Читать книгу Rebellen gegen Arkon - Hans Kneifel, Paul Wolf - Страница 20

2.

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Eben noch hatten die Messwerte Anlass zur Hoffnung gegeben – nun war der Patient tot, innerhalb von Sekunden unter großen Schmerzen gestorben. Blut quoll aus seinen Mundwinkeln, und die Augen blickten in fiebrigem Glanz starr zur Decke empor. Eine stumme Anklage lag in diesem Blick, zugleich auch ein Hauch von Erleichterung. Haggar on Teska hatte den Tod als Freund empfangen, wahrscheinlich sogar als Erlösung.

Einer der besten Triebwerkstechniker innerhalb der Sektoralflotte hatte sein Leben in einer unsinnigen Schlacht verloren. Arkoniden kämpften gegen Arkoniden und zerfleischten sich gegenseitig, anstatt ihre Kräfte dem gemeinsamen Gegner, den Maahks, zu widmen.

Zögernd schob Oros die Injektionsphiole in die sterilisierende Hülle zurück. Der Tote brauchte keine Droge mehr, die seinen Körper vorübergehend schmerzunempfindlich machte und die letzten Reserven mobilisierte.

Ein Name mehr in den Verlustdateien, an den sich schon in wenigen Jahren niemand mehr erinnern würde. Oros‘ Lippen bebten in ohnmächtigem Zorn. Zu viele brauchten Hilfe und Versorgung; von den vierhundert Männern und Frauen der Besatzung hatten mehr als einhundertachtzig die Strafexpedition gegen Traversan mit dem Leben bezahlt. Der 200-Meter-Kreuzer PADOM war ein Wrack, von Hüllenbrüchen und Energieeinschlägen schwer in Mitleidenschaft gezogen, aus eigener Kraft nicht mehr manövrierfähig.

Mit einem heftigen Kopfschütteln versuchte der Mediziner, den brennenden Schweiß und die Tränen aus den Augenwinkeln zu vertreiben. Verbissen kämpfte er um das Leben der Verwundeten, von denen viele großflächige Verbrennungen erlitten hatten. Doch vielleicht tauchte das Wrack der PADOM ausgerechnet in dieser Sekunde in die Atmosphäre eines der Planeten ein, um wie ein Meteor in den dichteren Luftschichten zu verglühen. Ohne Kontrolle über den Antrieb …

Die zentrale Energieversorgung war ausgefallen. Nur ein Notkonverter arbeitete noch, ausreichend für die medizinische Station und einige wenige lebenserhaltende Funktionen …

Oros drückte die Augen des Toten zu und zog ihm das bleiche Laken über das Gesicht. Tai Ark‘Tussan, wohin des Wegs? – diese Frage stellte er sich nicht erst seit heute. Man musste schon mit Blindheit geschlagen sein, übersah man die vielen kleinen verräterischen Zeichen, die einer verderblichen Selbstzufriedenheit und Lethargie das Wort redeten. Längst fehlten die Kraft und die Aufbruchsstimmung früherer Imperatoren. Das Große Arkon-Imperium war satt und träge geworden, ein Tempel der Macht, dessen Säulen zunehmend knirschten.

Spitze, abgehackte Schreie ließen Oros herumfahren. Noch ehe er den Regenerationstank erreichte, in dem eine junge Frau mit dem Tod rang, verstummte sie wieder. Achtzig Prozent ihrer Haut waren verbrannt und hätten längst abgetragen werden müssen, doch für eine Operation fehlte die notwendige Energie. Außerdem hatte die Frau hohe Strahlendosen abbekommen; ihr Ableben war nur mehr eine Frage weniger Stunden.

Zwei nahezu bloßliegende Augen starrten Oros an, als er sich über den Plasmatank beugte und die Zufuhr des Anästhetikums erhöhte. Das halbe Gesicht war bis auf die Knochen verschmort, ein grauenvoller Anblick.

