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31. Bern (Schweiz), August 2011

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Die herumwuselnde Fernsehmannschaft, die wild durcheinander aufgestellten Gerätschaften, die grellen Scheinwerfer und wirr auf dem Boden ausgelegten Kabelstränge wirkten sich störend auf die Atmosphäre im Haus aus, allen Beteuerungen der Fernsehleute zum Trotz. Bernhard Furgler blieb trotzdem gelassen. Seine zunehmende Popularität würde die Sache Gottes voranbringen und das Volk des Herrn bekannter machen. Tausende von Menschen hatten sich in den letzten Jahren seiner Bewegung angeschlossen. In über fünfzig Städten besaßen sie eigene Gemeinschaftshäuser, in denen das Leben der Freikirchlichen pulsierte. So wurden sie offiziell genannt: Freikirchliche. In wenigen Minuten begann die Sendung, die eine Stunde dauern sollte. Ein Porträt sollte es werden. Die Livesendung aus dem Wohnzimmer würde, so hatte es die Regie geplant, immer wieder durch Szenenwechsel und Rückblenden unterbrochen. Das Schweizer Fernsehen bot zwei Starmoderatoren auf, einen Mann und eine Frau, die jetzt auf der Couch gegenüber von Bernhard Furgler Platz nahmen und die beide für ihre eher kritische Haltung gegenüber Kirche und Religion bekannt waren. Der Regieassistent bat um Ruhe und gab bekannt, dass es noch eine Minute bis zum Sendebeginn daure. Professionelle Nervosität breitete sich aus. Die Scheinwerfer wurden eingeschaltet. Die Mikrofone funktionierten. Alle rückten sich auf ihren Polstern zurecht und setzten sich in die beste Pose gegenüber den Kameras. Der Regieassistent zählte von zehn abwärts bis null und rief dann laut: “Sendung!“ Eine hübsche brünette Moderatorin zauberte flugs ihr schönstes Lächeln in ihr Gesicht und hob das Mikrofon.

„Guten Abend, meine sehr verehrten Zuschauerinnen und Zuschauer. Mein Kollege Peter Roll und ich, Caroline von Kastel, begrüßen Sie herzlich zu einer neuen Ausgabe unserer Sendung Abendtreff. Wir sind heute Abend zu Gast zu Hause bei Bernhard Furgler in Bern, besser bekannt als der Bischof. Guten Abend, Herr Furgler!“, schloss die Moderatorin ihre Einführung und wandte sich mit einer übertriebenen Geste Furgler zu.

Das Kamerabild wechselte zu Bernhard Furgler und zeigte ein entspanntes, aufmerksames und sympathisches Männergesicht. Furgler sah wirklich gut aus. Die meisten Frauen fanden ihn sehr anziehend, ohne das je öffentlich einzugestehen. Er trug markante Züge, volles braunes Haar, eine hohe Stirn und große blaue Augen, ein Mann in den besten Jahren. Seine Aura verströmte Selbstsicherheit und Erfolg, aber auch grenzenlose Liebe und Vertrauen. Seine wohlklingende tiefe Stimme rundete das Gefühl der Menschen ab, ihn spontan zu mögen. Furgler trug einen Blazer und ein Hemd ohne Krawatte.

„Ihnen allen hier und allen lieben Zuschauerinnen und Zuschauern zu Hause an den Bildschirmen wünsche wir Furglers einen schönen guten Abend. Zusammen mit meiner Familie freue ich mich, dass so viele Menschen heute Abend bei uns zuhause zu Besuch sind. Sie können gerne die Kamera ein bisschen herumschwenken: Sie sehen unseren Lieblingsraum, unser Wohnzimmer, in dem sich die Familie am Liebsten aufhält, selbst unser Hund und die Katze verbringen einen großen Teil ihrer Zeit in ihren Körbchen und sind Teil unserer Gemeinschaft. Allerdings sind wir diese Öffentlichkeit nicht gewöhnt und ich darf deshalb alle um Verständnis bitten, wenn die Familie nicht mit auf der Couch sitzt.“

Der Moderator Peter Roll ergriff das Wort: „Auch von mir einen wunderschönen guten Abend an alle Zuschauer. Bernhard Furgler, oder besser gesagt, der Bischof, ist eine Person, die einen gewissen Einfluss auf das Leben der Menschen in der Schweiz ausübt und auch öffentlich seine Stimme zu bestimmten Umständen in unserm Land erhebt. Die Gemeinschaft, der er vorsteht, nennt sich das Volk des Herrn. Warum“, fragte der Moderator an Bernhard Furgler gewandt, „nennt man Sie den Bischof und was für eine Gemeinschaft ist das Volk des Herrn?“

„Es freut mich, diese Fragen zu beantworten! Die Gemeinschaft will in starker Anlehnung an die Heilige Schrift, das Wort Gottes, nach außen und innen ein gottesfürchtiges Leben führen. Wir leben aber nicht vor zweitausend Jahren, sondern in einer, so sagen viele, modernen Welt. Die Menschheit und ihre Geschichte haben eine rasante Expansion der Naturwissenschaften erlebt, die Welt ist endlich geworden, wir sind global vernetzt, aufgeklärt, demokratisch. Aber diese Welt ist auch überschattet von Kriegen, schrecklichem Leid, das sich die Menschen zufügen und es gibt Verlierer, die vom Rand des modernen Tisches gefallen sind. Eine solche Moderne kann die Orientierung an göttlichen Lebensprinzipien nicht ersetzen. Wir alle müssen sterben, sind endlich, erleben und teilen Leid aus, sind nicht immun gegen harte Schläge des Schicksals und sehnen uns nach einem Sinn im Leben, egal, mit wie viel Wohlstand wir ausgestattet sind. Die Gemeinschaft, die wir Volk des Herrn genannt haben, hilft den Menschen, ihren Frieden mit Gott zu schließen. Die Gemeinschaft gibt diesen Menschen eine Heimat, und wir helfen einander, unser Leben und unseren Alltag an den göttlichen Lebensprinzipien auszurichten. Ich bin als Bischof der von diesen Menschen gewählte erste Diener dieser Gemeinschaft.“

„Das klingt schön!“ antwortete die Moderatorin. „Aber wer sagt denn in der Gemeinschaft, wo es langgeht, was man darf und nicht darf und was passiert mit denen, die nicht auf Ihre Art selig werden wollen?“

„Ich verstehe Ihre Frage, Frau von Kastel. Die Antwort darauf ist für Sie enttäuschend: Es gibt keine Vorschriften oder einen Verhaltenskodex. Nirgends sagt Ihnen jemand, was Sie tun dürfen und was nicht.“

Die Moderatorin war mit der Antwort wirklich nicht zufrieden, ließ sich aber ihre Gereiztheit nicht anmerken, sondern leitete sehr elegant zum nächsten Punkt der Regieplanung.

„Wir sind natürlich sehr gespannt, ob es wirklich so ist, wie Herr Furgler uns das hier verspricht. Peter Roll hat sich unter das Volk des Herrn gemischt. Er durfte mit vielen Menschen sprechen und ihre Gottesdienste besuchen. Daraus hat er für uns einen spannenden Bericht gezaubert.“

Der Immanuel-Plan

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