Читать книгу Rebellen gegen Arkon - Hans Kneifel, Paul Wolf - Страница 19

1.

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Irgendetwas hatte mich aufgeschreckt; ich glaubte ein leises, gepresstes Atmen wahrzunehmen. Jemand stand in der Dunkelheit meiner Kabine und starrte mich an.

Unwillkürlich spannte ich die Muskeln an. Der Raum war gesichert; niemand konnte, ohne Alarm auszulösen, eindringen – zumindest niemand außer Prinzessin Tamarena oder …

Mach dich doch nicht zum Sklaven deiner Hormone!, dröhnte die Stimme des Extrasinns unter meiner Schädeldecke. Lass die Augen zu, verliebter Narr! Atme gleichmäßig weiter!

Wie lange hatte ich geschlafen? Kaum länger als eine halbe Stunde, denn immer noch steckte eine bleierne Schwere in meinen Gliedern. Ich erinnerte mich, geträumt zu haben. Von der siegreich beendeten Raumschlacht und der Gefahr, dass ich durch mein Eingreifen vielleicht die Zukunft verändert hatte. Ich gehörte nicht hierher, nicht in diese Zeit, in der das Große Arkon-Imperium den Zenit seiner Macht bereits überschritten hatte und der Degeneration entgegendämmerte.

In meinen Gedanken entstand das Bild eines Schattens, der gekommen war, um mich ins Jenseits zu befördern. Schlagartig hellwach, zog ich langsam die Beine an.

Drei Schritte vor dir …

Die Lider nur leicht geöffnet, verwünschte ich die Dunkelheit. Der Eindringling hatte die automatische Beleuchtung manipuliert. Ein verhaltenes Rascheln erklang. Diesmal glaubte ich erkennen zu können, wie ein Arm in die Höhe ruckte, und – war da nicht ein eisiges metallisches Blitzen?

Der Vibratorklinge entging ich lediglich, weil ich mich abrupt zur Seite wälzte.

Kein Laut der Überraschung, nichts – mein Gegner reagierte mit der tödlichen Präzision eines Roboters. Seine Hand krallte in mein Gesicht, die Finger bohrten sich in die Augen. Gleichzeitig stieß er wieder zu. Doch ich war abermals schneller. Mein Ellenbogen krachte in einem abwehrenden Dagor-Griff gegen seinen Brustkorb.

Obwohl der Angreifer nach wie vor nur ein Schemen in der Finsternis war, spürte ich, dass er taumelte. Jedoch musste sein Zurückweichen einen anderen Grund haben als meinen Abwehrschlag, denn besonders hart hatte ich ihn nicht getroffen.

Sieh dich vor!

Die Warnung des Extrasinns kam zu spät. Siedendheiß schrammte der Dolch über meinen Arm, und sofort fühlte ich es warm und klebrig auf der Haut. Blut quoll mit jedem Pulsschlag aus der verletzten Ader.

Ich bekam das Handgelenk des Angreifers zu fassen und zerrte ihn, seinen eigenen Schwung ausnutzend, nach vorne. Dumpf war sein Aufprall auf der Wand, doch er federte sofort zurück. Diesmal rammte mein Ellenbogen in seine Magengrube.

Der Dolch klirrte zu Boden.

Eher zufällig trat ich die Klinge zur Seite. Zugleich zerrte ich dem Unbekannten die Arme auf den Rücken und drückte ihn auf die Koje.

»Wer sind Sie?«

Keine Antwort. Er rang nach Luft, als hätte er nicht mehr die Kraft, sich zur Wehr zu setzen – doch zweifellos wartete er nur auf eine Chance, mich zu überrumpeln.

Ich packte fester zu. In meinem verletzten Arm tobten Höllenfeuer. Ich schwitzte und fror gleichzeitig, und aus allen Poren perlte plötzlich eisiger Schweiß.

»Warum wollten Sie mich töten?«

Der Boden schien sich mir entgegen zu wölben. Sekundenlang empfand ich ein seltsames Schwindelgefühl, danach war alles wieder wie zuvor.

Vergiftungssymptome!, stellte der Logiksektor fest. Die Klinge war präpariert.