»Sie ist so gut wie tot«, erklang eine befehlsgewohnte Stimme aus Richtung des Schotts. »Also kümmern Sie sich nicht um die Frau, sondern bringen Sie endlich die Simulanten wieder auf die Beine!«

Der Mediziner war jäh zusammengezuckt. Im letzten Moment unterdrückte er die Regung, Haltung anzunehmen und dem Kapitän erster Klasse Luceiver seine Achtung zu bezeugen – ohnehin eine Farce angesichts des dutzendfachen Leids ringsum.

»Ich habe keinen Wunsch ausgesprochen, sondern einen Befehl«, dröhnte der Kapitän.

»Niemand kann dem Tod Vorschriften machen, Vere‘athor Luceiver; obwohl ich wünschte, es wäre anders.«

Verächtlich spuckte der Kapitän aus. Dann wischte er sich aufreizend langsam mit dem Handrücken über die Lippen. In seinen düsterroten Pupillen brannte ein verzehrendes Feuer. Mit 1,82 Metern war er knapp eine Handbreit kleiner als der Mediziner, dafür aber fülliger, ein Bündel aus Muskeln und Energie. Seine von der Raumstrahlung gegerbte, rissig wirkende Haut kontrastierte hart mit dem schlohweißen Haar, das er im Gegensatz zur Tradition nur fingerlang trug.

Steif schritt Luceiver zwischen den Medoliegen hindurch.

»Aufstehen!«, herrschte er einen der offensichtlich leichter Verwundeten an. »Im Bereich des Ringwulstes brauche ich jede Hand, die zupacken kann!«

»Tamatos darf sich nicht bewegen«, wagte Oros zu widersprechen. »Eine Tritium-Vergiftung …«

Um Luceivers Mundwinkel erschien eine tiefe Falte des Missfallens.

»Sehen Sie schwerwiegende Verletzungen?«, stieß er hervor. »Der Mann ist verwendungsfähig. Ich hoffe nicht, dass Sie anderer Meinung sind.«

Das klang lauernd und drohend zugleich.

Der Mediziner schien ein kurzes Stoßgebet zu allen Sternengöttern zu schicken; seine Stimme vibrierte hörbar, als er antwortete:

»Mit allem Respekt, Vere‘athor, aber der berstende Stützmassetank hat fünf unserer besten Techniker in den Tod gerissen, und nur Tamatos …«

»Wie viel Zeit brauchen Sie, um die Vergiftung zu neutralisieren?«

Der Mediziner setzte zu einer Antwort an, zog es dann aber doch vor, betreten zu schweigen.

»Also ist er ohnehin so gut wie tot«, folgerte Luceiver. »Alle werden sterben, falls es nicht gelingt, die PADOM wieder in einen kampffähigen Zustand zu versetzen! Ich erwarte Ihre Schützlinge innerhalb von fünf Minuten zum Dienst, Sie eingeschlossen. Noch befinden wir uns im Kriegszustand – und das wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern.«

Luceiver war ein Schinder, einer der Kapitäne, die glaubten, ihre Macht jeden Tag neu unter Beweis stellen zu müssen. Ohne ihn wäre es an Bord der PADOM vielleicht sogar erträglich gewesen. Immerhin war der 12.000 Lichtjahre von Arkon entfernte Brysch-Sektor ein strategisch unbedeutender Sternhaufen, der nicht einmal die Methans wirklich interessierte. Allein schon die Präsenz der Sektoralflotte genügte, potentielle Gegner auf Distanz zu halten – das heißt, bis vor kurzem war es so gewesen, doch inzwischen hatte die Schieflage ein bedrohliches Ausmaß angenommen.

Der Reihe nach deutete Luceiver auf vier Patienten.

»Ich erwarte Sie umgehend in Sektion 14, auf dem Torpedodeck. Aufräumarbeiten. – Noch Fragen, Oros?«

Offenbar zögerte der Mediziner zu lange mit der Antwort, denn Luceivers Rechte schnellte vor und packte ihn am Uniformaufschlag.

