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Kapitel 4

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„Hast du die Wagenschlüssel, Alexander? Wirf rüber. Ich fahre.“ Marina eilte zur Fahrertür.

„Hier an der Hauptstraße sind die Kleider weggekommen, Marina“, ließ Alexander seine Blicke durch die Häuserzeilen von Hüttwilen schweifen.

„Wo bist du eigentlich aufgewachsen Marina?“ Er drehte seinen Kopf zu seiner Kollegin.

„Ach, in einem kleinen Kaff in der Nähe vom Rorschacherberg.“

„Dort soll es ein Schlosshotel geben. Warst du da schon einmal?“ Alexander aktivierte die Klimaanlage und strich die Falten aus seinem blauen Hemd.

„Klar, Schloss Wartegg. Das kenne ich gut. Wir haben als Kinder dort in der Nähe immer gespielt. Es ist erst seit 1994 ein Hotel.“

„Wie lange lebst du denn schon im Thurgau?“

„Seit meiner Jugend. Ich habe hier nach der Berufslehre die Polizeischule in Amriswil gemacht.“

„... und dann hat es dich in unser schönes Seebachtal gezogen?“

„Sozusagen!“ Sie schmunzelte.

„Aha, verstehe. War wohl ein Mann im Spiel?“ Er blickte sie schelmisch an.

„So ist das Leben.“

„Das Seebachtal ist übrigens eine ganz interessante Region. Du findest hier archäologisch alles, von den Pfahlbauern im Nussbaumersee, über die Römersiedlung Stutheien gleich da vorne rechts bis zu mittelalterlichen Burgen und Ruinen“, begann Alexander zu schwärmen.

„Habe schon gehört, dass du dich hobbymäßig mit der Archäologie beschäftigst.“

„So, so, haben die Kollegen wieder getratscht. In Nussbaumen biegen wir übrigens gleich beim Revierweiher links ab“, navigierte Alexander.

„Dann einfach auf der Uerschhauserstraße weiter, okay?“

„Ja.!“

„Fahr doch bitte etwas langsamer und da vorne links zu den beiden Bauernhäusern“, wurde sie von Alexander über die Hälfenberg Straße gewiesen.

„Dann wünsch uns Glück, dass wir hier etwas erfahren.“

Alexander öffnete die Autotür.

„Ah! Ich mag diesen Geruch. Es riecht so schön nach frischem Gras und Kühe“ Marina stieg aus dem Wagen.

„Das Gebimmel der Glocken erinnert mich an die Alpwiesen meiner Kindheit“, schwärmte Marina.

„Grüezi wohl“, gingen die beiden Beamten dem sichtlich verblüfften Bauern entgegen, der sich ihnen aus dem Stall kommend genähert hatte. Kläffend umkreiste sie ein schwarzer Hofhund.

„Was bist denn du für ein undefinierbares Kerlchen?“, flattierte ihm Marina mit gedämpfter Stimme.

„Ruhe Prinz!“, ermahnte ihn der Bauer lauthals.

„Sind Sie hier der Bauer vom Hof?“, erkundigte sich Alexander und hielt dem Gestiefelten seinen Ausweis entgegen.

'Wie aus dem Bilderbuch mit Zipfelmütze, blauer Latzhose, grünen Gummistiefeln und kariertem Hemd – Bauer Hense', dachte Marina und schmunzelte in sich hinein.

„Habe ich etwas verbrochen oder was verschafft mir die Ehre eures Besuchs?“, fragte der Bauer und stellte die mistbeladene Schubkarre neben sich.

„Das wollen wir doch nicht hoffen“, erwiderte ihm Marina freundlich.

„Kantonspolizei Thurgau. Adler ist mein Name. Das ist meine Kollegin Keller.“ Er reichte dem Bauern seine Hand.

„Das ist unschwer zu erkennen“, sagte der großhändige Landwirt, kratzte sich unter seiner Kappe am Kopf und blickte verschmitzt auf das Polizeifahrzeug.

„Wir arbeiten gerade an einer Ermittlung. Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen stellen. Haben Sie kurz Zeit?“

„Um was geht es denn?“, der Bauer richtete sich breitbeinig auf und stützte seine Arme in die Hüften.

„Ruhe Prinz, Platz“, schrie er dem bellenden Hund entgegen. Eingeschüchtert zog dieser mit eingezogenem Schwanz davon und legte sich vor seine Hütte.

„Vor einigen Tagen wurde hier ganz in der Nähe eine etwas verwirrte junge Frau aufgegriffen. Wir versuchen ihre Identität zu klären. Haben Sie diese Person vielleicht schon mal gesehen?“, Alexander hielt ihm das Polizeibild entgegen.

„Aha, die Frau aus der Kartause?“, sagte der Bauer und griff mit ernster Miene nach dem Bild.

„Wie kommen Sie darauf? Es stand noch nichts darüber in den Zeitungen.“ Alexander stutzte über die beiläufige Bemerkung.

„Ach der Ernst, also mein Nachbar, hat es erzählt. Ich glaube, er hat da was geliefert und das ganze Theater mitbekommen.“ Er strich sich nachdenklich über das Kinn, stieß seine verschmutzte Schildkappe zurecht und ging ein paar Schritte umher.