Es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren, quälende Übelkeit stieg in mir auf. Mein Griff lockerte sich, doch ein warnender Aufschrei des Extrasinns entriss mich der beginnenden Lethargie. Bevor der Unbekannte sich herumwälzen konnte, presste ich ihn mit meinem ganzen Gewicht auf die Koje.

»Wer hat Sie … geschickt?«

Stockend kam die Frage über meine Lippen.

Ein kaum verständliches Gurgeln antwortete mir. Nur bruchstückweise reimte ich mir zusammen, was ich da eben gehört hatte. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Im ersten Moment war ich versucht, meinen Gegner niederzuschlagen. Aus Wut und maßloser Enttäuschung.

Warum tust du es nicht, Barbar?

Spöttischer hätte die Bemerkung des Extrasinns nicht sein können.

Ich biss die Zähne zusammen und versuchte mit einem Kopfschütteln, die grässliche Benommenheit zu vertreiben. Trotz der beruhigenden Impulse des Aktivatorchips kämpfte ich bereits gegen eine beginnende Ohnmacht.

»Wer …?«, herrschte ich meinen Gegner an. »Die Wahrheit, oder …«

»Die Prinzessin …«, stieß der Kerl hervor. »Prinzessin Tamarena!«

Er schien förmlich unter mir zu explodieren. Ich spürte seine Reaktion, aber ich reagierte zu langsam. Sein Schädel traf mein Gesicht, ein Tritt in die Magengrube schleuderte mich rückwärts.

Tamarena, hallte ein schreckliches Echo durch meine Gedanken. Obwohl ich sie erst seit wenigen Tagen kannte, schien sie eine der Frauen zu sein, die mir altem Arkoniden durchaus gefährlich werden konnten.

Liebe und Tod lagen schon immer nah beieinander.

Der Kommentar des Extrasinns war bissig wie immer.

Ein Schatten sprang mich an. Vergeblich riss ich die Arme zur Abwehr hoch. Gemeinsam stürzten wir zu Boden und wälzten uns ineinander verkrallt herum. Zwei kräftige Hände umklammerten meinen Hals.

Ich bekam keine Luft mehr. Mein Aufbäumen und der Versuch, den Gegner abzuschütteln, blieben wirkungslos. Er lachte heiser.

»Sie sterben als Erster, Has‘athor. Und nach Ihnen wird Traversan seine gerechte Strafe erhalten.«

Has‘athor nannte er mich, einen Admiral vierter Klasse und Einsonnenträger. Er unterschätzte mich.

Es ist wahrlich beruhigend, mit solchem Wissen in den Tod zu gehen.

Vor meinem inneren Auge explodierten Sonnensysteme. Alles in mir schrie danach, tief und lang anhaltend einzuatmen. Ich konnte es nicht. Dabei schnappte ich wohl nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen, aber die Finger des Gegners lagen wie Schraubzwingen um meine Kehle. Meine Sinne begannen zu schwinden.

Viel zu selten hatte ich mir Gedanken über den eigenen Tod gemacht. Wer wie ich die relative Unsterblichkeit besitzt, der denkt nicht so häufig darüber nach. Mit der Empfindlichkeit einer Mimose müsste ich sonst nach Jahrtausenden auf die eigene körperliche Unversehrtheit achten und die Unsterblichkeit nur noch als Fluch und Behinderung empfinden.

Kämpfe, du Narr! Oder wir sterben beide!

Der Aufschrei des Extrasinns, zum ersten Mal seit langem von Panik erfüllt, reißt mich aus der Lethargie. Aber den stahlharten Griff kann ich nicht abschütteln, ich …

… fühle, verzweifelt um mich tastend, einen kühlen Gegenstand unter meiner Hand. Es ist der Griff der Vibratorklinge. Schon auf dem Grat der Bewusstlosigkeit balancierend, zerre ich die Waffe hoch und stoße zu.