»Sie sollten meine Großherzigkeit schätzen, Oros«, herrschte er den Mediziner an. »Was glauben Sie, weshalb ich Sie nicht zu den Konvertern schicke? Weil ich dort Kerle brauche, keine Waschlappen.«

Mit einer unwilligen Bewegung stieß er Oros zur Seite. Dass die hasserfüllten Blicke des jungen Mediziners ihn wie Dolche in den Rücken trafen, bemerkte er nicht mehr, als er mit dröhnenden Schritten die Krankenstation verließ.

Als Oros den Raumanzug schloss und den Helmfunk aktivierte, schlug eine Vielzahl von Stimmen über ihm zusammen. Flüche, Verwünschungen, Befehle – er wurde mitten in die Hektik der Reparaturarbeiten hineingeworfen. Diese fieberhafte Aufregung war so ganz anders als die gedämpfte Stimmung innerhalb der medizinischen Abteilung. Erst nach einer Weile besann er sich darauf, die Empfindlichkeit des Helmfunks neu zu justieren. Plötzlich waren da nur noch die Stimmen seiner Schützlinge, ganz nahe und überdeutlich zu verstehen.

»Wir schaffen das schon, Oros, und wenn nicht …«

Eben dieses wenn nicht erfüllte ihn mit Unbehagen. Seine Aufgabe war es, Leben zu erhalten, nicht sinnlos zu opfern.

Ihr seid mit Schmerzmitteln und Psychopharmaka vollgepumpt!, wollte er ihnen entgegenschreien. Die Euphorie wird nur von kurzer Dauer sein, und danach kommt der Zusammenbruch, dann werden die Schmerzen unerträglich.

»Kommen Ihre Leute voran, Oros?«, dröhnte Luceivers Stimme aus dem Funkempfang. »Ich erwarte Ergebnisse – so schnell wie möglich. Also vergessen Sie Ihre verweichlichten medizinischen Methoden und benutzen Sie Ihren Verstand.«

Der Mediziner ballte die Hände, aber er schluckte die Verwünschung unausgesprochen hinunter.

Vor ihm fraßen sich die Flammen der atomaren Schneidbrenner durch das Gewirr aus geborstenem, verdrehtem Arkonstahl. Spärlich erhellten die Helmscheinwerfer die Szene.

Nur minimale Schwerkraftwerte herrschten in diesem Bereich des Schiffs. Das Laufen mit den Magnetsohlen war ungewohnt. Inmitten der Träger und ausgeglühten Wandsegmente hangelte sich Oros vorwärts. Teils war der Stahl unter der Einwirkung des gegnerischen Thermobeschusses geschmolzen und zu mitunter scharfkantigen Formen wieder erstarrt.

Dem Kapitän ging es nicht darum, diesen Bereich des Schiffs wieder mit Atmosphäre zu fluten, er wollte einzig und allein die blockierten Abschussschächte der Torpedos funktionsfähig wissen.

… für noch mehr Leid, schoss es Oros durch den Sinn.

Maccom – seine Brustplatte war doppelt gebrochen, und ein Knochensplitter hatte die Lunge durchbohrt – hustete gequält. Die Enge im Raumanzug und die Bewegung waren noch Gift für ihn. Maccom wusste das ebenso wie Oros, aber den Kapitän interessierte das nicht. Luceiver erwartete, dass seine Mannschaft funktionierte. Oft genug schien er zu glauben, dass er Roboter vor sich hatte und keine Wesen aus Fleisch und Blut.

Ein Aufschrei … Oros sah einen Scheinwerfer durch das Gewirr taumeln, aber nicht Maccom hatte in dem stählernen Labyrinth den Halt verloren, sondern einer der anderen. Jede abrupte und unkontrollierte Bewegung in der Hoffnung, sich abzufangen, gab dem Körper eine andere, noch heftigere Drehung.

