Читать книгу Gott - Offenbarung - Heilswege - Hans-Joachim Höhn - Страница 5

Vorwort

Оглавление

Der Gegenstand der Theologie ist zwar Gott und die Weise, wie Menschen an ihn glauben. Aber ihre Methoden sind darauf aus, diesem Gegenstand in der Weise des Denkens gerecht zu werden. Kann man das, was Christen glauben, auch widerspruchsfrei denken? Ist mit den Mitteln der Vernunft vertretbar, wofür Christen eintreten? Wer diese Fragen stellt, treibt bereits Theologie. Es handelt sich um Fragen, die gleichermaßen von glaubenden und glaubensfernen Zeitgenossen diskutiert werden können. Sie verlangen nichts anderes als kritische Nachdenklichkeit und eine wache Vernunft. Beides erreicht man nach gängiger Überzeugung am ehesten durch die Lektüre von Texten, die einen besonderen Platz in der Geschichte des Denkens einnehmen und bis heute zu denken geben. Aber bereits für Thomas von Aquin (1225–1274) war klar, dass bloße Belesenheit nicht genügt, um Lehr- und Lernziele zu erreichen: „Das Studium der Philosophie ist nicht dazu da, zu erfahren, was andere gesagt haben, sondern wie die Wahrheit der Dinge sich verhält“ (Sententia super Librum De caelo et mundo, I, 22). In der Theologie gilt dieser Satz ohne Abstriche. Zwar wird auch hier viel Zeit und Energie aufgewendet für das Nachdenken von Einsichten, die von Meisterdenkern stammen. Hinzu kommen ausgiebige Exkurse in die Ideen-, Kultur- und Sozialgeschichte des christlichen Glaubens. Allein damit kommen jedoch Lehren und Lernen nicht an ihr Ziel des kritischen Selberdenkens. Deswegen muss irgendwann die Frage gestellt werden: „Was denkst du denn? Was leuchtet dir ein? Was hältst du für wahr?“ Eine eigene Meinung, Position und Option ist gefragt. Das gilt nicht nur für Studierende in ihrem Abschlussexamen. Auch an die Adresse der Lehrenden ist die Aufforderung zu richten: „Beziehe Position! Sag, was du denkst! Verstecke dich nicht in und hinter Traditionen! Rücke mit deiner eigenen Meinung und Sprache heraus.“

In der Theologie kommt zur Frage „Was denkst du denn?“ die Frage noch hinzu: „Was glaubst du denn?“ Dahinter steckt die Aufforderung: „Verstecke dich nicht hinter Bibel, Dogma und Lehramt! Rede in der ersten Person Singular! Sag, was du (noch) glaubst – und was du nicht (mehr) glaubst! Rücke mit deiner eigenen Sprache und deinem eigenen Glauben heraus!“ Solche Aufforderungen sind einerseits berechtigt, andererseits in akademischen Kontexten aber auch prekär. Soll hier jemand bedrängt und gedrängt werden, etwas als wahr zu bekennen oder als unglaubwürdig zu kritisieren? Ist ein akademisches Vorhaben der rechte Ort für Bekenntnisse und Geständnisse? Verträgt sich ein solches Drängen mit der Freiheit des Denkens? Geraten hier nicht Glauben und Denken in Bedrängnis?

Befürchtungen dieser Art sind unbegründet. Kann man denken, was man glaubt, dann kann man auch frank und frei sagen, was man denkt. Und dann kann man auch mit guten Gründen aus freien Stücken eine Antwort auf die Frage geben: „Was denkst du denn, was man vernünftigerweise glauben kann?“ Mit dieser Frage lässt sich auch der Focus aller folgenden Erörterungen von Thema, Anliegen und Ziel einer zeit- und sachgemäßen Fundamentaltheologie einkreisen: Was ist unter den Bedingungen der Gegenwart glaubwürdig und rational vertretbar als Basis und Kern des christlichen Glaubens? Was ist daran strittig und über welche Inhalte lohnt ein Streit?

Bei der Suche nach überzeugenden Antworten ist die Geschichte des theologischen Denkens zweifellos eine wichtige Quelle. Aber nicht in jedem Fall eignen sich die Ansätze der Vergangenheit für die Bewältigung von Problemen der Gegenwart. Immer häufiger sind Innovationen gefragt. Die Herausforderungen, die von der zeitgenössischen Philosophie, aber auch von Provokationen aus dem Bereich der Naturwissenschaften ausgehen oder mit der Pluralität der Religionen im Zeitalter der Globalisierung verbunden sind, verlangen nach Neuerungen im Begriffs- und Methodenrepertoire der Theologie. Der hier vorgelegte Grundriss einer Fundamentaltheologie stellt sich dieser Aufgabe. Wer um ihre Komplexität weiß, wird skeptisch sein, ob sie in einem Buch von nur einem Autor zureichend bewältigt werden kann. Ist hier nicht Teamarbeit gefragt? In der Tat steht hinter diesem Buch kein Autorenkollektiv. Es ist aber auch nicht im Alleingang entstanden. In den zwei Jahrzehnten meiner Lehrtätigkeit an der Universität zu Köln sind seine Grundthesen immer wieder mit meinen Mitarbeitern und meinen Studierenden in Vorlesungen und Seminaren diskutiert worden. Besonders zu danken habe ich Martin Dürnberger, Gregor Reimann und Claudia Rott. Ihr beharrliches Nachfragen und ihre Kritik haben dazu geführt, dass ich neben den Auskünften der theologischen Klassiker zur Verantwortbarkeit des christlichen Glaubens immer wieder auch mit eigenen Worten sagen musste, was davon nach meiner Überzeugung mit Fug und Recht heute (noch) vertretbar ist. Nicht alle meiner Thesen wurden auf Anhieb geteilt. Dass über sie bisweilen heftig gestritten wurde, hat aber allen Beteiligten einen Zugewinn an Einsichten gebracht. Genau darin besteht für mich der Reiz theologischen Denkens. Es lebt von der Kunst der Bestreitung. Es lehrt, wie man gekonnt miteinander streitet. Und es drängt darauf, dass das Streiten dem Miteinander zugute kommt. Was erwartet jemanden, der sich darauf einlässt? Blättern Sie um!

Köln im Sommer 2011

Hans-Joachim Höhn

Gott - Offenbarung - Heilswege

Подняться наверх