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5. DER FREMDE VON TRAVERSAN

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Vergangenheit 5772 v. Chr. / 12.402 da Ark

Ich konnte mich wieder bewegen. Vorsichtig winkelte ich die Arme an. Ich hatte wieder Gefühl in den Fingerspitzen.

Mein Gürtel war tatsächlich an drei Stellen zerfetzt. Meine technische Ausrüstung, schon vorher nicht besonders üppig, hatte ich vollständig eingebüßt. Dafür funktionierte der Aktivatorchip in meiner Schulter einwandfrei.

Meine Ohren nahmen kaum etwas wahr als das allgegenwärtige, nicht besonders laute Windgeräusch der Wüste. Es gab keine Stimmen, keine Maschinengeräusche. Nur meinen eigenen Atem – und den zu hören war mir immerhin eine große Beruhigung.

Ich zweifelte mittlerweile daran, dass tatsächlich ein Zeitexperiment stattgefunden hatte. Es gab nicht den geringsten Hinweis darauf, sah man von den Behauptungen der verrückten Positronik ab. Die Tatsache, dass ich noch am Leben war, schien eher das Gegenteil zu stützen.

Langsam drehte ich mich einmal um die eigene Achse. Mein photographisches Gedächtnis hatte ein genaues Abbild der Wüste aufgezeichnet. Im Detail ergaben sich zahlreiche Unterschiede; hier ein verlagerter Stein, dort eine neue Senke, außerdem war die Umgebung merklich rauer, urwüchsiger anzusehen als vorher.

All diese Details konnten auch auf einen völlig anderen Vorgang zurückzuführen sein als ausgerechnet auf eine Zeitreise. Ich wusste nur nicht, auf welchen.

Ich hatte den Eindruck, dass ein verbrannter Geruch in der Luft lag. Der Wind trug sämtliche aerosolen Brandrückstände schnell davon. Wenn es einen Brand gegeben hatte, musste er sofort wieder erloschen sein.

Mein zweiter Impuls war, davonzurennen und mich in Deckung zu begeben. Doch ich zwang mich, weiterhin mit sparsamen Bewegungen zu agieren.

Ob dies eine ferne Vergangenheit war oder nicht, blieb dahingestellt – dass es sich um eine höchst eigenartige, wahrscheinlich gefährliche Lage handelte, in der ich mich befand, stand außer Zweifel.

Vorsichtig vollendete ich eine komplette Drehung um meine Achse. Nichts war zu sehen. In meine Glieder kehrte das Gefühl vollständig wieder zurück. Von nun an hielt ich mich für handlungsfähig. Ich kletterte vom Altar herab.

»Gehirn?«, fragte ich mit halblauter Stimme.

Keine Antwort.

Wenn es stimmte, was die Positronik zuvor behauptet hatte, dann fehlte ihr die Energie. In dem Fall konnte sie keine Antwort mehr geben.

Ich näherte mich einer Kuppel. Es war eines der Gebäude, die Cinthia für verschlossen erklärt hatte. Nun aber stand der Eingang offen.

Der Extrasinn erklärte: Es ist denkbar, dass sich ohne funktionierende Energieversorgung sämtliche Türen automatisch geöffnet haben. Und zwar dann, wenn die Verriegelung auf energetischen Feldern beruht.

Ich lugte vorsichtig ins Innere. Falls es automatische Geschütze gab, so waren sie ebenso lahmgelegt wie das Stationsgehirn und die Türverriegelung.

Nach wenigen Sekunden gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. Ich besaß keine Lampe, also musste ich mit dem spärlichen Licht auskommen, das durch den Türspalt fiel.

Mein Blick fiel auf bullig wirkende, absolut unverständliche Gerätebatterien. Polierte Oberflächen wechselten sich mit fein gerasterten Strukturflächen ab. Armdicke Leitungen oder Rohre verbanden die Aggregate miteinander. Einige der Blöcke reichten bis zur Kuppeldecke, also vierzig Meter hoch, andere türmten sich wie wacklige Kartons übereinander.

Ich unternahm einen Rundgang.

Mit den geeigneten Messgeräten hätte ich zweifellos Stunden in der Kuppel zugebracht; mit nichts als den bloßen Händen schien mir ein weiterer Aufenthalt wenig sinnvoll.