Fast in Reichweite erlosch die scharf gebündelte Glut des atomaren Schneidbrenners. Fünf oder sechs Meter höher hing die Gestalt im Raumanzug reglos zwischen den Verstrebungen. Wie Dornen ragten geborstene Stahlenden in die Höhe.

Von seinem neuen Standort aus bekam das Leck in der Außenhülle für Oros eine andere Dimension: Eine sternenlose Schwärze schien das Schiff gefangen zu halten. Sekundenlang starrte der Mediziner nach draußen, bevor er weiter in die Höhe kletterte.

Ein stechender Schmerz raste durch seine Finger, als ein kantiger Metallsplitter den Handschuh durchbohrte. Abrupt riss Oros die Hand zurück – und erstarrte entsetzt, denn die rötlich aufwallenden Blasen verrieten die ausströmende Luft.

Alles, was er jemals über Schäden an Raumanzügen gehört hatte, wirbelte durch seine Gedanken, ein buntes Kaleidoskop längst vergessen gewähnter Belehrungen. Er war Mediziner, kein Raumfahrer, hatte sich nie vorstellen können, in eine solche Situation zu geraten. Zu perfekt schien alles in der Flotte des Imperiums; es war ein in Jahrtausenden eingefahrener Mechanismus …

Nur wenige Augenblicke dauerte es, bis der mit seinem Blut vermischte Schaum zu einer rosafarbenen Dichtfolie verhärtete. Allein das rasende Hämmern in der Wunde und das Gefühl, die Finger kaum mehr bewegen zu können, blieben.

Die Helmscheibe des reglos zwischen den Streben hängenden Mannes war mit Erbrochenem verschmiert, er selbst vielleicht inzwischen erstickt, auf jeden Fall aber bewusstlos. Mühsam versuchte Oros, sich den Bewusstlosen über die Schulter zu wuchten. Um Hilfe zu leisten, musste er den Helm öffnen, aber das war im Vakuum der Halle unmöglich.

Erst jetzt bemerkte er den faustgroßen Robotspion, der knapp zwei Meter vor ihm schwebte. Kein Zweifel, Luceiver benutzte die autarken Sonden, um seine Mannschaft zu überwachen.

»Lassen Sie die Toten ruhen, Oros!«, dröhnte die Stimme des Kapitäns aus dem Helmempfänger.

»Tamatos ist nicht tot. Aber er stirbt, wenn ich ihm nicht rasch helfen kann.«

»Ich sage, er ist tot«, erklang es mit eisiger Kälte. »Die Torpedos sind wichtig, nichts sonst. Also führen Sie Ihre Aufgabe aus, die Verteidigungsbereitschaft wiederherzustellen.«

Der Mediziner ertappte sich dabei, dass er gehetzt nach einem Stück Stahl suchte, mit dem er die Sonde zerschmettern konnte. Nur leider würde ihm das nicht weiterhelfen. Niemand hatte es bislang geschafft, diesen Schinder Luceiver zur Rechenschaft zu ziehen.

»Bei Arkon, beschäftigen Sie sich nicht mit Unnützem, Oros.«

»Ein Leben ist nichts Un…«

Der Mediziner brach mitten im Satz ab, weil die Funkverbindung schon nicht mehr bestand. Einen Augenblick lang war er versucht, lautstark das Schicksal zu verfluchen, das ihn zum Handlanger eines unmenschlichen Kapitäns gemacht hatte.

Luceiver war ein Mann wie Arkonstahl, kalt und unnachgiebig; innerhalb weniger Jahre hatte er sich zum Kapitän erster Klasse emporgearbeitet, und es hieß nicht umsonst, dass Leichen seinen Weg pflasterten. Gemunkelt wurde viel, aber nur hinter vorgehaltener Hand und auch nur dann, wenn Luceiver Lichtjahre weit entfernt weilte.