„Einen Moment ... Alice, kommst du bitte kurz raus!“, rief er durch die geöffnete Türe lauthals ins Haus.

„Was ist denn, Fredi“, die Bäuerin trat aufgeregt auf die steinerne Treppe heraus. Schnell klaubte sie einige heruntergefallene Blütenblätter zusammen und warf sie in den Blumentopf zurück.

„Wir haben Besuch. Die sind von der Kapo Frauenfeld. Kannst du mit dem Bild etwas anfangen?Kennst du die Person?“, er reichte seiner Frau das Foto.

„Aha, ja, ja“, schoss es umgehend aus ihr heraus. „Ja sicher Fredi. Ist das nicht die junge Frau, die erst kürzlich durch unseren Garten geschlichen ist. Erkennst du sie nicht wieder?“

„Komm zeig mir nochmal das Bild.“ Er nahm es erneut in Augenschein und schob die Brille etwas nach oben.

„Bist du sicher? Meinst du wirklich, das ist sie, Alice? Also ich weiß nicht“, sagte er und kratzte wieder an seiner Kappe.

„Ja, das könnte eigentlich schon sein. Es war aber schon etwas dunkel. Aber jetzt, wo du es sagst. Das könnte schon sein“, stimmte der Bauer seiner Frau bei.

„Sind Sie sich ganz sicher?“, fragte Marina die beiden Bauersleute nochmals.

„Ganz sicher“, erwiderte ihr die Bäuerin und klatsche Blumenerde von den Händen.

„Sie war kürzlich unten am See. Plötzlich stand sie bei uns auf dem Hof. Ich habe sie gefragt, ob sie denn etwas suchen würde. Sie hat aber sehr zurückhaltend reagiert. Sie schien mir etwas eingeschüchtert. Das habe ich dir doch erzählt, Fredi.“

„Ja stimmt, so was hast du gesagt.“ Lächelnd blickten sich die beiden Beamten an.

„Wissen Sie, ob sie vielleicht aus der Gegend stammt?“

„Nein, wenn sie von hier wäre, dann würden wir sie kennen. Hier in der Gegend um Uesslingen bis nach Buch kennt sich eigentlich jeder?“

„Jeder?“

„Ja, also zumindest die Eingesessenen“, erklärte der Bauer.

„Es hat natürlich auch viele Zugezogene, Fredi. Von denen kennen wir natürlich fast niemanden.“

„Auf alle Fälle wäre sie uns sicher bekannt, wenn sie in der Gegend wohnen würde.“

„Ist Ihnen etwas Besonderes aufgefallen, als sie hier auf dem Hof war? Hat sie etwas gesucht?“, versuchte Marina etwas Genaueres zu erfahren.

„Ich möchte ihr ja nichts unterstellen, aber ich glaube, sie hat uns im Garten etwas Petersilie gestohlen“, ließ die Bäuerin durchblicken.

„Zumindest hatte es an dem Tag eine größere Lücke - oder hast du etwas geholt, Fredi?“

„Nein, Alice, also der Garten ist nicht mein Revier“, sagte der Bauer und lachte.

„Das ist Weibersache“, trat er etwas beiseite.

„Wir hatten aber den Eindruck, dass im Hofladen eine Schachtel Eier nicht bezahlt wurde. Das muss sie natürlich nicht gewesen sein. Aber das war doch auch am gleichen Tag - oder etwa nicht, Alice?“

„Ach, da fehlt immer wieder mal etwas, das gestohlen wird“, winkte die Bäuerin ab.

„Dann bedanken wir uns vielmals für Ihre Auskunft“, Marina reichte dem Bauernpaar die Hand.

„Ist schon recht. Leider können wir Ihnen auch nicht mehr sagen“, der Bauer gab das Bild wieder zurück.

„Ihre Auskunft hat uns doch etwas weiter gebracht. Falls wir noch weitere Fragen haben, werden wir uns melden“, verabschiedete sich Alexander bei der Bäuerin.

„Kommen Sie einfach vorbei“, der Bauer hob die Schubkarre und fuhr mit ihr quietschend zum Misthaufen.

„Ist eigentlich eine ganz schöne Gegend. Hier war ich ja noch nie“, staunte Marina, während sie die Wagentür öffnete und kurz darauf den Motor startete.

„Das finde ich auch. Ich jogge gern an der Ruine vorbei und wieder hoch nach Nussbaumen.“

„Hattest du nicht erwähnt, dass sie bei dem Baum am Nussbaumersee auch von Petersilie gesprochen hat?“

„Das ist mir auch eingefallen, als es die Bäuerin erwähnte. Ja - das sagte sie. Damals habe ich mich gewundert, warum sie diesen Satz so abrupt unterbrach.“

„Sie fühlte sich wohl ertappt. Offensichtlich hatte sie die Petersilie aus dem Garten mitlaufen lassen.“ Marina lachte und lenkte den Einsatzwagen Richtung Buch.

„Zumindest liegt aber keine Anzeige vor, wir wollen uns ja keinen unnötigen Bürokram aufladen – stimmt‘s?“, sagte Marina und grinste.

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