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Bärbel und Pascal

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Dipl. Ing. Pascal Kamphusen stand auf dem Schild an der Haustür von Familie Kamphusen in Essen-Werden, denn dorthin war Pascal mit seiner Frau Bärbel und seinen Kindern Inga und Max gezogen. Pascal hatte an der Uni Duisburg-Essen Architektur studiert und sich in der Architektenwelt auch schon einen Namen gemacht. Er hatte schon als Student an einem Wettbewerb teilgenommen und einen Preis für seinen Entwurf bekommen, obwohl eigentlich sein Professor das Projekt geführt hatte. Aber er würdigte damit die Arbeit von Pascal, bei dem letztlich die gesamte Ausführung gelegen hatte. Pascal war Mitglied in der Architektenkammer NRW und hatte in seinem Haus ein Büro, das er aber nur gelegentlich nutzte. Denn in der Hauptsache war er bei einem Architektenkonsortium beschäftigt und hatte damit zu tun, Entwürfe zu fertigen bzw. Verkaufsgespräche an den Objekten zu führen, was eigentlich gar nicht seiner Ausbildung entsprach, aber so war es vielfach auch bei den Kollegen von Pascal, sie alle waren zwar als Architekten beschäftigt, hatten aber mit fachfremden Dingen zu tun, wie zum Beispiel Pascal mit Verkauf ohne jemals eine Ausbildung auf dem Gebiet gehabt zu haben.

Pascal war aber sehr glücklich in seinem Job, weil ihm das Ressort, das er leitete, viel Bewegungsspielraum ließ, und er ein sehr gutes Salär erzielte. Allerdings musste er dafür teilweise sehr lange arbeiten und auch manchmal an Wochenenden in seinem Büro sitzen und Entwürfe korrigieren oder Verträge für Verkäufe aufsetzen. Bärbel hatte dagegen ein weitaus geruhsameres Leben und war bei der Stadt Essen Abteilungsleiterin auf dem Wohnungsamt, was ein angenehmer Beruf war, der ebenfalls gut bezahlt wurde. Bärbel arbeitete wegen ihrer Kinder nur halbtags, was im öffentlichen Dienst problemlos möglich war, und nie für Pascal in Frage käme, weil sein Job nicht halbtags zu erledigen wäre. Bärbel genoss alle Annehmlichkeiten des öffentlichen Dienstes wie geregelte Arbeitszeiten, Mitbestimmungsrechte und Urlaub. Sie hatte einen kleinen Opel Corsa, mit dem sie täglich morgens zum Essener Rathaus fuhr. Der Weg dorthin war jedes Mal eine einzige Mühsal, sie quälte sich mit tausend anderen Autofahrern die B 224 entlang, fuhr vor dem Hauptbahnhof zur Bernestraße rüber und gelangte über diese Straße zum Rathaus. Das Rathaus hatte zum Glück eine Tiefgarage, in der ein Stellplatz für Bärbel reserviert war.

Pascals Arbeitsstelle lag in Essen-Stadtwald, was für ihn sozusagen um die Ecke lag. Er hatte jedenfalls morgens keinen Verkehrsstau und fuhr manchmal sogar mit seinem Fahrrad zur Arbeit. Der Berg vom Baldeneysee nach Stadtwald hoch forderte ihm regelmäßig alle körperlichen Energien ab. Aber Pascal betrachtete das als gesunden Ausgleichssport für seine ansonsten doch sehr mit Sitzen verbundene Tätigkeit, und er fühlte sich, wenn er oben in Stadtwald angekommen war, anfangs immer wie ausgelaugt. Danach ging es ihm aber umso besser, manchmal duschte er auf der Arbeit und fühlte sich anschließend wie ein Jugendlicher. Inga und Max waren 5 und 3 Jahre alt und besuchten in Werden den Kindergarten, sie gingen beide sehr gerne dorthin und liebten ihre Gruppenleiterinnen über alles. Sie kamen manchmal wie verzaubert vom Kindergarten nach Hause und waren kaum in der Lage, zu erzählen, was sie denn am jeweiligen Vormittag erlebt hatten, aber es muss immer etwas gewesen sein, das sie in ihrer Wahrnehmung vollständig vereinnahmt hatte, und von dem sie mitgenommen waren. Es dauerte dann immer eine Weile, bis sie ansprechbar waren und das Erlebte im Nachhinein verarbeitet hatten. Dann sprudelte es aus ihnen heraus, und sie berichteten ihrer Mutter beim Essen, was es am Vormittag im Kindergarten gegeben hatte. Bärbel nahm sich immer viel Zeit für ihre Kinder, und die hatte sie mit ihrer halben Stelle auch.