Die Nähe der Sonde empfand er als bedrohlich. Vielleicht fällte in dem Moment der Kapitän ein Urteil über ihn: Zwangsarbeit auf einer der Bergwerkswelten im Randgebiet des Imperiums. Das war gleichbedeutend mit einem Todesurteil. Über die Zustände auf diesen Welten kursierten schlimme Gerüchte.

Bedrohlicher als an Bord der PADOM konnte das Leben dort auch nicht sein.

In der Schwärze des Alls zeichneten sich wieder Sterne ab, die Sichel eines Planeten wanderte langsam vorbei. Offenbar drehte sich die PADOM langsam um ihre Achse.

Wie weit mochte der Planet entfernt sein? Eine Million Kilometer, kaum mehr. Falls das Wrack bereits vom Schwerefeld angezogen wurde, blieb der Besatzung nicht mehr viel Zeit, dem drohenden Absturz zu entgehen.

Nur von den eigenen hastigen Atemzügen und dem monotonen Klicken der Magnetsohlen begleitet, hangelte Oros sich nach unten. Endlich spürte er ein schwaches Lebenszeichen von Tamatos. Der Mann hatte den Arm bewegt, und seine Finger öffneten und schlossen sich, als suchte er verzweifelt nach einem Halt.

»Sie müssen durchhalten, Tamatos, dann bringe ich Sie hier raus.«

Wie ein lästiges Insekt umschwirrte ihn die Sonde.

»Hau ab!«, brüllte Oros. »Lass mich in Ruhe!«

Kurz darauf hatte er wieder sicheren Boden unter den Füßen. Da lagen Metallverstrebungen, aus dem Chaos herausgeschnitten und an der Wand gestapelt. Zögernd ließ Oros seine Last von der Schulter gleiten, dann umklammerte er ein meterlanges breites Stahlstück und wirbelte es hoch. Der Schwung ließ ihn den Halt verlieren und versetzte ihn in der annähernden Schwerelosigkeit in eine drehende Bewegung. Doch er traf – der Widerstand, als der Stahl gegen die Sonde schmetterte, war deutlich zu spüren.

Die Welt drehte sich, stand plötzlich kopf. Um sich abzufangen, ließ Oros das Stück Stahl los, das sich wie ein Geschoss zwischen die Verstrebungen bohrte.

Die Magnetsohlen griffen wieder. Die Arme wie haltsuchend ausgebreitet, klebte Oros an einer bizarr verformten Wand und sah schräg über sich ein faustgroßes, funkensprühendes Etwas, das rasend schnell rotierte und dabei von einer Stichflamme zerrissen wurde.

Maccom und die anderen hatten das unmöglich Scheinende geschafft und den Zugang zum Torpedoschacht freigelegt. Der gegnerische Strahltreffer hatte das Magazin um Haaresbreite verfehlt, dabei jedoch die positronische Steuerung verschmort und die Verbindung zur Feuerleitzentrale gekappt. Falls die PADOM sich erneut verteidigen musste, konnten die Torpedos nur an Ort und Stelle abgefeuert werden.

Ein Wartungsschacht konnte als Einstieg benutzt werden. Die Röhre, eigentlich halbtransparent, war durch den Energieausfall nahezu undurchsichtig geworden. Lediglich schemenhaft war zu erkennen, wie Maccom sich darin langsam vorwärts arbeitete. Mehrfach kam es zu Entladungen von Speicherenergie, die sein Raumanzug jedoch mühelos ableitete.

Urplötzlich ein Aufschrei, dem ein gequältes Keuchen folgte.

»Was ist los, Maccom?«

»Nichts. Es … geht schon wieder.«

Die gesamte Innenwand der Röhre flackerte jetzt in grellen Farben. Es hatte den Anschein, als wolle sie zu pulsieren beginnen.

»Die Abschusssequenz ist labil«, keuchte Maccom.

Er war der Torpedospezialist, deshalb hatte er gehen müssen.

»Ich messe Kriechströme an, aber ich weiß nicht, woher sie kommen.«

Wieder ein Aufschrei.

