

Wie Sie Lernziele setzen und Kompetenzen definieren können

Lernziele

Das Setzen von Zielen gehört zur Unterrichtsvorbereitung und muss im Kontext einer umfassenden und differenzierten Unterrichtsplanung erfolgen. Ziele können also nicht isoliert von anderen Überlegungen und Planungsschritten gesetzt werden (vgl. Kapitel 9).

Robert F.Mager, ein wichtiger Vertreter der curricularen Didaktik (vgl. S.31), hat sich in seiner Publikation Lernziele und Unterricht30 eingehend mit der Formulierung von Zielen befasst. Er zeigt: Zweckmässig formulierte Ziele müssen zuerst einmal und ganz banal die Absichten des Unterrichts verständlich ausdrücken können. Dies ist wichtig, weil die Ziele sinnvollerweise den Lernenden selbst kommuniziert werden – mündlich oder schriftlich. Damit Ihre Zielformulierungen auch verstanden werden, sollten Sie präzise Begriffe verwenden. Es empfiehlt sich, Formulierungen wie «die Lernenden wissen» oder «die Lernenden verstehen» eher zu vermeiden und stattdessen konkretere Wendungen wie «die Lernenden können… unterscheiden» oder «die Lernenden können ... auswendig aufzählen» zu gebrauchen. Dadurch werden Lernziele in dem Sinne operationalisierbar, dass sie überprüft werden können.

Des Weiteren lässt sich mit einer präzisen Beschreibung von Zielen der Erfolg Ihres Unterrichts besser überprüfen. Dafür sollten Sie die Tätigkeiten, die Sie von den Lernenden während des Unterrichts erwarten, in die Zielformulierung einfliessen lassen, und Sie sollten die Kriterien nennen, die Sie für ein ausreichendes Niveau dieser Tätigkeiten festgelegt haben.

Zielformulierungen schaffen idealerweise eine nachvollziehbare Verbindung von einerseits fachlichen und andererseits überfachlichen, personalen und sozialen Zielen. Zudem empfiehlt es sich, mit Blick auf eine Differenzierung und Individualisierung des Unterrichts immer basale und erweiterte Ziele zu unterscheiden.

Kompetenzen

Wie bereits erwähnt, ist die Kompetenzorientierung ein zurzeit omnipräsentes Schlagwort in der Unterrichtsforschung wie auch der Bildungspolitik. Da aber zur «Theorie kompetenzorientierter Didaktik […] aktuell lediglich Facetten, Bausteine und Vorüberlegungen»31 vorliegen, ist es sinnvoll, einem vorläufigen und pragmatischen Vorschlag für einen kompetenzorientierten Unterricht zu folgen, wie ihn Andreas Feindt und Hilbert Meyer skizziert haben.

Wenn Sie kompetenzorientiert unterrichten, bedeutet das gemäss den beiden Autoren, dass Sie die Lernergebnisse der Lernenden in den Mittelpunkt stellen und mit dem Ziel unterrichten, dass diese nicht nur Wissen erwerben, sondern mit diesem Wissen auch konkrete Anforderungssituationen bewältigen können. Als Lehrperson müssen Sie sich an vorgegebenen gestuften Kompetenzmodellen orientieren, die vom neuen Lehrplan vorgegeben und in den einzelnen Schulen konkretisiert werden, und dann Lernangebote entwickeln oder übernehmen, durch die sich die Lernenden in Richtung der formulierten Kompetenzen entwickeln können. Eine genaue Beobachtung der Lernenden und ihrer Lernfortschritte sowie eine immer wieder erfolgende Überprüfung ihres Leistungsstandes ist nötig, um passende Lernangebote im Unterricht zum Einsatz bringen zu können.32 Lernaufgaben rücken damit ins Zentrum des kompetenzorientierten Unterrichts – deren Entwicklung wird nicht nur eine Aufgabe der einzelnen Lehrperson, sondern auch der Fachdidaktiken sein. Erste Ansätze dazu werden in der von Marcel Naas herausgegebenen Publikation Kompetenzorientierter Unterricht auf der Sekundarstufe I vorgestellt.33

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