Sie war Mutter mit all der Energie, die ihr zur Verfügung stand, ohne dass sie sich aber als Person vollkommen preisgab. Sie hasste es geradezu, wenn sie mit anderen Müttern zusammensaß und mit denen nur über die Kinder und deren Erziehung sprach. Für Bärbel gab es ein Leben auch neben den Kindern, und das mussten auch die Kinder respektieren. Aber das entsprach ja auch voll und ganz den die Kinder umgebenden Lebensumständen, und je früher sie lernten, dass sich nicht alles um sie drehte, und ihre Eltern auch ein eigenes Leben hatten, desto eher waren sie in der Lage, sich zurückzunehmen und andere Lebenswelten zu akzeptieren. Für den Vormittag hatten Bärbel und Pascal eine Hilfskraft aus Polen eingestellt. Sie hieß Maria, kam aus Danzig und war der deutschen Sprache nicht sehr gut mächtig. Es reichte aber, um ihren Job zu erledigen, und der bestand aus Saubermachen, Kochen, Einkaufen, und gelegentlich musste sie auf die Kinder aufpassen, wenn sie einmal früher aus dem Kindergarten abgeholt wurden, aber das machte Maria dann ohne mit der Wimper zu zucken. Oft saß sie noch mit am Mittagstisch, wenn Bärbel und die Kinder aßen, und sie aß mit. Dann fragten die Kinder sie oft nach ihrer Heimat ohne natürlich zu wissen, wo Polen lag. Aber sie interessierte, warum Maria so anders sprach als alle anderen, die sie kannten.

Bärbel erklärte, dass die Menschen, die aus anderen Länder kamen, auch anders sprachen und sie nahm das Wort Danke und übersetzte es in Englisch, Italienisch, Französisch und Spanisch und sie nahm auch das polnische dzienkulje hinzu und ließ es die Kinder mehrmals nachsprechen. Maria war eine herzensgute junge Frau, und Inga und Max liebten sie sehr, sie war für sie wie eine zweite Mutter. Die Kinder freuten sich auch immer, wenn es nach Katernberg zu Oma Ute und Opa Paul ging, denn dort gab es für sie immer etwas Süßes, und das durften sie von ihrer Mutter aus auch annehmen, während Bärbel sonst peinlich darauf achtete, dass Inga und Max nicht zu viel Süßes in sich hineinstopften. Opa Paul nahm Inga und Max dann bei der Hand und ging mit ihnen zur Bude, die bei ihm gleich um die Ecke lag. Dort standen draußen auf der Fensterbank große Gläser mit Bonbons und anderen Süßigkeiten, und Inga und Max durften sich jeder eine Tüte füllen lassen, und sie nahmen sie mit großen Augen entgegen. Bei Ute gab es einen selbstgebackenen Kuchen, den Inga und Max besonders gern aßen, und wenn im August Pflaumenzeit war und Oma Ute einen Pflaumenkuchen gebacken hatte, nahmen sie beide einen großen Klacks Sahne auf ihr Kuchenstück. Sie gingen auch in Opas Garten und spielten dort, Opa Paul hat eigens für die Kinder, auch für die von Jennifer, eine Kettler-Schaukel mit Doppelwippe aufgestellt, auf der die Kleinen lange Zeit wie geistesabwesend saßen und schaukelten, mit ihrer Tüte in der Hand. Auf der Wippe musste die Kinder nur jemand regelmäßig anstoßen und meistens war das Opa Paul.