»Ich … kann den Arm nicht mehr bewegen.«

»Nur den Arm?«

»Auch meine Beine … sind taub.«

»Kommen Sie zurück, Maccom!«

»Drei Meter noch, dann habe ich die Schalt… Bei allen Geistern, Oros, ich habe kein Gefühl mehr für meinen Körper.«

»Nicht mehr bewegen, Maccom, hören Sie! Ihr Rückenmark ist geschädigt. Ich lasse Sie da rausholen.«

»Der Vere‘athor will das nicht, Oros, ich muss meine Arbeit tun. Wenn Sie … Ich schaff‘s nicht, ich … ich kriege den Arm nicht mehr vor.«

Mit einer unwilligen Handbewegung scheuchte Oros die anderen Männer zur Seite und schwang sich selbst in den Durchstieg. Nie zuvor hatte er sich in einem Wartungsschacht befunden. Bunte Schlieren huschten über die Wände und weckten in dem Mediziner die Assoziation von Verdauungsbewegungen.

Mit ruckartigen Bewegungen stemmte er sich vorwärts. Aber das fiel ihm schwerer als erwartet.

»Das Transportsystem arbeitet nicht«, stöhnte Maccom. »Halt finden Sie nur in den Wandvertiefungen.«

Kurz darauf hatte Oros Maccoms Füße vor sich.

»Ich versuche, Sie halbwegs erschütterungsfrei nach draußen zu ziehen. Bewegen Sie sich möglichst wenig.«

»Danke für den guten Rat, Wunderheiler. Glauben Sie, ich ließe mich von Ihnen hier rausholen, wenn ich noch in der Lage wäre, wenigstens auf allen vieren zu kriechen?«

Das klang sarkastisch. Weitaus weniger aggressiv fügte Maccom hinzu:

»Sie kriegen mich doch wieder hin, oder?«

»Mit ein paar Halbleiterchips und nachgezüchteten Nervensträngen bestimmt.«

Allmählich lernte Oros, sich in der Wartungsröhre zu bewegen. So schlimm, wie er anfangs geglaubt hatte, war es gar nicht. Das Gefühl beklemmender Enge wich sogar einer Art wohliger Geborgenheit. Dies war ein eigenes Reich, ein Ruhepol fernab der hektischen Betriebsamkeit an Bord eines jeden Raumschiffs. Und irgendwie schien es dem Mediziner, als hätte Luceiver hier jede Macht verloren.

Fahle Elmsfeuer huschten über seine Fingerspitzen, ein deutliches Zeichen des gestörten Energiehaushalts am Ende der Röhre. Oros ignorierte die flackernden Erscheinungen, die in unregelmäßigen Abständen entstanden und wie Nebel verwehten.

Zehn Minuten brauchte er, um Maccom nach draußen zu schaffen.

»Wie geht es Ihnen?«

»Gut«, log der Techniker, und Oros wusste, dass er log. Er brauchte nur in das verzerrte Gesicht zu sehen, um zu wissen, woran er war.

»Sie erklären mir jetzt, was ich zu tun habe, Maccom. Anschließend werde ich eine Antigravtrage beschaffen und Sie zur Operation bringen, ob das Luceiver passt oder nicht. Aber ein gelähmter Mann kann keine Wunder vollbringen.«

»Worauf warten Sie dann noch, Oros?«, stieß Maccom hervor. »Umso eher bin ich wieder auf den Beinen.«

»Bilden Sie sich nicht ein, dass Sie von heute auf morgen …«

»Ich weiß, ich werde Wochen brauchen. Gerade deshalb sollten Sie sich beeilen.«

Maccom lachte gequält und brach mit einem krampfhaften Husten ab.

»Ist schon gut«, stieß er schwer atmend hervor. »Ich bin ein Wrack – genau wie die PADOM.«

Geschmeidig glitt Oros voran. Zwei Sicherheitssperren, die verhindern sollten, dass Techniker versehentlich in eine Abschusssequenz hineingerieten, lagen noch vor ihm. Die erste Kontrolle hatte Maccom bereits deaktiviert, die zweite reagierte nicht mehr.

