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2. Konsequenzen – oder:
Wenn Gott im Horizont der Welt nicht mehr nötig ist

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Die Moderne weist den Menschen in die Welt zurück, nicht über sie hinaus. Weder für das Denken noch für das Tun des Menschen scheint der Gottesgedanke also etwas zu bezeichnen, das als „conditio sine qua non“ seines Denkens und Handelns angesprochen werden muss. Die Autonomie der Naturerkenntnis und der soziokulturellen Sachbereiche (Wissenschaft, Wirtschaft, Technik) macht die Hypothese „Gott“ zur Erkenntnis und Gestaltung von Natur und Gesellschaft überflüssig. Die Welt versteht sich von selbst und funktioniert ohne sein Eingreifen oder Zutun. Es geht auch ohne ihn. Es ist geradezu ein Unterscheidungsmerkmal moderner und vor-moderner Welterklärungskonzepte, ob darin noch die Größe „Gott“ auftaucht. Aus der Möglichkeit der Weltinterpretation und Weltgestaltung ohne Gott macht die Moderne die Notwendigkeit der Weltbewältigung ohne Gott – um der Autonomie der theoretischen wie der praktischen Vernunft willen. Ein Gott, auf den man für nichts mehr angewiesen ist, ist aber offenkundig kein „göttlicher“ Gott mehr. Wenn es für die Bewältigung innerweltlicher Problemlagen funktionale Äquivalente gibt, ist Gott ersetzbar geworden. Wofür es Ersatz gibt, das ist verzichtbar und entbehrlich. Ein verzichtbarer und entbehrlicher Gott ist aber kein „richtiger“ Gott, und darum kann das Reden von seiner Notwendigkeit auch nicht mehr richtig sein. Wenn Christen angesichts dieses Umstandes dennoch ihre Gottesrede fortsetzen, erbringen sie erst recht den Nachweis, dass sie eigentlich nichts Rechtes zu sagen haben.

Wenn sich die Theologie dieser resignativen Schlussfolgerung nicht anschließen und ihre Frage nach Gott nicht aufgeben will, kommt sie gleichwohl an dem Befund der innerweltlichen Nicht-Notwendigkeit Gottes nicht vorbei. Die Frage nach Gott kann nur im Kontext einer Gott los gewordenen Welt redlich gestellt werden. Ehe theologisch von der Weltzugewandtheit Gottes gesprochen werden kann, will die Gottabgewandtheit der Welt als normative Signatur der Moderne bedacht werden. Die „Gottlosigkeit“ der Moderne und ihr Streben nach Autonomie bedingen einander. Erst in der Verarbeitung dieser Interdependenz ist es möglich, das christliche Reden von Gott wieder denkbar und verantwortbar zu machen. Die Verarbeitung des neuzeitlichen Atheismus und die Formulierung eines christlichen Gottesbegriffs sind somit als zwei voneinander unablösbare Aufgaben zu begreifen.53

47 Vgl. hierzu ausführlicher Ch. BÖTTIGHEIMER, Lehrbuch der Fundamentaltheologie, 320–329 (Lit.); J. WERBICK, Gott verbindlich, 19–37; A. KREINER, Das wahre Antlitz Gottes – oder was wir meinen, wenn wir Gott sagen, Freiburg/Basel/Wien 2006, 17–31, 111–145 (Lit.); DERS., Ende der Wahrheit? Zum Wahrheitsverständnis in Philosophie und Theologie, Freiburg/Basel/Wien 1992, bes. 475–571.

