Читать книгу Der Immanuel-Plan - Hans Jürgen Tscheulin - Страница 14

11. Bad Krozingen (Bundesrepublik Deutschland), Juni 1990

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Am nächsten Morgen verflogen die Träume der Nacht nicht wie üblich. Ein Film wiederholte sich ständig. Er rannte mit seinen Kindern über ein Feld und dann zwischen Häusern hindurch. Hinter ihnen raste eine Feuersbrunst her. Sie waren verloren, denn vor ihnen tauchte eine Anhöhe auf. Dann wachte er schweißgebadet auf. Es war ihm nicht gelungen, seine Kinder zu retten. Er fühlte noch die Angst und Aussichtslosigkeit, schüttelte jedoch schnell die Gedanken an den Albtraum ab und konzentrierte sich auf das vor ihm Liegende. Er erinnerte sich an die neue Instruktion, für den Kontakt ab sofort ein Schließfach im Hauptbahnhof in Freiburg zu benutzen. Seinen nächsten Rapport sollte er darin hinterlegen. Er rief die Firma Kühni in Olten an. Sie tauschten nun alle notwendigen Telefon- und Faxnummern aus. Herr Kühni avisierte eine größere Bestellung. Die Lieferung erwarte er in ca. drei Wochen. Den genauen Termin würde er ihm noch mitteilen. Trotz der neuen Entwicklung fühlte Neumeyer sich unwohl, weil sich alles so lang dahinzog. Die Übernahme der Baustoffhandlung war immer noch nicht rechtskräftig abgeschlossen und die Kinder wurden weiterhin vom Vikar vertröstet. Seine Gedanken schweiften wieder ab zu dem Traum. Ein weiteres Mal ließ er den Film Revue passieren. Er spürte den Drang, seine Kinder zu beschützen. Seine Ungeduld und seine Unzufriedenheit hingen damit zusammen, dass er nicht mit ihnen zusammenleben konnte. Bis vor kurzem war er viel abgebrühter. Es gab nur das Projekt und seinen Profit, den er daraus ziehen würde. Innerhalb weniger Wochen hatte sich sein Wertesystem total verändert. Warum lösten Kinder solche Gefühle aus? Waren das die Gene? Aktivierten sie ein anderes Verhaltensmuster? Wurden Leben und die zugehörigen Gefühle so einfach gesteuert? Oder gab es einen anderen Sinn? Sinn! Er ging gestern Abend weg, weil er von niemandem einen fix und fertig vorkonfektionierten Sinn übernehmen wollte. Natürlich strebten alle Menschen nach etwas. Gaben Kinder einen Sinn im Leben? Offensichtlich kümmerte es ihn, was einmal aus ihnen würde. Aber könnte er sich wirklich um sie kümmern? Wo würden sie leben? Würde man sie verfolgen? Dieser Gedanke elektrisierte ihn, denn plötzlich sah er das Muster vor Augen. Das Vernichtungsmuster. Seit nahezu 15 Jahren diente er einer Organisation, die hinter den Kulissen skrupellos zuschlug. Er war jahrelang Zeuge, mit welcher Unerbittlichkeit man betrog, Menschen missbrauchte und Existenzen vernichtete. Notfalls wurde Leben ausgelöscht, um Ziele zu erreichen. Das galt auch für das Projekt, es durfte nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken, man würde deshalb alle potenziellen Mitwisser gnadenlos beseitigen. Auch ihn. Die Bonzen machten sich dabei nie selbst die Hände schmutzig, aber sie ordneten die Schweinereien geschickt an. Sie zogen auch hier hinter den Kulissen die Fäden, obwohl sie abgedankt hatten. Wie konnte er so blöd sein und ihnen auch nur eine Minute vertrauen? Er musste nicht nur die Kinder schützen, sondern auch sich selbst. Wieso änderten Kinder seine Perspektive? Wieso war er so lange von blindem Gehorsam beseelt? Waren seine Entscheidungen richtig? In Wirklichkeit diente er sein halbes Leben einem skrupellosen und verbrecherischen Regime. Was würden seine Kinder später dazu sagen? Ihn verachten? Ihn einen Feigling oder einen Versager schimpfen, weil er sich nicht gewehrt und mitgespielt hat? War er ein Schlappschwanz? Wenn alles falsch war, was war dann richtig? Er dachte an das Zelt und den Prediger von gestern Abend. Dann stand sein Entschluss fest. Er fuhr nach Olten.

Der Immanuel-Plan

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