Ein gurgelnder Aufschrei beweist, dass ich getroffen habe. Jäh weicht die Last von mir. Keuchend, hustend und nach Luft ringend wälze ich mich auf die Seite. Der Dolch ist mir schon wieder entglitten, aber das spielt keine Rolle mehr. Wie flüssiges Feuer tobt der Sauerstoff durch meine Lungen. Ich glaube innerlich verbrennen zu müssen und atme dennoch hastig ein, bis ich hustend und mit dem schalen Geschmack von Blut auf den Lippen ins Leben zurückfinde.

»Sie sterben trotzdem«, keucht der Unbekannte.

Egal, wie ich ihn verletzt habe, falls noch Gift an der Klinge war, und das dürfte der Fall gewesen sein, kann er mir kaum noch gefährlich werden. Vielleicht rettet schnelle medizinische Hilfe sein Leben.

»Sie entkommen mir nicht«, bringt er stoßweise hervor.

Ich komme schwankend auf die Beine, versuche das Gefühl zu ignorieren, dass die ganze Welt sich rasend schnell um mich dreht.

»Wir werden gemeinsam zur Hölle fahren, Has‘athor …«

Ich mache einen Schritt, dann einen zweiten – der Kabinenboden wird zur Achterbahn. Er springt mir entgegen und fällt sofort wieder rasend schnell zurück und lässt mich, mit den Armen rudernd, scheinbar im Nichts hängen. Mein Gleichgewichtssinn ist völlig aus den Fugen geraten.

Ein wirres Lachen erklingt. Als es abrupt abbricht, fällt ein Gegenstand zu Boden und rollt einige Meter weit. Trotz meiner Benommenheit höre ich das Geräusch fast überdeutlich. Ein düsterrotes Glimmen entsteht in der Dunkelheit …

… und beginnt zu blinken.

Das ist eine Thermoladung, die ihre Energien freisetzen wird, sobald das Blinken endet. Ich weiß nicht, auf welche Verzögerung sie eingestellt ist. Vielleicht sind es nur wenige Sekunden …

Alles dreht sich und wogt auf und ab. Ich stolpere, spüre eine Wand, habe dennoch das Gefühl, mich im Kreis zu bewegen. Wie viele Sekunden geht das schon? Eine Ewigkeit.

Du hast Zeit, Atlan – genügend Zeit.

Seltsam, aber ich glaube dem Extrasinn nicht.

Endlich, das Schott. Aber es öffnet sich nicht. Zum zweiten Mal schlage ich auf die positronische Verriegelung.

Das Blinken hat aufgehört. Unerbittlich wie das Auge eines Dämons starrt das rote Glühen mich an.

Viel zu langsam gleitet die stählerne Wand auf. Ein schmaler Spalt entsteht. Noch bevor ich mich hindurchzwängen kann, zündet die Thermoladung in einer blendenden Lichtfülle. Schützend reiße ich die Arme hoch, aber das alles verbrennende Feuer ist überall. Ich fühle mich emporgewirbelt und spüre noch die sengende Hitze auf der Haut …

… dann erlischt jede Wahrnehmung.

Ich höre Stimmen. Sie kommen näher. Mehrere Personen reden von Vergeltung. Unsicherheit schwingt in ihren Worten mit, aber auch unbeugsamer arkonidischer Stolz.

Vorübergehend gebe ich mich der Illusion hin, zu Hause zu sein.

Du bist ein unverbesserlicher Narr. Der Extrasinn will mich provozieren, aus welchem Grund auch immer. Dies ist nicht deine Gegenwart, ebenso wenig deine Vergangenheit – und das Tai Ark‘Tussan, das Große Arkon-Imperium, wird dir deine Verdienste um Traversan bestimmt nicht in barer Münze vergelten.

»Keon‘athor Atlan ist aus dem Koma erwacht!«, erklingt ein überraschter Ausruf. »Die Gehirnströme zeigen endlich annähernd normale Werte.«

»Könnt Ihr mich verstehen, Admiral?«

Jemand beugt sich über mich und prüft die feste Verbindung etlicher Sensoren mit meiner Haut.