Die nächste Kuppel unterschied sich kaum von der ersten, nur dass die Dichte der Aggregate weitaus höher lag. Dasselbe beim dritten Versuch – und Kuppel Nummer vier war jene, die ich bereits in Begleitung von Cinthia inspiziert hatte.

Die fünfte und letzte Kuppel brachte mir endlich so etwas wie einen Erfolg. Ich erkannte auf Anhieb die typischen Bauformen einer Positronik, und auch die wenigen Bedienungselemente schienen mir vertraut. Es handelte sich um Technik, wie die Meister der Insel sie verwendet hatten.

Hast du daran noch gezweifelt, Narr?

Die Positronik erwies sich als inaktiv. Keine der Schaltungen, die ich probeweise vornahm, bewirkte eine Veränderung. Die Kontrollen blieben dunkel. Ohne Energie war kein Zugriff auf die Systemsteuerung möglich.

Im hinteren Teil der Kuppel war die Orientierung besonders schwer; hierher gelangte kaum noch ein Lichtstrahl. Dennoch gelang es mir, die Speicherbatterien der Energieversorgung zu identifizieren.

»Da liegt also das Problem …«, murmelte ich.

Angenommen, hier hat tatsächlich ein Zeitexperiment stattgefunden, begann der Logiksektor, dann wirst du eine Möglichkeit suchen müssen, die Speicher wieder aufzufüllen. Sonst kannst du nicht in die Gegenwart zurückkehren.

Ich fand, dass mein Extrasinn in seinen Folgerungen zu weit vorauseilte. Noch war die Theorie eines Zeitsprungs nicht bewiesen.

Wo sind dann Cinthia und die Archäologen?

Ich ignorierte die Stimme in meinem Inneren. Stattdessen vollendete ich den kleinen Rundgang. In einem besser einsehbaren Bereich der Kuppel stockte ich plötzlich; meine Nase nahm wieder den verbrannten Geruch wahr, wenn auch nur in Spuren.

Mir fiel eine Art Schnittstelle zwischen Positronik und Energieversorgung ins Auge. Ich bemerkte eine deutlich geschwärzte, rußige Stelle.

»Da hat irgendwas geschmort!«, erklärte ich triumphierend. »Na also!«

Narr! Das ist nichts, worüber du dich freuen solltest. Eine Beschädigung wäre ein schwerer Nachteil für dich.

Ich nahm mir eine halbe Stunde Zeit, mich im Gewirr der Schaltungen und positronischen Verknüpfungen zurechtzufinden. Ohne Energie war es schwer, den Sinn der Konstruktion zu durchschauen, und es gelang mir auch nur in bescheidenem Maß.

Am Ende der halben Stunden förderte ich jedoch ein Bauteil zutage, das deutlich beschädigt war. Es ließ sich von Hand aus seiner Halterung lösen. Wenn ich das Schaltmuster richtig durchschaute, dann wurde von hier aus die Energie in den Rest der Kuppelanlage geschleust.

Im Augenblick der vollständigen Speicherentleerung musste sich ein energetischer Überschlag ereignet haben.

Mit zusammengekniffenen Augen drehte ich das Objekt: Es schien sich um eine Art Brillant zu handeln, jedenfalls legte der Facettenschliff den Gedanken nahe. Trotz des Zwielichts erkannte ich ein rauchig-transparentes Violett mit schwärzlichen Einschlüssen. Die Einschlüsse deuteten auf beschädigte Stellen hin.

Es handelte sich um ein zentrales Bauteil. Ob es irgendwo in der Station so etwas wie ein Ersatzteillager gab, wagte ich zu bezweifeln. Vielleicht in den unterirdischen Bereichen; doch wie sollte ich die untersuchen, solange ich nicht über Licht, Werkzeug und Ortergerät verfügte?

Ich fand mich damit ab, dass die Angelegenheit kompliziert werden würde.

In der Kuppel gab es für mich nichts mehr zu tun. Es schien mir logisch, zunächst die restlichen Umstände zu klären.

Nachdenklich bewegte ich mich in Richtung Ausgang. Das von Abermilliarden Sandkörnern gestreute Licht der Yssods-Wüste war blendend grell. Ich blickte in die Richtung, die ich für Norden hielt, und überlegte, ob es eine Möglichkeit gab, zu Fuß nach Erican zurückzugelangen.