In der Zeit, in der die Kinder mit ihrer Schaukel beschäftigt waren, saßen Ute, Bärbel, Paul und Pascal vor dem Garten an einem Tisch, tranken Kaffee und aßen Kuchen, oder sie tranken Bier und Wein, manchmal auch Sekt. Die Ausflüge nach Katernberg waren für die ganze Familie immer eine große Erholung, man freute sich, zusammensitzen und erzählen zu können. Paul erzählte gern von seiner Zeit auf Zollverein, wo er früher vor der Kohle gestanden hatte, und wo er heute als Guide tätig war. Immer wieder erzählte er von dem Unfall, den er unter Tage erlitten hatte, bei dem er nur mit viel Glück mehr oder weniger heil davongekommen war. Das Rückenleiden, das er sich dabei zugezogen hatte, war zum Glück auskuriert, und Paul konnte sich bewegen wie in alten Zeiten. Das kam den Kindern zugute, mit den er oft auf dem Rasen herum tobte und sich dort mit ihnen balgte, bis Ute einschritt und Paul daran erinnern musste, dass er keine Zwanzig mehr war. Für Bärbel und Pascal war ihr Aufenthalt in Katernberg Entspannung pur, und sie streckten gern ihre Beine unter den Tisch und ließen Ute und Paul die Kinder. Wenn sie alle Lust hatten, gingen sie nach Zollverein, nicht ins Museum, das kannten sie in- und auswendig und auch Pauls Tour über das ehemalige Zechengelände interessierte sie nicht mehr, weil sie diese Tour schon so oft mitgemacht hatten, und die Kinder ohnehin nicht verstanden, wovon Paul während der Tour erzählte.

Aber das Cafe am Museum, vor dem man so schön sitzen und sich die Sonne auf den Pelz scheinen lassen konnte konnte, das hatte es allen immer schon angetan. Wie oft hatten sie doch schon dort gesessen, und die Kinder wussten längst, wo die Eistruhe stand, und sie verbrachten Minuten vor dem Schild mit den angebotenen Eissorten, bis sie sich für eine entschieden hatten. Sie nahmen das Eis dann mit nach draußen, setzten sich zu den anderen und verspeisten es, und in dieser Zeit wollten sie nicht angesprochen oder sonst wie gestört werden. Auch die Erwachsenen genossen den Cafeaufenthalt immer, meistens hatte Paul seine Spendierhosen an und zahlte für alle, aber auch Pascal zahlte hin und wieder, er wollte seinem Vater mit seiner Familie nicht auf der Tasche liegen. Wenn Familie Kamphusen am frühen Abend nach dem Essen wieder nach Hause fuhr, standen Ute und Paul immer vor ihrem Häuschen auf dem Bürgersteig und winkten allen zum Abschied nach. Meistens war es ein Sonntag, an dem sie nach Katernberg gefahren waren, und wenn am Montag der Alltag wieder eingekehrt war, war die schöne Zeit bei Ute und Paul schnell wieder vergessen. Manchmal musste Pascal sich mit Kunden an einem Objekt herumärgern, wenn der Bauauftrag nicht ganz zu ihrer Zufriedenheit ausgeführt worden war. Meistens gelang es ihm aber, seine Kunden zu besänftigen, wenn er ihnen einen Preisnachlass einräumte. Es kam aber auch vor, dass er sich mit manchem Kunden nicht einig wurde, und der von dem Kauf zurücktrat, es musste manchmal sogar prozessiert werden, denn schließlich waren Verträge unterschrieben worden.

Wenn aber das Objekt in Abweichung vom Vertrag andere Bauausführungen aufwies als vorgesehen, bekam der Kunde natürlich Recht. Pascals Konsortium musste dann das Objekt neu anbieten und mit dem Preis sehr deutlich nach unten gehen. Bärbel hatte an ihrer Arbeitsstelle so gut wie nie Ärger und sie fuhr immer sehr gern zum Rathaus und erledigte vormittags ihren Job. Ihre Kollegen wussten sie sehr zu schätzen, denn Bärbel war als Amtfrau Ansprechpartnerin in vielen Angelegenheiten, die das Verhältnis ihrer Mitarbeiter zu ihren Chefs betrafen. Und auch bei ihren eigenen Vorgesetzten war Bärbel hoch angesehen, weil sie kompetent war und mit ihrem ausgleichenden Wesen so manche Woge zu glätten wusste. Für Inga stand im nächsten Jahr die Einschulung an, und Oma Ute und Opa Paul warten schon lange damit beschäftigt, Dinge für das Kind zu besorgen, die es in der Schule brauchen würde, und sie sprachen mit Bärbel und Pascal darüber. Die eigentlichen Schulsachen wie Rucksack, Hefte und Stifte, und auch den Füller, der aber erst später gebraucht würde, besorgten natürlich die Eltern. Aber alles Weitere wie eine gute Schuljacke, eine Mütze, Schuhe, Sportzeug usw. kauften Ute und Paul, und da ließen sie sich auch nicht lumpen und nahmen gute Qualität.

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