»Es ist ein Wunder, dass Ihr überlebt habt. Der Attentäter benutzte ein tödlich wirkendes Gift. Im Allgemeinen führt es innerhalb weniger Minuten zum Verlust der psychischen Kontrolle. Der Zusammenbruch aller Körperfunktionen und damit der Tod tritt nach knapp einer Stunde ein.«

»Wir vermuten, dass der Attentäter Ihnen unter der Einwirkung des Giftes Informationen entlocken wollte, Admiral Atlan«, fuhr eine zweite Stimme fort. »Kannten Sie den Mann?«

Sie wissen, dass du die Frage verstanden hast, raunte der Extrasinn. Deine Gehirnströme und der Hautwiderstand verraten es ihnen.

Wissen Sie auch, dass ich erfahren habe, wer hinter dem Attentat steht?, fragte ich ebenso lautlos zurück.

Glaubst du diese Lüge? Sie sollte dich verunsichern.

… und falls nicht?

Das nachfolgende Schweigen war bedeutungsvoll. Welches Spiel spielten die Traversan-Arkoniden, nachdem ich ihnen die Kastanien aus dem Feuer geholt hatte? War ich für sie nichts anderes als eine Garrabo-Figur, die man beliebig hin und her schob? Die Saat des Zweifels war aufgegangen und keimte, doch ich durfte nicht zulassen, dass sie wuchs und um sich griff.

Ich schlug endlich die Augen auf. Hologramme ringsum vermittelten den Eindruck einer sonnenüberfluteten Planetenlandschaft. Nur die Bildschirmgalerien und die inmitten einer Hügelkette deplatziert wirkenden medizinischen Geräte störten den Eindruck. Ein Meer von Khasurn, dem kelchförmigen arkonidischen Riesenlotos, bewegte sich sanft im Wind. Zwei Mediziner hantierten in meiner Nähe.

Du vertraust ihnen demnach immer noch, stellte der Logiksektor fest.

Was stört dich daran?

Nichts, großer Arkonidenhäuptling, rein gar nichts.

Dass ich ungefähr drei Stunden ohne Besinnung gewesen war, erfuhr ich, als Tamarena da Traversan erschien. Die Prinzessin war ernsthaft besorgt. Ihre rauchig-dunkle Stimme zitterte, und die hellroten Augen hatten viel von ihrem Glanz verloren. Dafür zeichneten sich dunkle Ringe unter den Lidern ab.

»Es ist für mich unbegreiflich, Atlan. Traversan steht tief in deiner Schuld, das wissen wir alle. Dennoch sind wir nicht einmal fähig, deinen Schlaf zu bewachen. Zwei Sicherheitskräfte wurden heimtückisch ermordet.«

Sie versucht, deine Gedanken zu lesen.

Ich hab‘s bemerkt.

Der Blick ihrer mandelförmigen Augen war wieder ausdrucksstärker geworden. Mittlerweile wusste ich um Tamarenas telepathische Fähigkeiten; doch meine Abschirmung konnte sie nicht durchdringen, wenn ich es nicht wollte. Selbst im geschwächten Zustand hielt mein mentaler Schirm.

»Nert Kuriol braucht sich meinetwegen nicht zu sorgen«, wehrte ich ab.

»Das tut er aber.«

Mit einer heftigen Bewegung streifte Tamarena ihr halblanges platinblondes Haar zurück.

»Niemand hat mit einem Spion des Tai Ark‘Tussan in den eigenen Reihen gerechnet. Deine Kabine ist ausgeglüht. Wir haben den verkohlten Leichnam des Attentäters geborgen oder vielmehr das, was von ihm übrig ist. Seine Identifizierung ist für uns lebenswichtig.«

Ich nickte und versuchte, mich aufzurichten. Aber Tamarena drückte mich sanft, doch unwiderstehlich zurück. Obwohl ich mich noch schwach fühlte, schob ich ihre Hand zur Seite und setzte mich am Rand der antigravgestützten Liege auf.

Nachdenklich ruhte der Blick der Prinzessin auf mir.

»Andere wären an dem Gift gestorben«, sagte sie leise. »Du scheinst nicht einmal unter den Folgen zu leiden.«

»Mir geht es gut.«

Ich stand langsam auf und streifte die Kleidungsstücke über, die für mich bereitlagen. Die Schnittwunde am Oberarm war mit Bioplasma verklebt, ebenso einige verbrannte Hautfetzen. In ein bis zwei Tagen würde alles narbenfrei abgeheilt sein, dafür sorgte schon der Zellaktivator.