Mein Extrasinn beurteilte den Plan als aussichtslos. Andererseits würde ich allein in der Wüste in kurzer Zeit verdursten, Zellaktivator oder nicht. Vielleicht gab es irgendeine andere Siedlung, die ich erreichen konnte?

Narr! Pass auf!

Ich stand sofort still. Mit allen Sinnen lauschte ich in die Wüste hinaus. Etwas war falsch, ich wusste nur nicht, was.

»Okay, Fremder!«, ertönte plötzlich eine Stimme. »Das reicht jetzt!«

Am Rand meines Gesichtsfeldes gewahrte ich einen Schatten. Besser gesagt, eine Phalanx von Schatten, die sich alle leicht bewegten.

»Drehen Sie sich ganz langsam um! Besser, wenn Sie keinen Fehler machen!«

Die Stimme – sie sprach altertümliches Arkonidisch!

Nach dem Alt-Tefroda der Station immerhin eine nette Abwechslung, kommentierte der Extrasinn ironisch.

Dass auf einem Planeten des Kristallimperiums arkonidisch gesprochen wurde, war noch keine Sensation. Nur die alte Version alarmierte mich.

Es war eine weibliche Stimme, rauchig und dunkel. Sie gehörte keinesfalls Cinthia Taubenflug, sondern einer mir fremden Sprecherin.

Die Stimme war von einem befehlsgewohnten, arroganten Ton geprägt, und ein nervöses Vibrieren verriet mir, dass mit der Sprecherin nicht zu spaßen war.

Einen Moment lang überlegte ich, mich mit einem raschen Sprung in Sicherheit zu bringen. Allerdings, eine andere Deckung als das Innere der Kuppel gab es nicht. Und dass ich mich ohne Lampe drinnen kaum zurechtfinden konnte, hatte ich eben bereits festgestellt. Es wäre dumm gewesen, in meiner Lage Kunststücke zu versuchen, deren Folgen ich nicht berechnen konnte.

So folgte ich der Anweisung. Ich drehte mich langsam um.

Vor mir standen zwölf abenteuerlich ausstaffierte Gestalten. Es schien sich um Arkoniden zu handeln, den langen weißen Haaren und den roten Augen nach zu urteilen. Sie trugen arkonidische Raumrüstungen, deren Alter ich auf etwa zehntausend Jahre taxierte. Ich hatte lange nichts mehr gesehen, was so primitiv aussah. Auf mich wirkten sie wie dreidimensional animierte Museumskrieger.

Der Trupp starrte vor Waffen. Sie alle trugen Handstrahler in den Holstern an ihren Hüften.

Jeder einzelne der Arkoniden hielt einen Thermostrahler auf meinen Kopf gerichtet. Das war der Nachteil an der Sache. Der Vorteil war, dass ich mir um den Wassermangel keine Gedanken mehr zu machen brauchte.

Nur eine einzige Gestalt präsentierte sich waffenlos: eine Frau, die in scheinbar entspannter Haltung einen Meter vor der Gruppe stand. Das Wappen auf ihrer Kleidung wies sie als Angehörige des Da-Traversan-Adels aus. Es war dasselbe Wappen, das auch Fürst Ligatem getragen hatte.

Sie war hochgewachsen und sehr schlank, soviel erkannte ich trotz ihres Kampfanzugs. Dass sie keine Waffe trug, besagte übrigens überhaupt nichts. Ich identifizierte die scheinbar entspannte Haltung als Dagor-Grundstellung. Mit anderen Worten, die Frau hatte keine Waffe nötig. Sie konnte sich auch so verteidigen.

Wenngleich sie einem Dagor-Meister meiner Erfahrung vermutlich nicht gewachsen gewesen wäre; aber davon konnte die Frau nichts wissen.

Ihre selbstbewusste Haltung verriet mir, dass sie die Anführerin der Gruppe war. Nicht ohne Faszination musterte ich ihre mandelförmigen Augen, das reglose Gesicht, die überaus stolze Haltung, den platinblonden Pagenschnitt.

Narr! Sie ist eine Feindin!

»Ich begrüße Eure Erhabenheit in Demut«, erklärte ich, mit einem ironischen Seitenblick auf die gezückten Waffen.