48 Vgl. auch Lateranum IV (1215): „Wir glauben fest und bekennen …, dass es nur einen, wahren, ewigen, unermesslichen und unveränderlichen, unfassbaren, allmächtigen und unaussprechlichen Gott gibt“ (DH 800). In der religionsphilosophischen bzw. religionskritischen Literatur begegnet man nicht selten einem sog. „theistischen“ Gottesverständnis, das auch dem Christentum unterstellt wird. Siehe etwa N. HOERSTER, Die Frage nach Gott, München 2005, 13: „Nach theistischem Verständnis ist Gott das einzige, ewige, personale und körperlose, höchst vollkommene Wesen, das die Welt erschaffen hat sowie erhält und lenkt (…) Gott ist also durch die Summe der folgenden sechs Eigenschaften oder Merkmale definiert: 1. als einzig; 2. als ewig existent; 3. als körperlose Person; 4. als uneingeschränkt vollkommen; 5. als Ursprung der Welt; 6. als Erhalter und Lenker der Welt.“ Mir ist kein liturgischer oder dogmatischer Text bekannt, in dem Christen den Glauben an eine „körperlose Person“ bekennen, was immer mit dieser kruden Wortkombination auch gemeint sein mag. Dass sie das christliche Gottesverständnis zutreffend erfasse, wird geichwohl insinuiert von R. SWINBURNE, Die Existenz Gottes, Stuttgart 1987, 16 ff; J. L. MACKIE, Das Wunder des Theismus, Stuttgart 1985, 9 ff. Kurios mutet an die Notiz von W. LÖFFLER, Einführung in die Religionsphilosophie, Darmstadt 2006, 37 f.: „Theistische Religionen sagen von Gott aus, dass er zwar eine Person ist, aber keinen Körper hat, wie das für menschliche Personen gilt. Zwar gibt es in manchen Religionen Aussagen, wonach sich Gott im Ausnahme-fall menschlich-körperlicher Erscheinungsformen bedient hat, aber dies sind schon aus Sicht des gläubigen Denkens nur Ausnahmen von der Regel. Gottes Unkörperlichkeit hat zur Folge, dass man bestimmte andere Aussagen ebenfalls nicht in genau derselben Weise wie von einem Menschen machen kann: Gottes Erkennen etwa muss ohne Sinnesorgane und ein zentrales Nervensystem, sein Handeln ohne Gliedmaßen und Sprechwerkzeuge vonstatten gehen.“ – Vermutlich handelt es sich bei solchen „körperlosen Personen“ um Gespenster, die in der Welt der Fabel Einhörner züchten. Zur Frage, ob und wann die Philosophie beim Versuch, von Gott zu reden, sicher sein kann, von derjenigen Wirklichkeit zu sprechen, die im religiösen Sprachgebrauch „Gott“ genannt wird, vgl. R. SCHAEFFLER, Philosophisch von Gott reden. Überlegungen zum Verhältnis einer Philosophischen Theologie zur christlichen Glaubensverkündigung, Freiburg/München 2006, 15–60.

49 Aus der Unbegreiflichkeit Gottes ergibt sich nicht seine Unerkennbarkeit oder Unbeschreibbarkeit. Weder wird behauptet, dass von Gott nichts erkannt werden kann, noch wird die These aufgestellt, dass das von Gott Erkennbare sprachlich nicht korrekt bestimmbar sei. Dass Gott „wesenhaft und wirklich von der Welt verschieden“ ist, beschreibt ja eine Erkenntnis bezüglich der Existenz Gottes. Aber diese Erkenntnis impliziert für das Reden von Gott, dass aufgrund seiner ontologischen Verschiedenheit von der Welt keine Aussagen über Gottes „Wesenseigenschaften“ gemacht werden können, ohne zugleich deren wesenhafte Verschiedenheit gegenüber allen Eigenschaftsbestimmungen im Bereich des Geschöpflichen bzw. Welthaften auszudrücken. Auf diese je größere Verschiedenheit ist der Begriff der Unbegreiflichkeit Gottes zu beziehen. Zur näheren Differenzierung zwischen der Unbegreiflichkeit, Unbeschreibbarkeit und Unerkennbarkeit Gottes siehe auch J. HERZGSELL, Die Unbegreiflichkeit Gottes, in: Ders./J. Perčič (Hg), Religion und Rationalität, Freiburg/Basel/Wien 2011, 36–48.

50 Traditionell haben Gottesbeweise die Funktion übernommen, durch rationale Argumentation das dem Glauben Selbstverständliche (= Existenz Gottes) in eine Selbstverständlichkeit des Denkens zu überführen. Zumindest sollte jede/r Denkende der vom Glauben für selbstverständlich gehaltenen Rede von der Existenz Gottes am Ende mit so viel Verständnis begegnen können, dass sie als „nicht unvernünftig“ qualifizierbar erscheint. Zur Konjunktur und Krise dieser Erwartungen siehe R. SCHAEFFLER, Philosophische Einübung in die Theologie. Bd. 1, Freiburg/München 2004, 28–75; Ch. BÖTTIGHEIMER, Lehrbuch der Fundamentaltheologie, 200–232, K. MÜLLER, Glauben – Fragen – Denken. Bd. III, Münster 2010, 521–695; N. SLENCZKA, Gottesbeweis und Gotteserfahrung, in: E. Runggaldier/B. Schick (Hg.), Letztbegründungen und Gott, Berlin/New York 2010, 6–30.

51 Zu dieser Typologie der Gottesbeweise siehe J. SCHMIDT, Philosophische Theologie, Stuttgart 2003. Vgl. ferner G. KREIS/J. BROMAND (Hg.), Gottesbeweise von Anselm bis Gödel, Berlin 2011; R. HILTSCHER, Gottesbeweise, Darmstadt 2008.

52 Vgl. hierzu etwa G. ROPOHL, Sinnbausteine für ein gelingendes Leben. Ein weltlicher Katechismus, Leipzig 2003; M. ONFRAY, Die reine Freude am Sein. Wie man ohne Gott glücklich wird, München 2008.

53 Vgl. hierzu ausführlicher H.-J. HÖHN, Der fremde Gott, 22–57; DERS., Gottes Fremde. Theologie in postsäkularen Konstellationen, in: A. Franz/C. Maass (Hg.), Diesseits des Schweigens. Heute von Gott sprechen, Freiburg/Basel/Wien 2011, 177–204.

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