»Sie müssen die Schaltung überbrücken, Oros. Lösen Sie die Verschlusskappe und …«

»Welche?«

»Sie haben drei Sensorpunkte vor sich.«

»Nein.«

»Sehen Sie die Kapazitätsanzeige, Oros?«

»Das Hologramm?«

»Richtig.«

Maccoms Husten wurde zu einem qualvollen Nach-Atem-Ringen. Offenbar hatte der Knochensplitter in seiner Lunge weitere Zerstörungen angerichtet.

»Das Holo aktiviert sich, sobald Sie …«

»Schon geschehen. Und weiter?«

»Die Anzeige für die Abschussfreigabe …«

Maccoms Stimme erstarb in einem dumpfen Wimmern. Augenblicke später krächzte er nur noch:

»Oros, Sie dürfen nur weitergehen, solange die Torpedos im Arsenal liegen …«

»Woran erkenne ich …?«

»… mittlere Sensor …«

Würgend brach Maccom ab. Augenblicklich meldete sich einer der anderen Männer:

»Er spuckt Blut. Hören Sie, Oros? Was sollen wir tun?«

»Ich komme zurück.«

»Nein!«

Schneidend scharf Maccoms Ausruf.

»Wir … brauchen die Torpedos … Der mittlere Sensor, dann …«

Das Hologramm wechselte, es zeigte erst die nach außen verriegelte Abschussröhre, danach die in ihren Halterungen liegenden Torpedos. Sechs Stück waren es noch: schlanke, blauschwarze Fische, ausgerüstet mit Triebwerkssätzen, die sie innerhalb kürzester Zeit auf halbe Lichtgeschwindigkeit beschleunigten. Oros wusste das auch erst seit kurzem. Er hatte sich erst nach dem Start von BRY 24 mit den Waffensystemen vertraut gemacht.

Maccom kämpfte mit einem neuen Erstickungsanfall.

»Umschalten … auf manuelle … Steuerung … Code eingeben, Oros: Er lautet … Tai Ark‘Tussan.«

Der Mediziner brauchte längere Zeit, um die entsprechenden Sensorfelder zu finden. Halb auf dem Rücken liegend, tippte er über sich den Code ein.

Nichts geschah.

»Ich schaffe es nicht, Maccom. Vielleicht liegt es an der ungenügenden Energieversorgung.«

»Wiederholen Sie … den Vorgang!«

Verbindung zur Feuerleitzentrale unterbrochen, flammte ein Schriftband auf. Manuelle Aktivierung wird bestätigt. Bislang ruhender Aktivierungsimpuls hat Vorrang – bitte Vorrangschaltung löschen. Zündung erfolgt in zehn Sekunden.

»Bei allen Göttern, Maccom, was heißt Vorrangschaltung?«

… sieben Sekunden.

Die holographische Wiedergabe wechselte, blendete auf einen im Abschusskanal liegenden Torpedo um. Offenbar war die Kommandostruktur Sekunden vor dem geplanten Abschuss durch den gegnerischen Treffer unterbrochen worden. Die manuelle Manipulation ließ nun die Speicherdaten wirksam werden.

… fünf Sekunden.

»Wie lösche ich die Vorrangschaltung? Maccom!«

Ein ersticktes Röcheln war das Letzte, was der Mediziner im Helmfunk hörte. Von aufwallender Panik getrieben, schlug er wahllos auf die Sensorfelder. Der Schacht war verschlossen. Sobald der Torpedo startete …

Blendende Lichtflut hüllte ihn ein. Oros hatte noch den Eindruck einer heranschießenden Flammenwand. Sein Raumanzug hielt den entfesselten Gluten nur Sekundenbruchteile stand, dann löschte die Sonnenhitze Oros‘ Denken aus.

Rebellen gegen Arkon

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