Die Frau antwortete nicht.

Die bewaffneten Kerle starrten mich ausdruckslos an, sie waren schussbereit.

»Mein Name ist Atlan. Und mit wem habe ich das Vergnügen?«

Die Frau musterte mich plötzlich mit einem durchdringenden Blick, wie ich ihn selten zuvor gesehen hatte. Sie schien jedes Molekül meines Körpers durchleuchten, jeden Gedanken in meinem Kopf scannen zu wollen.

Der Blick wurde wieder klar, anschließend zornig, zum Schluss sah sie mich an wie einen widerspenstigen Kriminellen.

»Bei den She‘Huhan-Sternengöttern! Dieser Kerl ist nicht …«

Sie verstummte. Dann hob sie eine Hand.

Ich konnte sehen, wie eine der Gestalten den Finger krümmte. Den Strahl aus seiner Waffe sah ich nicht mehr kommen.

Gegenwart 2. August 1290 NGZ

Ligatem konnte sich nicht erinnern, jemals in seinem Leben einer solchen Qual ausgesetzt gewesen zu sein. Der Altar, auf dem Atlan stand, schien sich in das Zentrum eines peingefüllten Universums zu verwandeln.

Weg von hier!, forderte der Extrasinn des Fürsten. Du wirst die Schmerzen sonst nicht überleben!

Auf dem Altar stand immer noch Atlan, der Mann von Camelot, so aufrecht wie zuvor. Ligatem begriff nicht, warum der Unsterbliche im Zentrum der Schmerzen immer noch am Leben war.

Der Fürst wusste, dass man es ihm nicht ansah, doch er war ein sportlich gestählter Mann. Was Atlan ertragen konnte, das musste auch ihm möglich sein.

Und er sah die Archäologin Cinthia ohne Bewusstsein vor dem Altar liegen. Ligatem war ein Mann von Ehre. Er allein hatte noch die Macht, ihr Leben zu retten.

Auch wenn er hinterher nicht hätte sagen können, wie es ihm gelungen war – er floh nicht vor der Strahlung, sondern im Gegenteil, er näherte sich. Als er Cinthia erreicht hatte, hob er ihren Körper auf und trug die Archäologin aus dem Bannkreis des Altars, in Richtung offene Wüste.

Je größer der Abstand zum Altar wurde, desto besser setzte er seine Kräfte ein. Am Ende rannte er fast, obwohl die Terranerin auf seinen Schultern lag.

Er schaffte es im letzten Moment.

Als er die Grenze passiert hatte, die den Kuppelkreis von der Wüste trennte, geschah eine Katastrophe. Jedenfalls wurde der Vorfall im Nachhinein so bewertet; obwohl ihm niemand hätte erklären können, was sich wirklich ereignete.

Die gesamte Anlage verschwand. Sie löste sich so spurlos auf, als habe sie sich in Luft verwandelt oder als sei sie mit unbekanntem Ziel fortteleportiert.

Ligatem und die Frau wurden von Helfern auf die Beine gestellt. Camelot-Wissenschaftler in Schutzkleidung musterten den Fürsten mit wirren Blicken.

Einer der Archäologen sagte:

»Fürst, wir hatten Funkkontakt mit Atlans Raumschiff. Die Wissenschaftler der RICO behaupten, sie haben ein seltsames energetisches Phänomen angemessen. Sie sagen, die Wellenfronten aus der Yssods-Wüste hätten Ähnlichkeit mit dem, was vor sehr langer Zeit die terranischen Nullzeitdeformatoren produziert haben.«

Ligatem räusperte sich, damit seine Stimme nicht zu belegt klang.

»Was habe ich unter einem Nullzeitdeformator zu verstehen?«

»Soweit ich weiß«, erläuterte der Archäologe, »handelt es sich um eine vergessene oder nicht mehr praktizierte Technologie der Terraner. Eine Art Zeitmaschine.«

Ligatem drehte sich ruckartig um. Er starrte auf den leeren Platz, an dem eben noch die fünf Kuppeln gestanden hatten. Sie waren immer noch verschwunden. Der Fürst ahnte, dass es auch so bleiben würde.

»Wir werden Atlan suchen«, kündigte er an.

»Wo, Fürst?«

Ärgerlich versetzte er: »Überall.«

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