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3.5 Die Vertreibung aus dem Paradiese
ОглавлениеDas mythische Erleben hat auch einige Umstände der damaligen Erdverlagerung in Formen göttlichen Tuns zu verstehen getrachtet. In Genesis 3,8 ist die Rede davon, dass Adam und Eva die Stimme Gottes hörten, der im Garten Eden ging, und sie fürchteten sich. Die Stimme meint offenbar das Donnern, und das Erbeben der Erde beim Erdkippen schien von Schritten Gottes herzurühren. Furcht und Schrecken befiel die Menschen, die unter den Bäumen Schutz suchten.
Zum Schluss des Kapitels kommt dann die eigenartige Stelle, wo Gott fürchtet, Adam könnte sich auch noch am „Baum des Lebens“ vergreifen (Genesis 3,22). Was ist das für ein Baum? Doch sicherlich der Weltenbaum, der in so vielen Mythen vorkommt, unter den verschiedensten Bezeichnungen. Er ist das Symbol der Weltenachse, die gleichsam den Himmel trägt, also der verlängerten Erdachse. In der germanischen Mythologie beispielsweise wird die Weltenachse durch die Weltesche Yggdrasil dargestellt.
In diesem Zusammenhang bedeutet die Erwähnung des Weltenbaumes, dass mit der Himmelsachse irgend etwas besonderes geschah, wofür im Mythos eine Erklärung gesucht wird.
Wenn nach einer Polwende plötzlich ein anderer Sternhimmel erschien - der südliche anstelle des nördlichen - dann war das natürlich ein Ereignis ersten Ranges: Der Baum schien nun eine andere Krone zu tragen, es war scheinbar ein anderer Baum. Hier wurde er als der Baum des Lebens bezeichnet.
Da es eine nördliche und eine südliche Himmelsachse gibt, die eine zum Himmelspol des nördlichen, die andere zu dem des südlichen Sternenhimmels gerichtet, müsste man streng genommen auch im Mythos zwei Weltenbäume unterscheiden. Das kann man allerdings normalerweise nicht erwarten, weil von einem Beobachter auf der Nordhalbkugel ja entweder nur der nördliche Sternenhimmel betrachtet werden kann (bei östlichem Sonnenaufgang) oder der südliche (bei westlichem Sonnenaufgang). Um so bemerkenswerter ist es, dass im Buche Genesis doch von zwei Bäumen die Rede ist (2,9):
„Und Gott der Herr ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, lustig anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten (Eden) und den Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen.“
Die Himmelsmitte ist aber - wie in der heutigen Astronomie - der Himmelspol, wo der Weltenbaum als Symbol der Drehachse wächst. Dort stand der Lebensbaum in der Mitte des göttlichen Gartens, der nichts anderes als den Himmel meint - und zwar den südlichen Sternenhimmel, denn in der Epoche Eden ging die Sonne ja im Westen auf. Der zweite Baum, der Baum der Erkenntnis, muss sich folgerichtig auf die andere Seite des Sternenhimmels beziehen, also auf den nördlichen Sternenhimmel.
Mit den beiden Bäumen hat es also seine astronomische Richtigkeit - wie aber war es möglich, dass damals diese erstaunliche Kenntnis vorhanden war? Kann es sein, dass eine Generation, die eine Polwende miterlebt hat, beide Sternhimmel nacheinander sah?
Was geschieht nun mit den beiden himmlischen Bäumen? Adam isst verbotswidrig vom Baum der Erkenntnis. Das bedeutet, durch eine Polwende war der nördliche Sternhimmel sichtbar geworden, und zugleich ereignete sich eine spürbare Klimaverschlechterung, die als Vertreibung aus dem Paradiese gedeutet wurde. Als Adam den Baum der Erkenntnis vor sich, über sich hatte, war er der Versuchung erlegen.
Als das geschehen war, fürchtete Gott, er könne danach womöglich auch noch vom Baume des Lebens essen und dadurch ewiges Leben, Unsterblichkeit erlangen, also Gott gleich werden. Damit das unmöglich gemacht wurde, erfolgte die Vertreibung Adams aus dem Paradiese, und der Anblick des Baumes des Lebens war ihm für immer genommen.
Das bedeutet: die Erde hatte sich bei einer Polwende im kosmischen Raum total umgedreht. Der Nordpol war unter den Südhimmel gelangt und der Südpol unter den Nordhimmel.