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4. Kapitel

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„Hier Edith Kranz.“

„Hier Alfred Köster — —“

„Was — Alfred? Nachts um vier Uhr rufst du hier an? Ein Glück, dass Mutter nicht aufgewacht ist.“

„Kind — höre — — es ist ein Unglück geschehen. Dein Vater — —“

„Was — — was denn? So rede doch!“

„Es — — ein Unfall — — man musste ihn nach dem Krankenhaus schaffen, da man zunächst gar nicht wusste, um wen es sich handelte.“

„Du — ich beschwöre dich — — rede die Wahrheit: er ist doch nicht etwa tot?“

„Nein — kein Gedanke, — aber — —“

„Was aber?“

„Eine unglückselige Verkettung der Umstände — kurz gesagt: mein Vater ist schuld daran.“

„Wie? — Dein Vater?“

„Edith — ich werde dir alles persönlich erzählen. In zehn Minuten werde ich mit meinem Wagen vor eurem Hause sein. Dann will ich dich nach dem Krankenhaus fahren. Der Mutter sagst du am besten noch nichts davon.“

„Gut. Aber eile — eile! Ich warte auf dich!“

Es dauert tatsächlich kaum zehn Minuten, bis Alfred mit seinem eleganten Sportkabriolett vor dem Hause erscheint, in dem Doktor Kranz mit seiner Familie wohnt.

Edith erwartet ihn bereits vor der Tür. Sofort steigt sie ein. Der Wagen braust nach dem Krankenhause. Häuser, Laternen fliegen vorüber. Fast stösst man an einer Kreuzung mit einem Feuerwehrwagen zusammen.

„Erzähle!“ fleht Edith, „was ist denn passiert?“

Mein Vater hat auf einen Schatten geschossen, der auf unserer Veranda vorbeistrich. Dabei wurde dein Vater getroffen, der zufällig auf der Strasse vorüberging.“

„Na — und — — und — — — und ist es ein schlimmer Schuss?“

„In die rechte Brustseite. Wie ich hörte aber glücklicherweise nicht lebensgefährlich. — Übrigens sind wir da.“

„Wo wollen Sie hin?“ fragt ein grimmiger Pförtner.

Es dauert lange, bis man zu dem Zimmer des Verwundeten vordringt. Dort hält eine Krankenschwester die beiden an. „Pst! Bitte leise — er ist noch bewusstlos. Bor zehn Minuten ist er erst aus dem Operationssaal gekommen.“

„Um Gottes Willen — — man musste ihn operieren?“ fragt Edith, ratlos mit ihren traurigen Augen zur Seite blickend.

„Man hat die Kugel entfernt. Es ging alles gut.“

Ein Seufzer der Erleichterung entringt sich der Brust des Mädchens.

„Dürfen wir nicht hinein?“ fragt Alfred höflich.

„Bedaure — ich habe die strikteste Weisung — —“

„Die junge Dame ist seine Tochter —!“

„Auch das kann nicht helfen. Auf jeden Fall muss ich den Arzt erst befragen.“

„Dann fragen Sie, bitte! Wenn’s geht, sofort!“

„Wollen die Herrschaften solange in diesen Warteraum treten?“

Alfred und Edith betreten das kleine Zimmer. Das Mobiliar besteht aus einem ovalen Tischchen, einigen Stühlen und einem Bild, das einen Arzt im Kreise von seinen Schülern bei einer Operation zeigt. Auf dem Tisch eine Karaffe mit Wasser, zwei Gläser.

„Edith!“ sagt Alfred und fasst nach der Hand des Mädchens, „mir trägst du es doch nicht nach, dass gerade mein Vater — —?“

Ein mildes Lächeln umspielt ihre Lippen. „Alfred, — du weisst, wie ich zu dir halte. Die geistige Feindschaft zwischen unseren Vätern hat unserer Liebe bisher keinen Abbruch getan, — — wie sollte es dieser unglückliche Zufall vermögen!“

Alfred zupft nervös an seiner Krawatte, die genau passend zu dem eleganten Anzug gewählt ist. Er denkt an das ewige Versteckenspiel, das sie beide mit ihrer Neigung zu treiben gezwungen sind.

„Ich danke dir!“ sagt er, „auch mein Vertrauen zu dir steht unerschütterlich fest. Schwierigkeiten sind dazu da, um überwunden zu werden.“

Die Schwester kommt, um zu melden: „Das Fräulein darf zu ihrem Herrn Vater, — sonst aber niemand.“

Alfred nimmt Abschied von Edith: „Dann bin ich hier also überflüssig. Ich werde heute am Nachmittag, wie gewöhnlich, vor der Anatomie sein.“

„Schön. Ich erwarte dich. Lebe wohl!“

Der junge Mann eilt nach Hause. Die Dienerschaft ist noch auf. Keiner wagte sich wieder hinzulegen. Alfred muss erst ein Machtwort sprechen.

Er geht in das Arbeitszimmer des Vaters, in dieses Museum von alten und neueren Fachzeitschriften, die rings zu grossen Haufen gestapelt liegen.

Hier verfasst er zunächst einen langen Bericht über die Vorgänge in der Nacht. Es ist nun mittlerweile fünf Uhr geworden. Die erste Tageshelle stieg zaghaft auf.

Alfred nimmt eine eiskalte Dusche. Nur munter bleiben! Die Nerven stählen. Er weiss, dass ihm manches Schwere bevorsteht.

Um sechs Uhr eilt er mit seinem Wagen zum Tattersall, klingelt die Leute raus, lässt sich seine Rappstute satteln. Dann tobt er sich galoppierend auf den Reitwegen der grossen städtischen Anlagen aus.

Punkt acht Uhr lässt er sich in der Privatwohnung von Justizrat Brangheimer melden.

„Herr Justizrat ist vor neun nicht zu sprechen!“ bedeutet das Mädchen, das ihm geöffnet hat.

„Für mich doch! Bringen Sie meine Karte hinein, liebes Kind — sagen Sie, dass es ganz dringend wäre — — und hier ist ein Taler für Sie — — für den nächsten Rummel am Sonntag!“

Das Mädchen verschwindet, sichtlich verlegen, um bald zurückzukehren und ihm zu melden: „Herr Justizrat lässt bitten, einen Augenblick Platz zu nehmen.“

Der Schuss aus dem Schatten

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