»Unkraut vergeht nicht«, fügte ich hinzu.

»Bitte?«

Ich ignorierte ihren verblüfften Blick ebenso wie das amüsierte Kichern des Extrasinns. Natürlich wohnten zwei Seelen in meiner Brust, die arkonidische, aber auch eine terranische, die in Jahrtausenden gewachsen war. Terra war meine zweite Heimat – dass ich irdische Redewendungen benutzte, war für mich selbstverständlich, darüber zerbrach ich mir schon lange nicht mehr den Kopf.

»Wieso wusstest du von dem Gift?«, stellte ich die Gegenfrage.

»Vielleicht eine Vorsehung der She‘ Huhan«, antwortete einer der Mediziner, nachdem die Prinzessin ihn mit einem kaum merklichen Nicken dazu aufgefordert hatte. »Die brennende Kabine, Ihre blutende Armwunde, Admiral – und so gefährlich das Gift auch ist, seine Molekülgruppen sind mit einem Standardtest zu identifizieren. Sie müssen jetzt ruhen …«

»Ich bin weder krank noch gebrechlich«, fuhr ich auf. »Und darüber wünsche ich keine Diskussion.«

Sollte er meine robuste Konstitution ruhig den She‘Huhan, den arkonidischen Sternengöttern, zuschreiben. Der Zellaktivator war und blieb mein persönliches Geheimnis.

Zweieinhalb Stunden später ging die Sonne über der Hauptstadt Erican auf. Travs Nachtauge, der einzige Mond des Planeten, hing als riesiger, rot schimmernder Ball dicht über dem Horizont. Seine gewaltige Größe entsprang aber einzig und allein einer optischen Täuschung, hervorgerufen durch Lichtbrechung und den nahezu waagerechten Standort.

Die holographische Wiedergabe der erwachenden Stadt war trügerisch, sie gaukelte eine Ruhe vor, die es nicht gab. Unter der scheinbar friedlichen Oberfläche brodelte es – wir hatten eine Schlacht gewonnen, nicht jedoch den Krieg.

Nert Kuriol da Traversans Falten in den Augenwinkeln waren tiefer geworden, überhaupt wirkte sein Gesicht heute eingefallen wie nach einer langen Nacht ohne Schlaf. Mit zwei Fingern massierte er seine Nasenwurzel – aber noch schwieg er. Und keiner der Anwesenden wagte es, vor ihm das Wort zu ergreifen.

Wir hatten uns im kleinen Konferenzraum neben der Hauptzentrale des Flaggschiffs eingefunden, das immer noch auf dem Raumhafen von Erican stand. Der Nert war erst vor wenigen Minuten an Bord gekommen. Zu seiner Linken saß die Prinzessin, ihm gegenüber der Kapitän zweiter Klasse Irakhem, Kommandeur des Flaggschiffs und zugleich ranghöchster Offizier von Traversan. Neben ihm Eshveran on Keithy, Kapitän dritter Klasse und Irakhems Stellvertreter als Befehlshaber der Flotte, sowie Lesantre, der Chef des planetaren Geheimdienstes.

Lesantre war gemeinsam mit dem Nert und zwei schwer bewaffneten Uniformierten eingetroffen, die mittlerweile vor dem Konferenzraum Wache standen – Staffage oder Notwendigkeit, ich würde es vermutlich sehr schnell erfahren.

Prinzessin Tamarena blickte aufmerksam in die Runde. Nur meine Gedanken konnte sie nicht erfassen. Immerhin hatte ich mehr Vertrauen in ihre telepathischen Fähigkeiten als in die hochdekorierten Wachen vor dem Schott.

»Für Traversans Ruhm und Ehre«, begann der Nert.

Mit knappen Worten drückte er seine Bestürzung über den heimtückischen Anschlag auf mein Leben aus und zugleich seine Freude, mich nahezu unverletzt zu sehen. Floskeln zwar, aber ehrlich gemeint.

