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18. München (Deutschland), Mai 1992

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Der englische Garten strahlte in frischem Grün. Blumenbeete mit ihren bunten Mischungen aus Frühlingsblumen sorgten dafür, dass die Farben überliefen. Dr. Habsberg saß allein mit einer Frankfurter Allgemeinen auf einer Bank in der Nähe des chinesischen Tempels. Wie verabredet. Er hatte nie eine Wahl. Seine heimliche Spielsucht hatte ihn beinahe ruiniert. Bisher war es ihm gelungen, alles vor seiner Familie geheim zu halten, aber in Kürze, so sagte es ihm sein bester Freund bei der Hausbank, würde er auch noch das letzte Eigentum, das schöne Haus in Süden Münchens, an die Bank verlieren. Und dann? Es gehörte eigentlich alles seiner Frau. Sie hatte bedeutenden Reichtum in die Ehe gebracht, aber dessen Verwaltung ihrem Mann in blindem Vertrauen übertragen. Da es ihnen gut ging, fragte sie nie. Immer tiefer war er in den letzten zwölf Monaten in die Misere gerutscht. Ein Mann in einem beigefarbenen Trenchcoat lief auf die Bank zu und setzte sich neben ihn, einen Zwischenraum lassend. Der Unbekannte sprach ihn an.

„Dr. Habsberg?“

„Ja der bin ich. Und mit wem habe ich die Ehre?“

„Das ist im Moment unwichtig. Ich möchte Ihnen einen Vorschlag unterbreiten. Sie erhalten alle verlorenen Millionen zurück. Es dürfte sich um genau 4,3 Millionen DM handeln, die Sie verspielt haben. Dafür schließen wir mit Ihnen einen Vertrag.“

„Woher kennen Sie eigentlich meine Verhältnisse?“

„Bitte Herr Dr. Habsberg, stellen Sie einfach keine Fragen, da es darauf keine Antworten geben wird.“

„Was für einen Vertrag wollen Sie schließen? Soll ich Ihnen meine Seele verkaufen?“, sagte Habsberg ironisch.

„In gewisser Weise ja!“, antwortete der Unbekannte schmunzelnd. „Sie sind in Ihrem Institut einigen beunruhigenden Fakten auf der Spur. Sie kaschieren diese Ergebnisse und wir kaschieren Ihre Spielsucht.“

„Niemals!“, brauste Habsberg auf. „Eher würde ich …“ Er zögerte.

„… Ihre Schulden als Taxifahrer abarbeiten? Ihre Reputation einbüßen? In Schimpf und Schande weggejagt werden? Ihre Lehrbefähigung aufs Spiel setzen?“

„Was genau soll ich kaschieren?“

„Die Ergebnisse Ihrer Feldstudien über die Auswirkung des Fernsehens auf die Gewaltübertragung und Sie stellen sofort alle Studien über das Suchtverhalten in Verbindung mit Fernsehkonsum ein.“

„Sind Sie verrückt? Das geht nicht. Es handelt sich um bahnbrechende Erkenntnisse. Sie sind bisher einmalig. Ich bin der Erste, dem es gelungen ist, aufzuzeigen, dass Gewaltdarstellung im Fernsehen zu manifester Gewaltanwendung bei männlichen Jugendlichen führt. Und ich bin kurz davor nachzuweisen, dass Fernsehen zu einem suchtartigen Konsum verführt, ähnlich Drogen, Alkohol oder Nikotin. Die hormonell-chemischen Prozesse unterscheiden sich erheblich von bekannten Suchtabläufen und entfalten ihr Wirkzentrum nur im Gehirn. Dort entsteht mit zunehmendem Fernsehkonsum eine bisher unentdeckte Hormonpumpe, die bei Abstinenz anfängt, Amok zu laufen und …“

„Herr Dr. Habsberg“, sagte der Unbekannte leicht unfreundlich, „Sie sollen mir keine Vorträge halten, sondern diesen Vertrag unterschreiben.“ Dabei holte er aus seinem Trenchcoat einen Umschlag. Dem Umschlag entnahm er ein Dokument.

„Ich unterschreibe nichts, was ich nicht kenne!“, sagte Habsberg trotzig.

„Sie sollen es ja lesen, bevor Sie unterschreiben!“

„Ich kann meine Forschungen nicht aufgeben, was Sie verlangen, ist unmöglich.“

„Sie sollen es gerade nicht aufgeben, sondern für uns arbeiten. Allerdings versichere ich Ihnen, dass die Ergebnisse Ihrer Forschungen natürlich vorher von uns festgelegt werden. Und Sie sollen uns auf dem Laufenden halten, falls eventuell auch andere Forscher zu ebenso „falschen“ Schlussfolgerungen über den Fernsehkonsum kommen. Geben Sie sich einen Ruck. Überlegen Sie sich, was Sie gewinnen! Und überlegen Sie, was Sie verlieren. Niemand merkt etwas. Aber Sie sind ein gemachter Mann.“

„Ich kann das nicht …“ flehte Habsberg.

„Lesen Sie den Vertrag, das ist Ihre letzte Rettung. In den nächsten Tagen fliegt Ihnen Ihr Leben sonst gründlich um die Ohren. Früher endeten solche Tragödien mit einem ehrenvollen Tod.“

Habsberg riss dem Unbekannten den Vertrag aus der Hand. Er wusste, dass er keine andere Wahl hatte. Er war immer ein Feigling. Nie besaß er wirklich Mut. Seine Spielsucht hatte ihn ruiniert.

„Es gibt noch einen Punkt, den Sie in dem Vertrag besonders beachten müssen. Sie dürfen nicht mehr spielen. Nie mehr. Sonst erlischt der Vertrag und alle Zahlungen, die Sie von uns erhielten, werden sofort fällig.“

„Tiefer kann ich ja nicht mehr sinken“, ächzte Habsberg.

„Dafür bekommen wir aber einen neuen, tüchtigen Mitstreiter für das Fernsehen.“

„Sie Teufel!“

Nach kurzem Durchlesen hielt ihm der Unbekannte einen Kugelschreiber hin. Dr. Habsberg unterschrieb und wollte sich erheben. „Bitte nicht so eilig. Ihr neuer, inoffizieller Arbeitgeber legt Wert auf ein schnelles Treffen. Hier sind Adresse und Uhrzeit. Seien Sie pünktlich und es gilt ab jetzt die Schweigepflicht. Es war mir eine Freude, Herr Dr. Habsberg.“

Der Unbekannte berührte jovial mit der rechten Hand seine Hutkrempe. Dann erhob er sich und ging denselben Weg zurück.

Der Immanuel-Plan

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