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5. Kapitel
ОглавлениеJustizrat Brangheimer tritt in den elegant eingerichteten Salon. Er ist ein alter Freund des Professors und hat sein Wohlwollen auch auf den Sohn übertragen. Trotzdem ein wenig den Unwirschen spielend, kommt er fragend auf Alfred zu:
„Na — zu so früher Stunde hetzen Sie mich aus den Federn, mein lieber Herr Köster? Was geht denn vor?“
Alfred verneigt sich höflich, mit vollendeter weltmännischer Grazie.
„Ich muss schon um Entschuldigung bitten, — — aber wenn es nicht wirklich sehr dringend wäre —“
„Na — also schiessen Sie los!“
In kurzen Zügen berichtete Alfred, was in der Nacht geschah. Der Justizrat wird aufmerksam, runzelt die Stirn — trommelt nervös mit den Fingern auf die Platte des Tisches.
„Hm — — ja — — — das ist wirklich eine sehr peinliche Sache. Natürlich werde ich mich sofort für den Vater bemühen. Und sollte es wirklich zu einer Verhandlung kommen — — aber das wollen wir doch nicht hoffen.“
„Was raten Sie mir zu tun, Herr Justizrat?“
„Sehr einfach: erstens bringen Sie Ihrem Herrn Vater alles, was ihm den Aufenthalt in der Haftzelle erleichtern könnte. Zweitens forschen Sie nach dem vermeintlichen Schatten, auf den er geschossen hat. Am besten nehmen Sie dazu einen tüchtigen Privatdetektiv. Ich könnte Ihnen da einen empfehlen.“
„Ja — bitte?“
„Ein Italiener — fabelhaft tüchtig — — wenigstens nach den Erfolgen zu urteilen, die mir von ihm bekannt geworden sind.“
„So! Und wer ist das?“
„Hajo Sogalla — — er ist auch nicht teuer —.“
„Das spielt ja kaum eine Rolle, Herr Justizrat. Vor allen Dingen: der Mann ist gut?!“
„Dafür bürge ich. Rufen wir ihn doch gleich einmal an.“
„Das wäre sehr liebenswürdig.“
Schon hat der Justizrat das Tischtelefon zur Hand genommen, gibt seinem Vorsteher den Auftrag, ihn mit dem betreffenden Büro zu verbinden.
Nach einer Minute ist Herr Sogalla am Apparat.
„Herr Justizrat — Sie wünschen?“
„Habe fabelhafte Sache für Sie, Herr Sogalla. Professor Köster —“
„Ah — Kösters Schuss auf den Schatten! Ich weiss schon — ich weiss schon!“
„Sie wissen?“
„Nun ja — aus der Morgenzeitung.“
„Ah — die habe ich noch gar nicht gelesen. Aber Herr Köster junior ist eben bei mir — ich habe Sie ihm empfohlen.“
„Gut — in einer halben Stunde werde ich mich in der Villa von Köster melden.“
„Ich danke Ihnen.“
„Gar keine Ursache. Empfehle mich, Herr Justizrat!“
„Haben Sie gehört? Haben Sie gehört?“ fragt Brangheimer seinen Besucher, „ach nein — richtig — — Sie konnten ja gar nicht hören. Also: die Sache steht bereits in der Morgenzeitung. In einer halben Stunde will Herr Sogalla in Ihrer Villa sein.“
„Haben Sie die Zeitung da, Herr Justizrat?“
„Sie wird inzwischen gekommen sein. Warten Sie!“ Der alte Herr eilt zur Türe, öffnet ein wenig und ruft hinaus: „Johanna! Die Zeitung, bitte!“
Sie wird gebracht. Gleich auf der Stirnseite liest man in grossen Lettern:
„Der Schuss auf den Schatten“,
darunter, ein wenig kleiner:
„Professor Köster erschiesst seinen Widersacher!“
„Zeigen Sie — — zeigen Sie!“ bettelt Alfred. Mit fiebernden Augen liest er:
„Ein mysteriöses Verbrechen ist in der vergangenen Nacht geschehen. Um zwei Uhr hörte man Hilferufe in der Nähe der Villa des bekannten Raketenforschers Professor Köster. Ein Wächter der Nachtbewachungsgesellschaft fand einen Herrn mit einem Brustschuss auf dem Bürgersteig liegen, den man, noch lebend, mit einem zufällig vorbeikommenden Auto zum Krankenhaus brachte.
Hier wurde festgestellt, dass es sich um den Physiker Doktor Kranz handelte.
Inzwischen gelang es der Polizei festzustellen, dass aus der Villa von Köster geschossen wurde. Man nahm den Professor fest, obwohl er behauptete, nur auf einen Schatten gezielt zu haben, der plötzlich draussen auf seiner Veranda aufgetaucht sei. Diese Behauptung klingt wenig glaubhaft, zumal in Fachkreisen bekannt ist, dass gerade der Physiker Doktor Kranz in der Wissenschaft zu den heftigsten Gegnern des alten, ein wenig sonderlichen Professors zählte. Erst kürzlich erschien ein schroffer Artikel Kösters, der Doktor Kranz auf das heftigste angriff.
Immerhin wollen wir uns weiterer Vermutungen hier enthalten, bevor die Gerichte gesprochen haben. Jedenfalls darf man auf eine sensationelle Verhandlung gefasst sein.“
Alfred schleudert das Blatt auf den Tisch.
„Empörend! Einfach infam!“ murmelt er vor sich hin. „volle Entstellung der Tatsachen! Wartet nur — Bande!“
„Beruhigen Sie sich, lieber Freund — die Presse ist häufig nur einseitig unterrichtet. Tun Sie nur Ihre Pflicht und forschen Sie weiter, — das andere ergibt sich von selbst.“
Alfred zerknüllt seine Handschuhe zwischen den Fingern. „Glauben Sie etwa an eine Schuld meines Vaters?“ fragt er mit bebender Stimme.
„Nein — ganz im Gegenteil. Doch der Schein spricht dagegen. Ich werde mein Möglichstes tun, um auch meinerseits eine baldige Klärung herbeizuführen.“
„Ich danke Ihnen — — das gibt mir Mut. Nun will ich eilen, um Herrn Sogalla zu Hause nicht zu verfehlen.“
„Ja — — eilen Sie! Alles Gute, mein junger Freund!“