Gegen Nert Kuriol da Traversan wirkte der Geheimdienstchef mit seinen nur 1,75 Metern Größe untersetzt. Ich hatte inzwischen erfahren, dass er einst mit Kuriol auf diesen Planeten gekommen war und den Geheimdienst aus dem Nichts heraus aufgebaut hatte. Lesantre wirkte gelegentlich brutal, er war aufbrausend, doch auf jeden Fall loyal. Auch jetzt betonte er wieder, tief in Nert Kuriols Schuld zu stehen, ohne jedoch Details preiszugeben.

»Keon‘athor Atlan«, er wandte sich mit einer angedeuteten Verbeugung an mich, »ich habe alles unternommen, damit der erschreckende Vorfall ein einmaliges Geschehen bleibt. Außerdem konnten wir den Attentäter bereits aufgrund einer genetischen Analyse identifizieren. Sein Name war Tomaren – ein illegitimer Spross aus der Verbindung des Patriarchen der unbedeutenden Tomar-Sippe mit einer Essoya, einer Nichtadeligen.«

Ein Springerabkömmling also. Anzunehmen, dass er es auf Traversan zu einigem Reichtum und Ansehen gebracht hatte.

»Tomaren erschien vor wenigen Monaten, kurz nach den ersten Unstimmigkeiten mit Sonnenkur Pyrius Bit«, fuhr Lesantre fort. »Inzwischen sehen wir das nicht mehr als Zufall, damals jedoch erbrachten unsere Nachforschungen nichts Nachteiliges. Und dass er sich die Bürgerrechte auf Traversan erkaufte …«

… war vermutlich mit einer beachtlichen Zahlung verbunden gewesen. Ich hörte nur noch mit halbem Ohr hin. Tomaren hatte allein gearbeitet. Jeder seiner Schritte innerhalb der letzten fünf Tage war inzwischen peinlich genau nachvollzogen worden. Er hatte während dieser Zeit keine Möglichkeit gehabt, einen versteckten Funkspruch an den Sonnenkur abzusetzen. An Bord des Flaggschiffs war er durch Bestechung gelangt, der betreffende Thos‘athor, ein Offiziersanwärter also, hatte seine Verfehlung bereits zugegeben und sah seiner strengen Bestrafung entgegen.

»Der Anschlag war wohl nur ein Vorgeschmack des Kommenden«, sagte Nert Kuriol bedeutungsschwer. »Der nächste Angriff auf Traversan wird bald erfolgen.«

»… also müssen wir dem Sonnenkur zuvorkommen!«, platzte Irakhem heraus. »Bevor er weitere Flotten in Marsch setzt.«

Irakhem forderte das mit der Risikofreude des jungen Heißsporns, der er nun mal war. Er war fachlich durchaus kompetent, jedoch keineswegs mit der taktischen und strategischen Erfahrung ausgestattet, die sich altgediente Kommandanten in oftmals schmerzvollen Jahren erworben hatten. Einen gesicherten Sektoral-Stützpunkt anzugreifen war ein Selbstmordunternehmen, vor allem, wenn dies mit einer zahlenmäßig unterlegenen Flotte geschah und die Besatzungen gerade mal auf zwei leidlich überstandene Gefechte zurückblickten.

»Sie scheinen einen Präventivschlag nicht gutzuheißen, Admiral Atlan«, stellte Eshveran on Keithy richtig fest. »Was ist Ihrer Ansicht nach zu unternehmen?«

»Die Parteien sollten Friedensverhandlungen führen.«

Alle starrten mich an, als hätte ich soeben behauptet, die Methanatmer stünden mit einer Flotte ihrer Walzenschiffe nur wenige Lichtstunden vor Travs Stern.

Bist du verrückt?, protestierte der Extrasinn. Traversan hat sich nicht nur gegen den Sonnenkur aufgelehnt, sondern damit auch gegen den Imperator, und das zieht früher oder später Kreise.

Der Sonnenkur wird sich hüten, sein Versagen vorschnell preiszugeben.

Alle redeten durcheinander. Mein Hinweis auf Verhandlungen hätte beinahe die Grenzen ihrer Welt zum Einsturz gebracht. Niemand auf Traversan zog ernsthaft in Erwägung, der Sonnenkur könnte nach einer entsprechend dotierten Entschädigung zur Tagesordnung übergehen. Für den Statthalter des Brysch-Sektors ging es jetzt vor allem darum, das Gesicht und zugleich seine Macht zu wahren.

Nur Tamarena schwieg. Sie musterte mich abwartend, als wisse sie genau, dass mein letztes Wort noch nicht gesprochen war.

»Wir müssen BRY 24 angreifen!«, verlangte Irakhem. »Ob mit oder ohne Atlan, uns bleibt keine andere Wahl.«

»Welche Chance hätten Sie, Pal‘athor, eine solche Offensive zu überleben?«, fragte ich ihn, nicht ohne Ironie in der Stimme.

»Keine schlechte«, antwortete der Kommandeur. »Das hoffe ich zumindest. Wir haben viel von Ihnen gelernt, Atlan.«

»Viel vielleicht, aber ganz sicher noch nicht genug.«

Mit einer knappen Handbewegung wischte ich jeden Protest vom Tisch.

»Was, glauben Sie, geschieht, wenn sich Ihre Schlachtschiffe BRY 24 nähern?«

Eshveran on Keithy verkrampfte die Hände ineinander. Um seine Mundwinkel zuckte es verhalten. Dennoch hielt er meinem forschenden Blick stand und presste nach einigen Sekunden trotzig die Lippen aufeinander.

»Unsere Mannschaften werden kämpfen«, behauptete Lesantre bitter. »Sie wissen, dass es für Traversan nichts anderes mehr geben kann als Sieg oder Untergang.«

»Wem nutzen tote Helden?«, fragte ich.

Alle starrten mich an. Tamarena versuchte sich zum wiederholten Mal mit ihren telepathischen Fähigkeiten an mir.

Balzgehabe!, dröhnte die Stimme des Extrasinns durch meine Gedanken. Warum spannst du sie auf die Folter, alter Arkonide? Doch nur, um Tamarena zu imponieren. Dabei solltest du über das Alter pubertärer Emotionen längst hinaus sein.

Ich zerbiss eine deftige Verwünschung zwischen den Zähnen. Nein, nicht dass ich mich ertappt gefühlt hätte …

Der zweite Frühling ist angebrochen, würde dein Freund Perry jetzt sagen. Jahrtausende liegen zwischen Tamarenas Welt und deiner Zeit, Beuteterraner. Was erwartest du? Eine Liebesnacht mit Tamarena als Dank für die Rettung Traversans …?

Sei still!, herrschte ich den Extrasinn an.

»Keines unserer Schiffe wird sich Brys Stern weiter als bis auf wenige Lichtstunden nähern können, ohne abgeschossen zu werden«, hörte ich mich sagen. »Um ans Ziel zu kommen, brauchen wir ein Raumschiff mit Territorial-Kennung.«

Die einfachsten Methoden waren häufig die wirkungsvollsten. Ich musste mich wundern, weshalb keiner vor mir auf diese Idee gekommen war. Immerhin zeigten die Ortungen deutlich die Überreste der Raumschlacht: treibende Wracks überall zwischen den elf Planeten des Traversan-Systems. Die unbeschädigten Einheiten der Heimatflotte befanden sich im Einsatz, um Überlebende aufzuspüren und zu bergen. Alle übrigen Schiffe hatten die Werften aufgesucht. Es sah wahrlich nicht gut aus mit unserer Verteidigungskraft. Schon deshalb mussten wir dem Sonnenkur zuvorkommen.

»Ich gehe davon aus, Admiral Atlan«, sagte der Nert anerkennend, »dass Sie bereits einen Plan haben. Verfügen Sie über Pal‘athor Irakhem und sein Flaggschiff. Ich bin überzeugt, egal, was Sie tun werden, Sie tun es zum Wohle von Traversan.«

Er erhob sich und gab damit zu verstehen, dass er die Unterredung als beendet betrachtete. Es war nun meine Aufgabe, ein geeignetes gegnerisches Schiff zu finden.

Rebellen gegen Arkon

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